Ein Jahr nach der Einweihung hatte der Bildhauer Ärger mit der Stadt Bremen. Der Direktor der Kunsthalle Dr Günter Busch hatte gerade eine Gerhard Marcks Stiftung initiiert; er konnte nicht wissen, dass man den Leitenden Regierungsdirektor Dr Eberhard Lutze zum Vorstandsvorsitzenden wählen würde.Der Bildhauer, von den Nazis mit dem Stempel Entartete Kunst versehen, protestierte heftig, mit Lutze als Chef werde es die Stiftung, die seinen Namen trägt, nicht geben. Wie kann einer, der den Nazis als Kunsthistoriker willig gedient hat, solch ein Amt bekommen? Wie kann er es annehmen?
Der Spiegel schrieb damals: Eberhard Lutze, 61, Chef der Bremer Behörde für Kunst und Wissenschaft, soll das Werk eines einst 'entarteten' Künstlers verwalten: Er wurde zum Vorsitzenden der 'Gerhard-Marcks-Stiftung' gewählt. Der Graphiker und Bildhauer Marcks der einen großen Teil seiner Werke der Stadt Bremen schenkte, war 1937 mit einem Arbeits- und Ausstellungsverbot belegt worden und hatte Bilder und Skulpturen nur noch in der NS-Schau 'Entartete Kunst' zeigen dürfen. Lutze hatte zwar -- so der Beamte heute -- '1934 einen Riesenartikel, eine ganze Seite, über Barlach geschrieben und dafür prompt eine Rüge im 'Völkischen Beobachter' bekommen', jedoch wenige Jahre später als Parteigenosse in Kunst-Schriften die 'Verpolung' und 'Verjudung' kleiner polnischer Orte beklagt und eine 'zukünftige deutsche Kunst ... aus der gemeinschaftsbildenden Weltanschauung des Nationalsozialismus' hervorgehen sehen. Lutze über seine Eignung als Marcks-Kurator: 'Darüber sich jetzt zu unterhalten, das geht zu weit.'
Der Feuilletonredakteur der Bremer Nachrichten Erich Emigholz legte in einem Artikel noch mehr aus der braunen Vergangenheit des Spitzenbeamten frei. Lutze war nicht mehr zu halten. Er wird allerdings als böser Geist hinter dem unglücklich agierenden Kultussenator Moritz Thape noch bis zu seiner Pensionierung in der Kulturbehörde bleiben. Die Marcks Stiftung wird gegründet und hat seit 1971 ein schönes Museum, das schon in dem Post Lampen erwähnt wird. Und diesen Eberhard Lutze habe ich schon in dem Post Geistiges Bremen erwähnt. Dieser Mann, der in seiner Entnazifizierungsakte als an sich schwacher Charakter, der sich der Macht anschließt, um Geltung zu bekommen beschrieben wurde, bestimmt zwanzig Jahre lang die offizielle Bremer Kultur. Und publizierte solche Weisheiten: Der Bremer hat nicht viel übrig für Experimente, verhält sich kritisch zu fremdartigen Einflüssen und modischen Erscheinungen, hat dafür aber eines, was mancher avantgardischen Kühnheit andernorts abgeht: Charakter und Treue.
Der Rufer hat seit 15 Jahren einen neuen Platz, er steht jetzt an der Weser, weil Radio Bremen umgezogen ist. Dies ist nicht der Bremer Rufer, diese Plastik steht seit 1989 in Berlin. Sie ruft in den Osten, kurz nach der Aufstellung fiel die Mauer. Die Plastik trägt einen Satz von Francesco Petrarca: Ich gehe durch die Welt und rufe ‘Friede, Friede, Friede’. Es gibt noch mehr Abgüsse von dem originalen Rufer in der Welt. Die Bremer Figur hat sich ein klein wenig verändert, sie ist jetzt auf einem Kugellager montiert. Normalerweise blickt der Rufer über die Weser, aber für die Sendung 3 nach 9 wird er um 180° gedreht und guckt dann durch die Glasfront ins Studio. Vielleicht sollte er lieber auf die Weser gucken, 3 nach 9 ist auch nicht mehr das, was es mal war.
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