Sonntag, 5. August 2012

Marilyn Monroe


Zwanzig Jahre vor seinem Tod hat Gore Vidal geschrieben: As I now move, graciously, I hope, toward the door marked Exit, it occurs to me that the only thing I ever really liked to do was go to the movies. Geht es uns allen nicht genau so? Die Produkte der Traumfabrik Hollywood fallen nicht unter das Arzneimittelgesetz, süchtig machen können sie dennoch. Denn manchmal wird reiner Celluloidschrott dadurch aufgewertet, dass er eine unvergessliche Szene enthält. Also, zum Beispiel River of No Return. Könnte man im Prinzip vergessen, wenn da nicht Marilyn Monroe und diese ➱Szene wären.

Marilyn Monroe in ihrem weißen Kleid ist zu einer Ikone geworden. Hollywood hat sie gemacht und Hollywood hat sie wieder zerstört: Hollywood is a place where they’ll pay you a thousand dollars for a kiss and fifty cents for your soul. I know, because I turned down the first offer often enough and held out for the fifty cents. Als Briefmarke war sie für noch weniger als 50 Cents zu haben, 32 Cents kostete sie in den USA im Jahre 1995. Aber man bekam ihre Seele nicht, wenn man die Marke kaufte. Die Briefmarke hat wohl inzwischen keinen höheren Katalogwert bekommen. Es gibt wahrscheinlich zu viele davon, dies ist nicht die Blaue Mauritius. Ich gebe meine aber nicht her, egal wie viel sie wert ist. Ich habe sie geschenkt bekommen, gerahmt mit Passepartout. Sie steht vor dem Regal, in dem die Opern CDs sind, ich muss sie immer in die Hand nehmen, wenn ich an die CDs will. So gehört Marilyn zu meinem Alltag. Die Nähe von Marilyn zur Oper ist sicherlich berechtigt, immerhin gibt es schon eine Oper über sie. Waiting for Miss Monroe heißt die, sie wurde von Robin de Raaff geschrieben.

Die Analogie zu Tragödie oder zur großen Oper liegt beim Leben von Marilyn Monroe, die heute vor einem halben Jahrhundert im Alter von 36 Jahren starb, irgendwie nahe. Ich habe vor Jahren Mireille Delunsch in einer Aufführung von La Traviata auf ➱ARTE gesehen, und das war schon beängstigend. Weil man Mireille Delunsch, die vielleicht eine bessere Schauspielerin als eine Sängerin ist, perfekt in ➱Marilyn Monroe verwandelt hatte. Die wären in Holland bei der Erstaufführung von Waiting for Miss Monroe sicherlich gut beraten gewesen, wenn sie irgendein Marilyn Monroe look-alike für die Titelrolle gehabt hätten; aber das, was man bei ➱You Tube sehen kann, das geht nun gar nicht. Ein weißes Kleid allein macht noch niemand zu Marilyn Monroe.

Die Marilyn Oper ist ja auch schon lange geschrieben. Erinnern Sie sich an den zweiten Akt von Hoffmanns Erzählungen? An diese bezaubernd schöne mechanische Puppe Olympia? In Zürich hatten sie vor Jahren genau die richtige Idee und ließen Olympia als Marilyn Monroe Kopie auftreten. Und könnte nicht dieser mysteriöse Coppelius, mit den stechend grünen Augen, der auf der Straße Augen verkauft (J'ai des vrais yeux, des beaux yeux) und der Hoffmann eine Brille verkauft hat, durch die der die ganze Welt in einem rosigen Licht sieht, könnte das nicht Hollywood sein?

Aber musste das in Holland - kalkuliert zu Marilyns fünfzigstem Todestag -  unbedingt eine Marilyn Oper sein? Warum hat Werner Herzog nicht einmal einen Marilyn Film gedreht? Eine Montage aus ihren Filmen, und dann im Hintergrund, wie immer bei ihm, diese plüschige Opernmusik. Bei mir liegt heute meine Marilyn Monroe CD auf. Und ich klicke mich durch die Photogalerie Marilyn through the years auf der Seite von ➱Kansas City.

Ich habe im letzten Jahr schon einmal etwas über ➱Marilyn Monroe geschrieben. Falls Sie das verpasst haben, könnten Sie es natürlich heute lesen. Es ist mir heute an ihrem Todestag nichts Besseres eingefallen, als zwei Gedichte hier abzudrucken. Das erste ist von dem amerikanischen Dichter Red Shuttleworth (das ist der rechts neben dem Hollywood Star in der oberen Reihe meiner Leser), den ich hier schon einmal vorgestellt habe. Das Gedicht ist aus dem Band Brief Lives, und ich finde es wirklich sehr gut.

Marilyn Monroe (1960)

- for Kirk Robertson

I don't have to wear a halo all the time.
She drooled like any chloral addict.
Waking up in her Mapes Hotel room's shower,
Marilyn asked for a steak sandwich,
skip the mayo. A make-up girl offered
to find her a Paiute coyote fetish.
The gravediggers are waiting, Marilyn snapped.
Huston or Miller? She brushed her bone-blonde
dry-as-the-Great-Basin hair, concealed it
with a smoke-blue, flat brim Stetson,
announced that her ass was sore
from the pick-up truck in The Misfits.
She winked at Gable, I used to remember
all my lines when I was an angel.


Das zweite Gedicht ist von Marilyn Monroe selbst. Es geht mir nicht aus dem Kopf, seit ich im letzten Herbst ein Exemplar von Tapfer lieben: Ihre persönlichen Aufzeichnungen, Gedichte und Briefe (die Übersetzung von Fragments) fand. Ich habe es zwar im November schon einmal zitiert, tue es aber heute noch einmal:

on the screen of pitch blackness
comes/reappears the shapes of monsters
my most steadfast companions …
and the world is sleeping
ah peace I need you—even a
peaceful monster.

Nach ihrem Tod hat Thomas Pynchon in einem Brief geschrieben: Southern California's special horror notwithstanding, if the world offered nothing, nowhere to support or make bearable whatever her private grief was, then it is that world, and not she, that is at fault.

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