In meiner Jugend war er überall, im Radio, im Film und vor allem im neuen Medium Fernsehen. Ich fand ihn furchtbar. Wenn man all das mag, was damals die Soldatensender AFN und BFN sendeten, dann mag man keine deutschen Operetten. Aber niemand konnte das Wolgalied so schön mit Herzschmerz singen wie Rudolf Schock.
Allein! wieder allein!
Einsam wie immer.
Vorüber rauscht die Jugendzeit
In langer, banger Einsamkeit.
Mein Herz ist schwer und trüb mein Sinn,
Ich sitz' im gold'nen Käfig drin...
Es steht ein Soldat am Wolgastrand,
Hält Wache für sein Vaterland.
In dunkler Nacht allein und fern,
Es leuchtet ihm kein Mond, kein Stern.
Regungslos die Steppe schweigt,
Eine Träne ihm ins Auge steigt:
Und er fühlt, wie's im Herzen frißt und nagt,
Wenn ein Mensch verlassen ist, und er klagt,
Und er fragt:
Hast du dort oben vergessen auf mich?
Es sehnt doch mein Herz auch nach Liebe sich.
Du hast im Himmel viel Engel bei dir!
Schick doch einen davon auch zu mir.
Später haben das dann Ivan Rebroff oder die Donkosaken gesungen, war aber nie so schön wie bei Rudolf Schock. Der wäre heute 95 Jahre alt geworden. Sein Erfolg in Film und Fernsehen (er sah ja immer blendend aus und hatte einen hervorragenden Schneider) und in der Operette, verdeckte die Tatsache, dass er ein exzellenter Opernsänger gewesen ist. Sein lyrischer Tenor war ideal für Mozart, voller Schmelz, nicht so ein mickriger Schmalspurtenor wie Cesare Valletti. Wenn Schock Il mio tesoro (Folget der Heißgeliebten) aus Don Giovanni singt
Il mio tesoro intanto
andate a consolar,
e del bel ciglio il pianto
cercate di asciugar.
Ditele che i suoi torti
a vendicar io vado,
che sol di strage e morti
nunzio vogl'io tornar.
Il mio tesoro intanto
andate a consolar,
e del bel ciglio il pianto
cercate di asciugar.
Ditele che i suoi torti
a vendicar io vado,
che sol di strage e morti
nunzio vogl'io tornar.
dann hat das schon was, selbst bei den aufnahmetechnischen Schwächen dieser alten Einspielung. Er hat als lyrischer Tenor eine große Nähe zu Fritz Wunderlich. Mit dem hat er sowieso viel gemein, nicht nur die Plattenfirma Electrola (er wird später zu Eurodisc/BMG/Ariola wechseln, dann ist Wunderlich bei der Electrola der einzige König). Er hat den Jüngeren aber nie als Konkurrenten empfunden, er hat sowieso alle jüngeren Sänger kollegial behandelt und gefördert. Das kommt in diesem Geschäft nicht so häufig vor. Er kommt wie Wunderlich aus kleinen Verhältnissen, und er ist, wie Wunderlich, immer ein normaler Mensch geblieben. Keine Starallüren. Und er hat, wie Wunderlich, vor dem Leichten und Seichten nicht zurückgeschreckt. Nun haben Tenöre ja, seit es die Schallplatte gibt und man damit Geld verdienen kann, gerne mit der leichten Muse geflirtet. Richard Tauber hat das getan, Franz Völker ebenso. Und Fritz Wunderlich hat so etwas Albernes wie Tititomba nicht ausgelassen. Den Soldaten am Wolgastrand natürlich auch nicht. Ja, und Schock hat die Caprifischer gesungen.
