Heute vor fünfzig Jahren ist sie in ihrer Suite im Hotel Ritz gestorben. Diese Suite hatte sie nie aufgegeben, auch in den langen Jahren nicht, als sie den Boden Frankreichs nicht mehr betreten durfte. Als sie im Alter von 87 Jahren starb, kannte jeder ihren Namen. Der auch der Name eines Parfüms war, von dem Marilyn Monroe gesagt hatte: What do I wear in bed? Why, Chanel No. 5, of course.
Das Kind Gabrielle Chanel, unehelich geborene Tochter des Hausierers Albert Chanel, konnte von dem Ritz nur träumen. Das war das, wo sie hin wollte, egal, um welchen Preis. Es gab damals nicht nur ein Paris. Es gab das Paris von Emile Zola, und es gab das Paris von Marcel Proust. Gabrielle wollte in die Welt von Proust, die Welt von Zola kannte sie zur Genüge. In Prousts Roman Auf der Suche nach der verlorenen Zeit kommt sie aber nicht vor. Das Kleid von Fortuny, das Albertine an diesem Abend angelegt hatte, kam mir wie ein lockender Schatten jenes unsichtbaren Venedig vor. Morgenländische Ornamente überzogen es überall, die unzählige Male auf dem schillernden Gewebe von tiefem Blau wiederkehrten, das unter meinem vorwärtstastenden Blick sich in schmiegsames Gold verwandelte durch eine ähnliche Metamorphose, wie sie vor der vorwärtsgleitenden Gondel flammendes Metall aus der Azurtönung des Canale Grande macht, heißt es bei Proust. Auch die Herzogin von Guermantes trägt Fortuny. Wenn man sehr viel Glück hat, kann man ein solches Kleid (wie hier auf dem Bild) heute auf einer Auktion für zehntausend Euro ersteigern. Ein Chanel Kostüm ist da sehr viel preiswerter.
Der Rest der Damen aus der Aristokratie bei Marcel Proust wird wahrscheinlich Paul Poiret tragen. Gegen den kommt die Chanel, die kurz vor dem Ersten Weltkrieg mit dem Geld ihres Liebhabers ihren ersten Salon in Paris aufgemacht hat, noch nicht an. Ihre Kundschaft ist auch eher die Demimonde und nicht die wirklich feine Welt. Die kauft die Haute Couture bei Madame Grès oder bei Captain Molyneux, bei Elsa Schiaparelli oder bei Madeleine Vionnet. Die alle modehistorisch bedeutender sind als Chanel, die aber nicht das Selbstvermarktungsgenie von Coco Chanel haben.
Denn die Geschichte der Coco Chanel, die gesagt haben soll Ich mache keine Mode, ich bin die Mode, ist die Geschichte eines selbst gestrickten Mythos. Daran hat sie ihr Leben lang gearbeitet. Sie hat ihre Biographie bis zur Unkenntlichkeit gefälscht, bis sie ein Markenzeichen wurde. Sie war nicht die erste, die die Kleider vom Korsett befreite. Das hatte schon Paul Poiret getan. Sie hat Chanel No. 5 nicht erfunden, das hat der Parfümeur Ernest Beaux erfunden. Das Geld für das ganze Unternehmen kommt von Pierre Wertheimer, die Chanel hat nur einen zehnprozentigen Anteil. Noch heute ist das Modehaus Chanel (Parfüm inklusive) im Alleinbesitz der Familie Wertheimer, einer der reichsten Familien Frankreichs.
