Früher war das einmal ein militärisches, beinahe religiöses Zeremoniell. Jetzt ist es eine Art Wunschkonzert für politische Luschen geworden, die sich auf Staatskosten ihre Lieblingslieder vorspielen lassen können. Fing mit dem Versager Schröder an, der sich Frankieboys I did it my way gewünscht hatte. Und dann auch noch heulte. Brioni tragen und heulen. Wo sind die richtigen Männer geblieben? Real men don't eat quiche. Die ganze Woche brodelte es in der Gerüchteküche, welchen Song der Amtsflüchtling Wulff sich gewünscht hat. Die Favoriten des bösartigen Publikums waren Money makes the world go round aus Cabaret, Money, Money, Money von ABBA und Money for nothing (and your chicks for free) von den Dire Straits. Ich hätte ja Take the money and run von Steve Miller vorgeschlagen. Aber wie die Leipziger Volkszeitung in ihrer Samstagsausgabe unter Berufung auf informierte Kreise berichtete (dieser Spruch darf nie fehlen), sollte das Stabsmusikkorps der Bundeswehr den Song Ebony and Ivory von Ex-Beatle Paul McCartney spielen. We all know that people are the same wherever you go there is good and bad in everyone. Das ist jetzt kein satirischer Kommentar, das steht im Text. I'll pack my truck and make my give-a-way steht im Text vom St Louis Blues, den sich Köhler gewünscht hatte. War das Selbstironie?
Aber nun soll es (das ändert sich seit einer Woche täglich, wann hat die Republik jemals so auf bundespräsidiale Musikwünsche gestarrt?) doch nicht Ebony and Ivory sein, weil sich das angeblich so schwer auf der Trompete spielen lässt. Für die Herausgeber von 100 Number One Hits for Trumpet allerdings nicht. Jetzt soll es Somewhere over the Rainbow sein, where the clouds are far behind me, where troubles melt like lemon drops. Da hoffe ich jetzt mal, dass Scarecrow, Tin Man und Cowardly Lion auch kommen. Aber vielleicht ändert sich das ja noch bis heute Abend.
Ich weiß nicht, welches Verhältnis Sie zum Zapfenstreich haben, ich habe als Bundeswehrsoldat (und das ist lange her) zwei Große Zapfenstreiche erlebt. Und einen der englischen Armee, der war noch viel eindrucksvoller. Nicht nur deshalb, weil der Trommler ein Tigerfell umhängen hatte, das noch aus der Zeit stammte, als das Regiment in Indien war. Also ungefähr zu der Zeit, als Harry Flashman in dem Regiment war. Ich hätte beinahe zu erwähnen vergessen, dass ich bei dem Festgottesdienst der Engländer in Bergen-Hohne nach dem Tod Churchills dabei war. Obgleich man das nicht vergessen kann, englische Zeremonien wird man nie vergessen (Sie könnten das ➱hier noch einmal lesen). Die haben es drauf. Wir in Deutschland können nicht unbeschwert eine militärische Tradition hervorholen, die Engländer können es, mit pomp and circumstance. Obgleich sie überall auf der Welt auch Schuld auf sich geladen haben.
Wenn eine Armee die Musik braucht (und General Robert E. Lee war dieser Meinung), dann soll sie sie meiner Meinung nach haben. Solange die Rekruten nicht In einem Polenstädtchen singen, ist das in Ordnung. Dass der Zapfenstreich nachts stattfindet, hat mit seiner Entstehung in der Zeit Friedrichs II zu tun. Es ist natürlich ein gefährliche Sache, die Nazis haben die Emotionslenkung bei Dunkelheit mit Fackelschein und Musik ja schon perfekt choreographiert. Und natürlich war es bei den Pfadfindern nachts am Lagerfeuer, wenn jemand eine Gitarre dabei hatte (und es hat immer jemand eine Gitarre dabei), eine tolle Sache, alle Lieder aus der Mundorgel zu singen. Hätte ich in der gleichen Situation Die Fahne hoch, die Reihen fest geschlossen gesungen, wäre ich eine Generation älter gewesen? Ich weiß es nicht. Aber es ist eine gefährliche Sache mit der Dunkelheit, der Musik und dem klingenden Spiel. Ich habe in Eli Sagans Tyrannei und Herrschaft: Die Wurzeln von Individualismus, Despotismus und modernem Staat gelesen, dass es eine Parallele zwischen den politischen Ritualen der primitiven Gesellschaft von Tahiti und den Reichsparteitagen der Nazis gibt. Das ist ein wenig unheimlich.