Rudolf Schock und Fritz Wunderlich sind in den frühen sechziger Jahren auch die einzigen Tenöre, die wir haben, die Italiener haben da viel mehr. Soviel gute Tenöre hatten wir eh noch nie, Josef Schmidt haben die Nazis in den Tod getrieben, Richard Tauber ist 1948 in London gestorben, Franz Völker hat seine Bühnenkarriere 1952 beendet, Peter Anders ist 1954 tödlich mit dem Auto verunglückt. Die Adenauerjahre sind der Höhepunkt der Operette und des Musikfilms. Und da natürlich des Heimatfilms, in dem auch häufig gesungen wird. Ob wir es wollen oder nicht, das ist nun mal unsere Kultur.
Aber dieser Spagat zwischen Oper und Schlager, ich weiß nicht, wie Schock und Wunderlich das hinkriegen. Wunderlich schafft es 1965, in einer Woche den italienischen Sänger im Rosenkavalier vor der Königin Elisabeth in München zu singen (die ihr Opernglas bei seiner Arie nicht abgesetzt haben soll) und wenige Tage später Granada und Ich küsse Ihre Hand, Madam für die Electrola aufzunehmen. Rudolf Schock scheint mit diesem Doppelleben als sängerischer Jekyll und Hyde nicht so recht glücklich, wie die Ehefrau von Fritz Wunderlich geschrieben hat: Er hatte ja immense Erfolge in der Unterhaltungsbranche, aber er war damit offensichtlich nicht allzu glücklich. Irgendwie war er etikettiert. Er bekam das dann sehr zu spüren, als er wiederum ernste Dinge machen wollte, Opernaufnahmen zum Beispiel. Damals sagte er meinem Mann: "Ich gebe Ihnen einen guten Rat: Machen Sie es nicht wie ich." Und er riet ihm dringend ab, sich zu sehr auf die Unterhaltungsbranche einzulassen. Nicht aus Aversion oder aus Geringschätzung dieser Branche gegenüber. Sondern wegen der Auswirkungen, die das auf die Karriere eines Opern- und Konzertsängers unweigerlich hatte.
Sein Geburtsjahr 1915 schien ein gutes Jahr für Sänger gewesen zu sein, auch Mario del Monaco, Josef Metternich und Elisabeth Schwarzkopf wurden in dem Jahr geboren. Von Frankieboy Sinatra ganz zu schweigen. Schocks Karriere auf der Bühne begann als Chorist in seiner Heimatstadt Duisburg, wo er mit dem Solo Erster Gefangener in Fidelio auf sich aufmerksam machte. 1936 war er in Bayreuth, als unbekannter Chorsänger stand er neben dem gefeierten Franz Völker auf der Bühne. Im Jahr darauf hatte er in Braunschweig sein erstes Soloengagement (als italienischer Sänger im Rosenkavalier), es gibt einige Gastspiele an der Deutschen Oper in Berlin. Und dann ist die Karriere zu Ende, Rudolf Schock wird Soldat für den ganzen Krieg (zweimal wird er von der Front beurlaubt, um in Berlin und Wien zu singen). Danach will er nicht mehr singen, zweifelt am Sinn des Lebens und wird Landarbeiter im Harz. Der Intendant von Hannover holt ihn wieder auf die Bühne zurück. 1948 erhält er als erster Deutscher nach dem Krieg ein Engagement in Covent Garden (La Bohème), 1949 folgt eine Australientournee. Und dann legt er ein geradezu aberwitziges Tempo vor, Figaro hie, Figaro da. Eine Schallplattenaufnahme folgt der nächsten. Wahrscheinlich sind Fischer-Dieskau und er die beiden deutschen Sänger, die die meisten Platten aufgenommen haben. Also, unterschiedliche Titel. Zahlenmäßig führt natürlich Dieter Bohlen.
Das Erstaunliche ist seine Bandbreite, von Korngolds Glück, das mir verblieb bis zu Lortzings Lebe wohl, mein flandrisch Mädchen oder Peter Cornelius' O holdes Bild in Engelsschöne, es ist erstaunlich wie viele deutsche Opern (abgesehen von den deutschen Operetten) er singt. Beinahe fünfzig Jahre lang. Seine Stimme hält bis ins Alter, aber er weiß auch, wann er aufhören muss. Ein so trauriges Schauspiel wie Pavarotti bietet er der Öffentlichkeit nicht.
