Sonntag, 26. August 2012

Jogginghosen


Ich habe gerade ein Farbphoto geschenkt bekommen. Auf dem ist Karl Lagerfeld zu sehen. Und der Satz Wer Jogginghosen anzieht, hat die Kontrolle über sein Leben verloren. Ich nehme einmal an, dass der Satz wirklich von ihm ist. Ich habe mich gleich für das schöne Geschenk bedankt. Es bekommt bei mir einen Ehrenplatz. Bei den Jogginghosen. Nein, das ist jetzt ein Scherz, ich besitze gar keine Jogginghose, ich besitze allerdings auch nichts von Karl Lagerfeld. Es hat mich immer wieder fasziniert, dass dieser Mann des geistvollen Aphorimus, diese Ikone des Stils, dieser arbiter elegantiarum etc. etc., unter seinem Namen drittklassige Klamotten verkauft.

Wie alle Bilder lässt auch das Bild Wer Jogginghosen anzieht, hat die Kontrolle über sein Leben verloren eine Vielzahl von Interpretationen zu. Meine erste Reaktion war der Satz: So wie Du aussiehst, Karl, hast Du die Kontrolle über Dein Leben schon lange verloren. Irgendwie sieht er ein klein wenig zombiemäßig aus, der gute Karl, der auch einmal gesagt hat: Das Leben ist kein Schönheitswettbewerb. Was ich hasse, sind dumme, hässliche Menschen. Das sind die Worte eines Mannes, der eigentlich wie Oscar Wilde in das fin de siècle gehört.

Und der bestimmt in seiner Bibliothek, die 300.000 Bücher umfassen soll, auch ein Exemplar von The Picture of Dorian Gray hat. Und auch Thomas Mann wird da nicht fehlen: Wie irgend ein Liebender wünschte er, zu gefallen und empfand bittere Angst, daß es nicht möglich sein möchte. Er fügte seinem Anzuge jugendlich aufheiternde Einzelheiten hinzu, er legte Edelsteine an und benutzte Parfüms, er brauchte mehrmals am Tage viel Zeit für seine Toilette und kam geschmückt, erregt und gespannt zu Tische. Angesichts der süßen Jugend, die es ihm angetan, ekelte ihn sein alternder Leib, der Anblick seines grauen Haares, seiner scharfen Gesichtszüge stürzte ihn in Scham und Hoffnungslosigkeit. Es trieb ihn, sich körperlich zu erquicken und wiederherzustellen; er besuchte häufig den Coiffeur des Hauses. 

Der ultimative Kommentar zum Thema Jogginghose ist von dem Berliner  Karikaturisten Olaf Schwarzbach. Der signiert mit OL, und man kann seine Cartoons unter anderem in der Zeit sehen. Diese kolorierte Zeichnung hat den Titel Reinkarnation und datiert aus dem Jahre 2012. Man kann das Original ➱hier für dreihundert Euro bestellen. Für das Geld kriegt man bei Ebay schon einen Kleiderschrank voll Lagerfeld Klamotten, das Zeug will ja niemand haben. Und wenn man noch eine Saison wartet, bringt Lagerfeld vielleicht doch  noch eine Lagerfeld Jogginghose heraus, der Rest von Paris hat so etwas ja schon auf seinen Catwalks gezeigt.

Natürlich kann man auch im Alter von Karl Lagerfeld Jogginghosen tragen. Man muss das aber mit Stil tun. Da fällt mir natürlich Sir Jimmy Savile ein (nein, die Savile Row ist nicht nach ihm benannt), der den Jogging Anzug zu seinem Markenzeichen gemacht hatte. Als ihn die Königin zum ➱Ritter schlug, hat er allerdings keinen shell suit getragen. Neben seinen farbenprächtigen Jogging Anzügen besaß er auch diesen bunten Superman Anzug, der hier in dem Post ➱Swinging London schon einmal zu sehen war. Auf dem Photo war er mit einer anderen Stil Ikone zu sehen, nämlich mit Prince Charles. Der konnte immer gut mit solchen Menschen wie Jimmy umgehen, er hatte ja auch Spike Milligan damals zu seiner Hochzeit eingeladen.

Sir Jimmie Savile ist vor einem Jahr gestorben, Charles hat es sich damals nicht nehmen lassen, öffentlich zu kondolieren: The Prince of Wales and the Duchess of Cornwall were saddened to hear of Jimmy Savile's death and their thoughts are with his family at this time. Wie es sich für den King of Bling gehörte, wurde er in einem ➱vergoldeten Sarg beerdigt. Vor Wochen hat man seinen Besitz bei einer ➱Auktion verkauft. Da hätte man einen Jimmy Savile tracksuit schon für 190 Pfund bekommen können (der goldene brachte 550 £). Sein Rolls Royce erzielte 130.000 £, die brillibesetzte Rolex 30.000 £, die quietschegelbe BMW Isetta 22.000 £. Er hatte testamentarisch verfügt, dass alles für einen guten Zweck verkauft wurde. Denn für gute Zwecke hatte Jimmy Savile sein Leben lang Geld gesammelt, mehr als vierzig Millionen Pfund sind so zusammengekommen. Wenn man so etwas macht, dann darf man auch Jogginghosen (und eine Rolex mit Brillanten) tragen.


P.S. Die aktuellen Ereignisse haben diesen Post eingeholt. Man kann ihn jetzt nicht mehr ohne den Post ➯Jimmy Savile lesen.

1 Kommentar:

  1. Hosen Hosen Hosen...
    Was wahr ist muss es auch bleiben.
    Aber ich erinnere zusätzlich an die Jeans Tirade eines Edgar Wibeau. Diesen Zusammenhang würde ich an Ihrer Stelle zwingend kommentieren.

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