Aber nun zu heute Abend. Wir wollen mal hoffen, dass das Musikkorps (das aus Berufsmusikern besteht, die aber niemals eine fremde Nationalhymne fehlerfrei hinkriegen und erst recht nicht Ebony and Ivory spielen können) das Wunschkonzert über die Bühne bringt. Und dass nicht der ➱Präsentiermarsch gespielt wird, und Sarah Connor (die schon mal so schön Brüh' im Lichte gesungen hat) dazu singt:
Seht da kommt der König,
zweiundzwanzig Pfennig sind zu wenig.
Dreiundzwanzig Pfennig aber geben sie uns nicht
und für zweiundzwanzig Pfennig präsentieren wir.
Das ist schon alt und hat einen sozialen Hintergrund (der tägliche Sold bei Preußens lag bei 22 Pfennig). Die Bundeswehr kann gerne ihren Zapfenstreich haben. Aber man sollte den nicht entehren, indem man ihn zu einem Musikantenstadl für Leute macht, die keine Ehre haben und keinen Zapfenstreich verdient haben. Denn das Wichtigste am Zapfenstreich, das worauf alles hinausläuft, ist ein Gebet und kein seichter Schlagerwunsch:
Ich bete an die Macht der Liebe,
die sich in Jesus offenbart;
Ich geb mich hin dem freien Triebe,
wodurch ich Wurm geliebet ward;
Ich will, anstatt an mich zu denken,
ins Meer der Liebe mich versenken.
die sich in Jesus offenbart;
Ich geb mich hin dem freien Triebe,
wodurch ich Wurm geliebet ward;
Ich will, anstatt an mich zu denken,
ins Meer der Liebe mich versenken.
Wie alles in Deutschland ist auch der Große Zapfenstreich durch eine Vorschrift geregelt. Das ist in diesem Falle die ZDv 8, deren Anfang ich einmal hier wiedergebe:
I. Einführung
201. Der Große Zapfenstreich ist im deutschen Volk seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bekannt und als ein besonderes und feierliches Abendzeremoniell der Streitkräfte und der Militärmusik geschätzt.
202. Im Zeremoniell haben sich zwei Überlieferungen des Truppenlebens im Felde bis heute erhalten: der Brauch des Zapfenstreichsignals und die Sitte, Gelegenheit zum Abendgebet über alle Konfessionen hinweg zu geben.
203. Das militärische Zeremoniell umfaßt den Aufmarsch der Ehrenformation, die Aufführung der Serenade, die Aufführung des Großen Zapfenstreiches und den Ausmarsch der Ehrenformation.
Dem Großen Zapfenstreich - bestehend aus historischen Zapfenstreichsignalen und dem Gebetsteil - wurde im Jahre 1922 die Nationalhymne als fester Bestandteil hinzugefügt.
Eine Einführung in Geschichte und Spielfolge des Großen Zapfenstreiches enthält Anlage 2.
204. Die Aufführung eines Großen Zapfenstreiches soll den Zusammenhalt der Streitkräfte festigen und
die Verbundenheit von Truppe und Bevölkerung stärken. Sie ist Teil der Traditionspflege der Bundeswehr.
II. Grundsätze
205. Der Große Zapfenstreich ist eine militärmusikalische Veranstaltung der Truppe.
206. Unverzichtbare Bestandteile des Großen Zapfenstreiches sind die Partitur des Großen Zapfenstreiches als Zeichen der Verbundenheit und Zusammengehörigkeit der Teilstreitkräfte und Truppengattungen; die symbolische Gelegenheit zum Gebet als Aufforderung zu Frieden und Toleranz;
die Nationalhymne als Lied der Deutschen.
Mit dem Marsch des Yorck'schen Korps wird an die Befreiungskriege der Jahre 1813 bis 1815 erinnert.
Mit der Serenade, einer freien Folge von Musikstücken, kann auf regionale und landsmannschaftliche Gemeinsamkeiten von Truppe und Bevölkerung eingegangen werden. Wird zum Abschluß der Serenade eine „offizielle Länderhymne “/ ein „offizielles Länderlied “ gespielt, steht die Truppe im „Stillgestanden“.
207. Die zur Zentralpartitur des Großen Zapfenstreiches gehörenden Musikstücke dürfen zu keiner anderen Gelegenheit gespielt werden.
208. Die Aufführung eines Großen Zapfenstreiches ist nur zu protokollarischen und besonderen militärischen Anlässen erlaubt.
Das geht jetzt noch bis zum Punkt 236 so weiter, falls Sie sich gerade langweilen sollten, können Sie es ➱hier nachlesen.
Als ich bei YouTube eine Einspielung des Preußischen Präsentiermarsches suchte, stieß ich auf ➱dies hier. Eingestellt von jemandem der NPDkampf heißt. Der Präsentiermarsch zu einem Photo von deutschen Truppen auf den Champs Elysées. Und als bester Kommentar herausgehoben: wie breit ist frankreich von ost nach west? - 60 deutsche panzerfahrstunden. Wo leben wir? Und warum bietet YouTube den Neonazis eine Plattform?
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