Sonntag, 8. August 2010

Barbara Bel Geddes


Das hier ist nicht Legoland. Dies ist ein gigantisches Modell einer Stadt der Zukunft. So wie man sich auf der Weltausstellung 1939 die amerikanische Großstadt im Jahre 1960 vorstellte. Auf jeder Fall stellte sich der amerikanische Designer Norman Bel Geddes das im Auftrag von General Motors so vor. Eine Stadt, die dem Auto die Vorfahrt einräumt: there should be no more reason for a motorist who is passing through a city to slow down than there is for an airplane which is passing over it.

Dies Photo ist nur hier, um zu zeigen, dass das oben wirklich ein Modell war und keine Computernachbearbeitung eines Photos einer beliebigen amerikanischen Großstadt. Norman Bel Geddes hatte schon originelle Ideen. Es kennt ihn kaum jemand mehr, aber seine Tochter, die heute vor fünf Jahren gestorben ist, die kannte vor einiger Zeit jeder. Ja richtig, Miss Ellie von Dallas. Ist nun auch schon Geschichte, war aber in den achtziger Jahren eine große Sache. Dallas und Denver Clan (im Original Dynasty) teilten das Fernsehpublikum unter sich auf. Aber Miss Ellie liebten alle, sie war immer so mütterlich und gutherzig, nicht so bösartig und verlogen wie die anderen aus der Ewing Familie. Es ist schon ein bisschen tragisch, dass sie erst im Alter richtig berühmt wurde. Dabei hatte sie schon früh als Schauspielerin angefangen, 1948 war sie schon als New Movie Star auf dem Titelbild von Life.

Da war sie gerade für ihren dritten Film I remember Mamma für den Oscar nominiert worden. Aber irgendwie war sie für Hollywood nicht sexy genug, und da ging sie wieder zurück auf die Bühne. 1955 war sie am Broadway Maggie in Cat on a Hot Tin Roof. Sie war die einzige aus dem Ensemble, die für einen Tony Award nominiert wurde, aber Tennessee Williams hatte es nicht nötig, sie in seinen Memoiren zu erwähnen. Williams hat auch den Film gehasst, in dem Elizabeth Taylor Maggie gespielt hat. Er soll vor der Uraufführung an der Schlange der Besucher entlanggelaufen sein und gerufen haben: This movie will set the industry back 50 years. Go home! Das Theaterstück Cat on a Hot Tin Roof war das Lieblingsstück von Williams, es hat ihm nicht gefallen, dass Elia Kazan ihn gezwungen hat, es umzuschreiben. Es gibt eine interessante TV Fassung aus dem Jahre 1985 mit Jessica Lange und Tommy Lee Jones (und Rip Torn als Big Daddy), die sich ziemlich genau an das Original hält, aber für den Rest der Welt wird der Film mit Elizabeth Taylor, Paul Newman und Burl Ives immer die Verfilmung des Stückes bleiben.

Barbara Bel Geddes ist in der Welt des Theaters aufgewachsen, weil ihr Vater nicht nur das Futurama im Jahre 1939 gestaltet hat, sondern vorher einer der berühmtesten Bühnenbildner Amerikas war. Bei seiner Hochzeit mit der Schriftstellerin Helen Belle Sneider hatte Norman Geddes seinen Namen in Bel Geddes geändert. Da arbeitete er schon als Bühnenbildner für die Met in New York. In dem Buch Das amerikanische Theater und Kino von Joseph Gregor und René Fülöp-Miller (1931) nimmt Norman Bel Geddes großen Raum ein, weil er damals Amerikas berühmtester Theaterdesigner ist.

Das Buch hat zwar nur hundert Seiten Text, aber 500 zum Teil ganzseitige Abbildungen (47 in Farbe) und ist heute noch antiquarisch erhältlich. in dem Buch erfährt man allerdings nicht, dass Norman Bel Geddes neben seiner Arbeit für das Theater längst etwas anderes macht. Er erfindet das Design für Amerika. Er hat Vers une architecture von Le Corbusier gelesen und Erich Mendelsohn kennengelernt, der gerade den Einsteinturm in Potsdam gebaut hat. Er hat, wie viele Designer, mehr Entwürfe als realisierte Projekte. Das Flugzeug, das er entwirft, ist wohl nur für einen SciFi Film gut. Von manchen seiner stromlinienförmigen Autos existieren immerhin Prototypen. Aber dies schrille Radio, das könnte man schon wieder auf den Markt bringen.

Es ist ein erstaunliches Phänomen, dass der Beginn (und der gleichzeitige Höhepunkt) des amerikanischen Designs mit der Weltwirtschaftskrise und der Great Depression zusammenfällt. Depression Modern hat Martin Greif seine Studie über den Stil der dreißiger Jahre genannt. 1932 hat Bel Geddes sein Buch Horizons veröffentlicht, ein Plädoyer für die Stromlinienform. Jetzt wird Amerika stromlinienförmig.

Dieses bedrohlich wirkende Teil aus dem Jahre 1934 wird allerdings nicht gebaut, der Chrysler Airflow, der gleichzeitig auf den Markt kommt, ist das erste Automobil, das eine Stromlinienform hat. Alles hat jetzt eine Stromlinienform, nur das wirkliche Leben in Amerika nicht.

Das ist jetzt nicht aus einem Star Trek Film, das ist ein stromlinienförmiger Bleistiftanspitzer, Design von Raymond Loewy. Der Franzose, der nur die Uniform eines Hauptmanns der französischen Armee besaß, als er 1919 nach Amerika kam, wird sich jetzt auf das Industrial Design stürzen. Wenn man alles glaubt, was in Loewys Buch Industrie-Design (1979) steht, ist er für das gesamte Design des 20. Jahrhunderts verantwortlich. Eine gewisse Selbstüberschätzung wird ein Charakteristikum der neuen Spezies Mensch werden, die jetzt Designer heißt. Aber das Spar Logo, das ist schon von ihm. Ebenso wie das Logo von Shell und BP, die Philip Morris Zigarettenschachtel und die Farbe von Kennedys Air Force One. Was wären die Amerikaner nur ohne Raymond Loewy? Geschmacksunsichere Menschen sind ja glücklich, wenn Architekten und Designer ihnen ihr Habitat vorfabriziert liefern.

Der einzige in Amerika, der von diesem Einbruch der Moderne in den Alltag nicht so begeistert ist, scheint Tom Wolfe zu sein: "O Beautiful, for spacious skies, for amber waves of grain," has there ever been another place on earth where so many people of wealth and power have paid for and put up with so much architecture they detested as within thy blessed borders today? . . . Every child goes to school in a building that looks like a duplicating-machine replacement-parts wholesale distribution warehouse . . . Every new $900,000 summer house in the north woods of Michigan or on the shore of Long Island has so many pipe railings, ramps, hob-tread metal spiral stairways, sheets of industrial plate glass, banks of tungsten-halogen lamps, and white cylindrical shapes, it looks like an insecticide refinery. And every building more than ten stories high is "a glass box." Even the architects themselves now use the term with a snigger. Ich bin Tom Wolfe schon dankbar dafür, dass er From Bauhaus to Our House geschrieben hat.

Wenn Sie nun gerade auf einer Corbusier Liege liegen und diesen Blog in einem Laptop im Apple Design im Lichte einer Wagenfeld Leuchte lesen und sich den Kaffee aus einer Alessi Kanne in eine Jasper Conran Tasse eingegossen haben, dann wird Sie Tom Wolfes Kriegserklärung an moderne Architektur und modernes Design vielleicht nicht so reizen.

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