Das Kind Gabrielle Chanel, unehelich geborene Tochter des Hausierers Albert Chanel, konnte von dem Ritz nur träumen. Das war das, wo sie hin wollte, egal, um welchen Preis. Es gab damals nicht nur ein Paris. Es gab das Paris von Emile Zola, und es gab das Paris von Marcel Proust. Gabrielle wollte in die Welt von Proust, die Welt von Zola kannte sie zur Genüge. In Prousts Roman Auf der Suche nach der verlorenen Zeit kommt sie aber nicht vor. Das Kleid von Fortuny, das Albertine an diesem Abend angelegt hatte, kam mir wie ein lockender Schatten jenes unsichtbaren Venedig vor. Morgenländische Ornamente überzogen es überall, die unzählige Male auf dem schillernden Gewebe von tiefem Blau wiederkehrten, das unter meinem vorwärtstastenden Blick sich in schmiegsames Gold verwandelte durch eine ähnliche Metamorphose, wie sie vor der vorwärtsgleitenden Gondel flammendes Metall aus der Azurtönung des Canale Grande macht, heißt es bei Proust. Auch die Herzogin von Guermantes trägt Fortuny. Wenn man sehr viel Glück hat, kann man ein solches Kleid (wie hier auf dem Bild) heute auf einer Auktion für zehntausend Euro ersteigern. Ein Chanel Kostüm ist da sehr viel preiswerter.
Der Rest der Damen aus der Aristokratie bei Marcel Proust wird wahrscheinlich Paul Poiret tragen. Gegen den kommt die Chanel, die kurz vor dem Ersten Weltkrieg mit dem Geld ihres Liebhabers ihren ersten Salon in Paris aufgemacht hat, noch nicht an. Ihre Kundschaft ist auch eher die Demimonde und nicht die wirklich feine Welt. Die kauft die Haute Couture bei Madame Grès oder bei Captain Molyneux, bei Elsa Schiaparelli oder bei Madeleine Vionnet. Die alle modehistorisch bedeutender sind als Chanel, die aber nicht das Selbstvermarktungsgenie von Coco Chanel haben.
Denn die Geschichte der Coco Chanel, die gesagt haben soll Ich mache keine Mode, ich bin die Mode, ist die Geschichte eines selbst gestrickten Mythos. Daran hat sie ihr Leben lang gearbeitet. Sie hat ihre Biographie bis zur Unkenntlichkeit gefälscht, bis sie ein Markenzeichen wurde. Sie war nicht die erste, die die Kleider vom Korsett befreite. Das hatte schon Paul Poiret getan. Sie hat Chanel No. 5 nicht erfunden, das hat der Parfümeur Ernest Beaux erfunden. Das Geld für das ganze Unternehmen kommt von Pierre Wertheimer, die Chanel hat nur einen zehnprozentigen Anteil. Noch heute ist das Modehaus Chanel (Parfüm inklusive) im Alleinbesitz der Familie Wertheimer, einer der reichsten Familien Frankreichs.
Aber das kleine Schwarze hat sie erfunden. Und das Chanel Kostüm. Das aber erst als sie siebzig war und gerade wieder nach Paris zurückgekommen war. Wurde zuerst von der Presse verlacht, trat dann aber seinen Siegeszug im Amerika von Eisenhower und im Deutschland von Adenauer an, der Inbegriff der Eleganz für das Bürgertum (ja, meine Mutter hatte auch mehrere). In Paris hatte man ein Jahrzehnt nach dem Kriegsende gnädig die Vergangenheit der Frau mit der Suite im Ritz vergessen. Die sich dort, als alle deutschen Offiziere der Besatzung ihren Frauen Chanel No. 5 mit nach Deutschland brachten, einen der Nazi-Besatzer geangelt hatte, den Baron von Dincklage. Sie hatte sich ihre Liebhaber immer nach Geld und Einfluss ausgesucht.
Der Pariser Industriellensohn Etienne Balsan hatte sie in die Gesellschaft eingeführt, der englische Bergwerkbesitzer Boy Capel hatte der Modistin den ersten Laden finanziert. Später kam noch ein englischer Herzog dazu, jetzt war es ein Repräsentant von Hitlers Deutschland. Für dessen Vorgesetzten, den SS General Walter Schellenberg, sie später noch die Beerdigung bezahlt hat. Vielleicht wäre das Goethewort Sage mir, mit wem du umgehst, so sage ich dir, wer du bist an dieser Stelle ganz angebracht. Während der occupation allemande hat sie versucht, die Firma Chanel zu arisieren und sich in den Besitz der siebzig Prozent Firmenanteils der nach Amerika geflohenen Wertheimers zu setzen. An solche Dinge sollte man auch denken, bevor man unkritisch Coco Chanel zu einem Mythos macht.
