Montag, 3. November 2014

Vincenzo Bellini


Am 3. November 1801 wurde der italienische Komponist Vincenzo Bellini geboren. In diesem Blog ist er erstaunlicherweise noch nicht vorgekommen. Ich hätte schwören können, dass ich ihn in dem Post über ➱Werner Schroeter erwähnt hätte, aber das stimmte nicht. Donizetti habe ich auch noch nie erwähnt. Das wundert mich ein wenig, weil ich eine ganze große Schublade voller Bellini und Donizetti & Co. habe. Da ist auch die ganze Maria Callas drin. Ich hätte die Schublade mit den Komponisten von Bellini bis Puccini nicht aufmachen sollen, denn sofort überkam mich die Lust, über italienische Oper zu schreiben. Aber ich habe die Schublade schnell wieder zugeschoben, dies soll heute nur ein kurzer Post werden.

In der Schublade sind auch sehr viele CDs von Huguette Tourangeau, deren Stimme finde ich ganz toll. Sie hat ja häufig an der Seite von Joan Sutherland gesungen. Mit Pavarotti, damals als er noch gut war. Irgendwann verschwand sie aus dem Opernbetrieb, ging es ihr wie Anita Cerquetti, die vor wenigen Wochen gestorben ist? Ich weiß es nicht. Ich habe einmal meine Kollegin ➱Iris gefragt, die alles über Opernsängerinnen wusste. Die kannte zwar Joan Sutherland persönlich und hat ihre Autobiographie ins Deutsche übersetzt hat, aber die wusste leider auch nicht, was aus der kanadischen Altistin geworden war.

Bellini hat, wie wir alle wissen, einen großen Einfluß auf die italienischen Komponisten Gaetano Donizetti und ➱Giuseppe Verdi gehabt. Und, das mag jetzt verblüffen: auch ➱Richard Wagner war von ihm begeistert (nachdem er ihm zuerst sehr reserviert gegenüberstand): Das ist bei aller Pauvretät wirkliche Passion und Gefühl, und es soll nur die richtige Sängerin sich hinstellen und es singen, und es reißt hin. Ich habe davon gelernt, was die Herrn Brahms & Cie nicht gelernt haben, und was ich in meiner Melodie habe. Ähnlich äußerte sich im Alter Giuseppe Verdi: Ärmlich ist Bellini, das ist wahr, in der Instrumentation und Harmonie, aber reich an Empfindung und mit einer gänzlich und nur ihm eigenen melancholischen Färbung! Selbst in seinen weniger bekannten Opern, in La straniera, in Il piarata, gibt es lange, lange, lange Melodien, wie sie niemand vor ihm gemacht hat. Diese melodie lunghe, lunghe, lunghe, diese breit angelegten, scheinbar grenzenlosen Melodik hat Bellini berühmt gemacht. Mein Style ertönt nun in den wichtigsten Theaters der Welt und zwar mit der größten Begeisterung, schreibt er 1830.

Bellinis Oper Il pirata basiert auf dem Theaterstück Bertram; or The Castle of St. Aldobrand, das Charles Robert Maturin (Bild) mit der finanziellen Hilfe von Sir Walter Scott und Lord Byron auf die Londoner Bühne brachte. Mit dem berühmten Edmund Kean in der Hauptrolle. Samuel Taylor Coleridge hat es gar nicht gefallen: I want words to describe the mingled horror and disgust with which I witnessed the opening of the fourth act, considering it as a melancholy proof of the depravation of the public mind. Sie können den ganzen Verriß hier lesen, und das Drama Bertram gibt es hier auch im Internet.

Mit Bertram hatte der junge Geistliche der Church of Ireland tausend Pfund verdient, sein Jahresgehalt als curate in Dublin betrug mal gerade achtzig Pfund. Die Kirche sah seine schriftstellerischen Aktivitäten nicht so gerne, Karriere konnte er nicht mehr machen, als bekannt wurde, dass er unter dem Pseudonym Dennis Jasper Murphy drei gothic novels geschrieben hatte. Da blieb ihm nur die gothic novel, um die Familie zu ernähren. Er nahm seine Pflichten als Geistlicher ernst, seine Gemeinde liebte ihn. Er war berühmt als Redner, man kam von weither, um ihm zu hören. In einem der Nachrufe heißt es: Despite the severe weather, people of all persuasions flocked to the church and listened spellbound to this prince of preachers. In his obituary it was said that, ‘did he leave no other monument whereon to rest his fame, these sermons alone would be sufficient’. Seine Predigten sind überliefert, sie sind vielleicht nicht so berühmt wie die von John Donne, aber man kann sie immer noch lesen (zum Beispiel hier bei Google Books). Er überrascht immer wieder mit seinen Formulierungen: Life is full of death; the steps of the living cannot press the earth without disturbing the ashes of the dead — we walk upon our ancestors — the globe itself is one vast churchyard. Cities are built on the ruins of those that have mouldered away.

In einem anderen Nachruf (im University Magazine) schrieb ein Unbekannter: He was eccentric in his habits almost to insanity, and compounded of opposites — an insatiable reader of novels; an elegant preacher; an incessant dancer (which propensity he carried to such an extent, that he darkened his drawing-room windows, and indulged during the day-time); a coxcomb in dress and manners; an extensive reader... Among other peculiarities, he was accustomed to paste a wafer on his forehead whenever he felt the estro of composition coming on him, as a warning to the members of the family, that if they entered his study they were not to interrupt his ideas by questions or conversation.

Heute erinnert man sich nicht mehr so sehr an den Großonkel von Oscar Wilde (der ja im französischen Exil den Namen ➱Sebastian Melmoth annahm) als einen prince of preachers. Man verbindet seinen Namen eher mit seinem größten Erfolg, der gothic novel mit dem Titel Melmoth the Wanderer (hier im Volltext). Die Idee zu dem Roman kam Maturin bei einer Predigt, wie er im Vorwort sagt: At this moment is there one of us present, however we may have departed from the Lord, disobeyed his will, and disregarded his word–is there one of us who would, at this moment, accept all that man could bestow, or earth afford, to resign the hope of his salvation? – No, there is not one–not such a fool on earth, were the enemy of mankind to traverse it with the offer!

Dieser kleine Post heute ist nur ein Amuse Gueule, ein Appetithäppchen, das Hauptgericht wird in wenigen Tagen ein langer Post über die gothic novel sein. Il pirata war für Verdi eine von Bellinis weniger bekannten Opern, aber es war die Oper, mit der er seinen Durchbruch hatte. Und da hören wir jetzt vielleicht einmal hinein. In die Schlußszene der Oper mit einer melodie lunghe, lunghe, lunghe. Klicken Sie ➱hier. Es singt natürlich ➱Maria Callas (die in Bellinis Norma ebenso glänzte wie in ➱Verdis La Traviata).

Wenn Sie mehr über die Opern von Bellini wissen möchten, lesen Sie Ulrich Schreibers Die Kunst der Oper (Band 2), es gibt nichts Besseres.

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