Im Internet ist Rudolf Schock fest in holländischer Hand (Düren, wo er wohnte, ist ja nicht so weit von der holländischen Grenze), es gibt einen Blog mit dem schönen Namen tenorschock und eine Seite mit Bildern und Memorabilien. Und es gibt beinahe unzählig viele Videoschnipsel, wenn man bei Google auf Video tippt, nachdem man Rudolf Schock eingegeben hat. Dieses hier sollten Sie sich unbedingt anhören. Ich habe gestern den halben Tag Rudolf Schock gehört, und dann Wunderlich und Richard Tauber im Vergleich. Ich gönne ja Leuten wie Paul Potts ihren Erfolg, man sollte Leute wie ihn nicht mit richtigen Sängern verwechseln - Rudolf Schock konnte nicht nur eine Arie singen, er beherrschte irgendwas in der Größenordnung von 70 Parts. Und an dieser Stelle möchte ich doch noch etwas Gehässiges zu Jackie Evancho sagen, was hilft es einer Zehnjährigen, dass man sie darauf abrichtet, eine Puccini Arie zu singen? Das ist doch nur peinlich. Rudolf Schock konnte es sich erlauben, mit der Unterhaltungsindustrie zu flirten, weil er selbst in solch peinlichen Augenblicken wie hier noch eine gute Figur machte, und weil er jederzeit in die große Oper hätte wechseln können. Was den Paul Potts, Susan Boyle, Jackie Evanchos und André Rieus dieser Welt niemals gelingen wird.
Rudolf Schock und Fritz Wunderlich sind in den frühen sechziger Jahren auch die einzigen Tenöre, die wir haben, die Italiener haben da viel mehr. Soviel gute Tenöre hatten wir eh noch nie, Josef Schmidt haben die Nazis in den Tod getrieben, Richard Tauber ist 1948 in London gestorben, Franz Völker hat seine Bühnenkarriere 1952 beendet, Peter Anders ist 1954 tödlich mit dem Auto verunglückt. Die Adenauerjahre sind der Höhepunkt der Operette und des Musikfilms. Und da natürlich des Heimatfilms, in dem auch häufig gesungen wird. Ob wir es wollen oder nicht, das ist nun mal unsere Kultur.
Aber dieser Spagat zwischen Oper und Schlager, ich weiß nicht, wie Schock und Wunderlich das hinkriegen. Wunderlich schafft es 1965, in einer Woche den italienischen Sänger im Rosenkavalier vor der Königin Elisabeth in München zu singen (die ihr Opernglas bei seiner Arie nicht abgesetzt haben soll) und wenige Tage später Granada und Ich küsse Ihre Hand, Madam für die Electrola aufzunehmen. Rudolf Schock scheint mit diesem Doppelleben als sängerischer Jekyll und Hyde nicht so recht glücklich, wie die Ehefrau von Fritz Wunderlich geschrieben hat: Er hatte ja immense Erfolge in der Unterhaltungsbranche, aber er war damit offensichtlich nicht allzu glücklich. Irgendwie war er etikettiert. Er bekam das dann sehr zu spüren, als er wiederum ernste Dinge machen wollte, Opernaufnahmen zum Beispiel. Damals sagte er meinem Mann: "Ich gebe Ihnen einen guten Rat: Machen Sie es nicht wie ich." Und er riet ihm dringend ab, sich zu sehr auf die Unterhaltungsbranche einzulassen. Nicht aus Aversion oder aus Geringschätzung dieser Branche gegenüber. Sondern wegen der Auswirkungen, die das auf die Karriere eines Opern- und Konzertsängers unweigerlich hatte.