In der Welt des schönen Scheins, wo das Design das Sein überstrahlt, kommen viele Designer von ganz unten und wollen nach ganz oben. Weil die glitzernde Eleganz da oben ihnen als begehrenswertes Ideal im Gegensatz zu ihrer ärmlichen Kindheit erscheint. Nicht unserem Karl Lagerfeld, der später das Design von Coco Chanel prägte. Der kam aus der Glücksklee Büchsenmilch Dynastie. Aber Gabrielle Chanel und Ralph Lifshitz (der heute Ralph Lauren heißt) wären solche Fälle. Jeremy Hackett ist sich seiner Herkunft aus der working class immerhin noch bewusst. Im letzten Jahr hat es gleich zwei Filme gegeben, die an dem Mythos Chanel arbeiteten: ✺Coco avant Chanel (mit der schnuckeligen kleinen Audrey Tatou) und ✺Coco Chanel & Igor Stravinsky. Die Nazi-Vergangenheit der Heldin sparen beide Filme aus.
Der Pariser Industriellensohn Etienne Balsan hatte sie in die Gesellschaft eingeführt, der englische Bergwerkbesitzer Boy Capel hatte der Modistin den ersten Laden finanziert. Später kam noch ein englischer Herzog dazu, jetzt war es ein Repräsentant von Hitlers Deutschland. Für dessen Vorgesetzten, den SS General Walter Schellenberg, sie später noch die Beerdigung bezahlt hat. Vielleicht wäre das Goethewort Sage mir, mit wem du umgehst, so sage ich dir, wer du bist an dieser Stelle ganz angebracht. Während der occupation allemande hat sie versucht, die Firma Chanel zu arisieren und sich in den Besitz der siebzig Prozent Firmenanteils der nach Amerika geflohenen Wertheimers zu setzen. An solche Dinge sollte man auch denken, bevor man unkritisch Coco Chanel zu einem Mythos macht.
In der Welt des schönen Scheins, wo das Design das Sein überstrahlt, kommen viele Designer von ganz unten und wollen nach ganz oben. Weil die glitzernde Eleganz da oben ihnen als begehrenswertes Ideal im Gegensatz zu ihrer ärmlichen Kindheit erscheint. Nicht unserem Karl Lagerfeld, der später das Design von Coco Chanel prägte. Der kam aus der Glücksklee Büchsenmilch Dynastie. Aber Gabrielle Chanel und Ralph Lifshitz (der heute Ralph Lauren heißt) wären solche Fälle. Jeremy Hackett ist sich seiner Herkunft aus der working class immerhin noch bewusst. Im letzten Jahr hat es gleich zwei Filme gegeben, die an dem Mythos Chanel arbeiteten: ✺Coco avant Chanel (mit der schnuckeligen kleinen Audrey Tatou) und ✺Coco Chanel & Igor Stravinsky. Die Nazi-Vergangenheit der Heldin sparen beide Filme aus.
Die Dokumentation ✺Coco Chanel, die Revolution der Eleganz ist noch drei Wochen in der arte Mediathek zu sehen. Den Film ✺Chanel Solitaire mit der wunderbaren Marie-France Pisier (Bild) habe ich auch, aber leider in einer schlechten Qualität. Der Post zu Coco Chanel stand hier schon vor zehn Jahren, er ist ein wenig überarbeitet und durch Links zu den Chanel Filmen ergänzt worden. Denn Filme über ihr Leben gibt es genug, ich sollte noch den zweiteiligen Film ✺ Coco Chanel aus dem Jahre 2008 erwähnen, in dem die slowakischen Schauspielerin Barbora Bobuľová die junge Coco Chanel spielt und Shirley die Coco Chanel nach dem Zweiten Weltkrieg verkörpert. Über Madame Grès und Madeleine Vionnet gibt es keine Spielfilme.
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