Dienstag, 24. September 2013
Paul Kuhn
Auf dem Plakat steht Charlie Koller. Jeden Abend Tanz. Früher einmal stand auf den Plakaten Salle Pleyel Klavierkonzert Edouard Saroyan. Aber jetzt ist aus Edouard Saroyan Charlie Koller geworden, und der spielt jeden Abend in einer Kneipe, die Plyne's Bar heißt. Sie haben natürlich längst gemerkt, dass ich nicht von Paul Kuhn rede, sondern von dem Pianisten, den Charles Aznavour (natürlich mit einem ➱Trenchcoat) in Truffauts Schießen Sie auf den Pianisten spielt. Das wäre nicht die Sache von Paul Kuhn gewesen, sich aus dem Showbusiness zurückzuziehen. Selbst im hohen Alter, als man ihn ans Klavier führen musste, weil er beinahe blind war. Aber kaum fühlte er die Tasten, da wurde er um Jahre jünger.
Musik war sein Leben. Wir verdanken ihm unsterbliche Lieder wie ➱Geb'n se dem Mann am Klavier noch'n Bier und ➱Es gibt kein Bier auf Hawaii. Aber es gibt noch einen anderen Paul Kuhn als den Entertainer, Schlagerkomponisten und Gelegenheitsschauspieler in seichten ➱Komödien. So wie es neben dem Barpianisten Charlie Koller noch den Konzertpianisten Edouard Saroyan gab. Aus Paul Kuhn ist kein Konzertpianist geworden, obwohl er das studiert hatte und obgleich sich seine Eltern das gewünscht haben. Aber aus Paul Kuhn, der einmal gesagt hat Ich bin ein Klavierspieler, that's all, ist ein hervorragender Jazzpianist geworden. Der nicht aufhören konnte zu spielen, selbst wenn man ihn zum Klavier tragen musste wie einstmals Elly Ney. Seine letzte CD heißt The L.A. Session, in diesem Jahr erschienen. Aufgenommen in den Capitol Studios in Los Angeles, wo einst Frank Sinatra seine Platten aufnahm. Paul Kuhn (piano, vocals) wird begleitet von Jeff Hamilton (drums) und John Clayton (bass), und man kann ihm seine fünfundachtzig Jahre weißgott nicht anhören.
Am Ende starten wir noch durch, obgleich wir keine achtzig mehr sind, sagt Paul Kuhn in seinem letzten Film, der Schenk mir Dein Herz heißt. Da spielt Paul Kuhn an der Seite von Peter Lohmeyer. Es ist eine Tragikomödie, aber es ist auch wunderbar. Schauen Sie doch ➱hier einmal hinein. Am Ende des Films fällt der alte Pianist, den Paul Kuhn spielt, nach einem zweiten Schlaganfall ins Koma. Erwacht aber noch einmal, als er mit Radio die Musik von seinem neuen Freund Peter Lohmeyer hört. Raucht eine Zigarette, zwinkert uns Zuschauern zu und verabschiedet sich aus dem Film und aus dem Leben. Paul Kuhn ist am Wochenende gestorben, ich weiß nicht, ob es so war wie im Film. Aber die Schlußszene des Films war das erste, das mir einfiel, als ich die Meldung im Radio hörte.
Am Ende von Schießen Sie auf den Pianisten, nachdem seine Freundin Lena tot ist und nach allem, was passiert ist, sitzt Charlie Koller wieder in Plyne's Bar und spielt. Klavierspieler können nicht anders. Ich hab' nie Bange gehabt, wenn er seine Musik hat, dann isser glücklich, sagt seine Frau in einer Dokumentation über Paul Kuhn (➱Teil 1 und ➱Teil 2). Behalten wir ihn als einen glücklichen Menschen in Erinnerung. Im Himmel wird es genügend Leute geben, die ihm ein Bier ausgeben.
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