Sein Geburtsjahr 1915 schien ein gutes Jahr für Sänger gewesen zu sein, auch Mario del Monaco, Josef Metternich und Elisabeth Schwarzkopf wurden in dem Jahr geboren. Von Frankieboy Sinatra ganz zu schweigen. Schocks Karriere auf der Bühne begann als Chorist in seiner Heimatstadt Duisburg, wo er mit dem Solo Erster Gefangener in Fidelio auf sich aufmerksam machte. 1936 war er in Bayreuth, als unbekannter Chorsänger stand er neben dem gefeierten Franz Völker auf der Bühne. Im Jahr darauf hatte er in Braunschweig sein erstes Soloengagement (als italienischer Sänger im Rosenkavalier), es gibt einige Gastspiele an der Deutschen Oper in Berlin. Und dann ist die Karriere zu Ende, Rudolf Schock wird Soldat für den ganzen Krieg (zweimal wird er von der Front beurlaubt, um in Berlin und Wien zu singen). Danach will er nicht mehr singen, zweifelt am Sinn des Lebens und wird Landarbeiter im Harz. Der Intendant von Hannover holt ihn wieder auf die Bühne zurück. 1948 erhält er als erster Deutscher nach dem Krieg ein Engagement in Covent Garden (La Bohème), 1949 folgt eine Australientournee. Und dann legt er ein geradezu aberwitziges Tempo vor, Figaro hie, Figaro da. Eine Schallplattenaufnahme folgt der nächsten. Wahrscheinlich sind Fischer-Dieskau und er die beiden deutschen Sänger, die die meisten Platten aufgenommen haben. Also, unterschiedliche Titel. Zahlenmäßig führt natürlich Dieter Bohlen.
Das Erstaunliche ist seine Bandbreite, von Korngolds Glück, das mir verblieb bis zu Lortzings Lebe wohl, mein flandrisch Mädchen oder Peter Cornelius' O holdes Bild in Engelsschöne, es ist erstaunlich wie viele deutsche Opern (abgesehen von den deutschen Operetten) er singt. Beinahe fünfzig Jahre lang. Seine Stimme hält bis ins Alter, aber er weiß auch, wann er aufhören muss. Ein so trauriges Schauspiel wie Pavarotti bietet er der Öffentlichkeit nicht.
Im Internet ist Rudolf Schock fest in holländischer Hand (Düren, wo er wohnte, ist ja nicht so weit von der holländischen Grenze), es gibt einen Blog mit dem schönen Namen tenorschock und eine Seite mit Bildern und Memorabilien. Und es gibt beinahe unzählig viele Videoschnipsel, wenn man bei Google auf Video tippt, nachdem man Rudolf Schock eingegeben hat. Dieses hier sollten Sie sich unbedingt anhören. Ich habe gestern den halben Tag Rudolf Schock gehört, und dann Wunderlich und Richard Tauber im Vergleich. Ich gönne ja Leuten wie Paul Potts ihren Erfolg, man sollte Leute wie ihn nicht mit richtigen Sängern verwechseln - Rudolf Schock konnte nicht nur eine Arie singen, er beherrschte irgendwas in der Größenordnung von 70 Parts. Und an dieser Stelle möchte ich doch noch etwas Gehässiges zu Jackie Evancho sagen, was hilft es einer Zehnjährigen, dass man sie darauf abrichtet, eine Puccini Arie zu singen? Das ist doch nur peinlich. Rudolf Schock konnte es sich erlauben, mit der Unterhaltungsindustrie zu flirten, weil er selbst in solch peinlichen Augenblicken wie hier noch eine gute Figur machte, und weil er jederzeit in die große Oper hätte wechseln können. Was den Paul Potts, Susan Boyle, Jackie Evanchos und André Rieus dieser Welt niemals gelingen wird.
Sehr geehrter Herr,
AntwortenLöschenIst es mir gestatten ein Link zu machen nach diese Seite auf meine Webseite über Rudolf Schock www.rudolfschock.nl
Mit freundliche Grüssen,
Rob
Ja, gerne doch. Entschuldigen Sie bitte, dass ich auf Ihre schöne Seite (www.rudolfschock.nl) mit der Vielzahl der Photos und den reichhaltigen Materialien nichthingewiesen habe.
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