Dienstag, 4. April 2023

Liebesbrief


Die Zeit der Minnesänger ist eigentlich zuende, aber der Graf dichtet noch. Er läßt seine vierzig Gedichte (unterteilt in Rede, Brief und Lied) in einer Prachthandschrift erscheinen und beauftragt einen Komponisten, seine Lieder zu vertonen. Er sagt seinen Lesern ganz ehrlich, dass er zwar die Lieder geschrieben hat, nicht aber die Melodien. Er will uns nicht betrügen, ich wil euch nicht betreigen, sagt er. Es ist das erste Mal in der Geschichte des Minnesangs, dass ein Dichter einen Komponisten namentlich benennt:

die weysen zu den liedern,
der han ich nicht gemachen:
ich wil euch nicht betreigen,
es hat ein ander getan froleich und auch lachen.
ob ich euchs sagen wolt,
so seit ich euchs zwar recht:
die weysen hat gemacht Burk Mangolt,
unser getrewer knecht.
zu Pregentz ist er gesessen
und dient uns gar so schon,
vil weys hat er gemessen
mit lobleichen don. 

Wir wissen viel über den Grafen von Montfort, nicht weil er ein Dichter ist, sondern weil er ein Politiker ist, ein Gefolgsmann der Habsburger, mit denen er entfernt verwandt ist. Er ist ein mächtger Mann, Landeshauptmann in der Steiermark, Landvogt im Thurgau, Aargau und Schwarzwald, Hofmeister von Herzog Leopold IV und Oberbefehlshaber der herzoglich-österreichischen Truppen in Italien. Er heiratet mehrfach, da seine ersten beiden Frauen nach kurzer Ehezeit sterben. Und wenn er als Minnesänger eine Frau bedichtet, dann ist es seine eigene Frau. Da ist er anders als die anderen Minnesänger, deren besungenen frouwen keine wirklichen Frauen sind. Nur Verbalerotik. 

Der Graf von Montfort, der heute vor sechhundert Jahren starb, war schon mehrmals in diesem Blog. Wenn Sie den Post Hugo von Montfort lesen, wissen Sie alles über ihn. Ich habe heute ein Gedicht mit dem Titel Liebesbrief für Sie. Wenn Sie es im mittelhochdeutshen Original lesen wollen, es ist hier der Text 36. Aber das sparen wir uns heute, weil ich für Sie eine schöne Nachdichtung von Richard Zoozmann habe: 

Ich schrieb dir gern ein kluges Wort: 
Du machtest mein Herz mir abhanden,
Mein lieber Schatz, mein höchster Hort,
Du hasts in deinen Banden.

Von Gold ein feines Kettelein
hält mir das Herz umschlossen,
Dein eigen will es immer sein,
Und ists schon unverdrossen:

Und hat mir Botschaft jüngst gebracht,
Es will sich mir entziehen,
Nur deines Dienstes haben acht,
Zu deiner Liebe fliehen.

Auch sagts, daß es nichts andres treib,
Als nur bei dir zu weilen;
Nie besser ihm je gefiel ein Weib,
Drum muß zu dir es eilen.

So hast du mein Herz abtrünnig gemacht
Ganz plötzlich und nicht mit Güte,
Ich hab schon selbst meines Schadens gelacht:
Daß Gott uns beide behüte!

Wohl kann ich mich dein beklagen nicht,
Du tust so gut meinem Herzen,
Drum hör, was mein Mund in Wahrheit spricht:
Bei dir kenn ich keine Schmerzen.

Geschrieben nach Christ vierzehnhundert Jahr,
Dies schreib ich dir mit diesem Wort,
Und mit dem andern schreib ich fürwahr:
Mein lieber Schatz, mein höchster Hort.

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