Ich fange heute mal so an. Wenn Sie das hier sehen, dann lesen Sie bestimmt weiter. Wenn ich mit der Weltpolitik anfange, lesen Sie vielleicht nicht weiter. Dies ist ein Photo aus dem Film ✺Blonde Fracht für Sansibar, der im Original Mozambique hieß. Hildegard Knef spielt da mit. Der kleine Schnipsel da oben und Vivi Bach im Bikini könnten ja ausreichen. Aber ich habe hier für Sie auch das englische ✺Original in ganzer Länge. Und ganz in englischer Sprache. Interessant ist, dass Steve Chochran da mitspielt. Der hat hier mit seiner Rolle in Antonionis Film Il Grido einen langen Post. Und diesen Film schreibt Alfred Andersch in seinen Roman Die Rote hinein. Es ist derselbe Andersch, der Sansibar oder der letzte Grund geschrieben hat. Und da bin ich wieder beim Thema Sansibar.
Heute vor sechzig Jahren erlangte das britische Protektorat Sansibar die Unabhängigkeit. Seit 1890 war die Insel unter der Herrschaft der Engländer gewesen. Weil die damals den sogenannten Sansibar-Helgoland-Vertrag unterschrieben hatten, der uns unter anderem die Insel Helgoland bescherte. Der deutsche Kaiser ließ es sich nicht nehmen, im August 1890 den neuen Teil seines Reiches, der seit 1807 eine britische Kronkolonie gewesen war, mit einer kleinen Flotte zu besuchen. Zehn Jahre später sah Helgoland so aus. Die Straße, die wir hier sehen, hieß natürlich Kaiserstraße. Heute heißt die nicht mehr so, heute heißt die Straße Lung Wai.
Der Sansibar-Helgoland-Vertrag kommt schon mehrfach in diesem Blog vor. Ich zitiere mal eben einen Absatz aus dem Post Kurgäste: Helgoland kommt erst 1890 zu Deutschland. Durch einen Vertrag, der im Volksmund der Helgoland-Sansibar Vertrag heißt. Bismarck, der seinen Nachfolger Leo von Caprivi nicht ausstehen konnte, hat das Gerücht in die Welt gesetzt, dass die Deutschen Helgoland gegen Sansibar getauscht hätten. Ganz so war es nun doch nicht. Aber die Vorstellung, dass es eines Tages statt Butterfahrten nach Helgoland Butterfahrten nach Sansibar gegeben hätte, ist schon komisch. Zu Sansibar haben wir ja immer irgendwelche →Beziehungen gehabt. Der Bremer Afrikaforscher Gerhard Rohlfs ist da mal kurz und glücklos Generalkonsul gewesen. Alfred Andersch hat einen Roman namens Sansibar oder der letzte Grund geschrieben, da ist Sansibar ein utopischer Ort, die Hoffnung auf eine bessere Welt ohne die Nazis. Wozu bin ich in der Welt, wenn ich nicht Sansibar zu sehen bekomme, steht bei Andersch.
Das alles könnte ich natürlich etwas genauer sagen, und da fange ich mal eben mit dem Mann aus Vegesack an, der Sansibar zu sehen bekommen hat. Über den ich schon einmal gesagt habe: Warum schreibt nicht endlich einmal jemand ein wirklich gutes Buch über Gerhard Rohlfs? Seit ich an einer Schule, die seinen Namen trägt, Abitur gemacht habe, verfolgt mich der Kerl. Ich habe alles gelesen, was über ihn erschienen ist, aber bis auf einen schmalen Band eines DDR Autoren namens Wolfgang Genschorek aus dem Jahre 1982 kann man das alles vergessen.
Gut, damals kannte ich das Buch →Gerhard Rohlfs: Anmerkungen zu einem bewegten Leben von Günter Bolte noch nicht, das 2019 erschien. Bolte ist ein Amateurhistoriker, der im Heimatmuseum Schönebecker Schloss ehrenamtlich die Gerhard Rohlfs Sammlung betreut und sich durch fünftausend Briefe des Afrikaforschers gelesen hat. Er macht da weiter, wo vor hundert Jahren der Studienrat Alwin Belger angefangen hat. Belger war ein Kollege meines Opas und der Lieblingslehrer meiner Mutter (aber keineswegs der Lieblingslehrer von Ruth Rupp), er ist 1945 bei einem englischen Fliegerangriff neben dem Hotel Bellevue umgekommen. Boltes Buch ist eher ein Forschungsbericht als eine in sich geschlossene Biographie, aber es zeigt in vielen Details auf, dass man Gerhard Rohlfs Schilderungen seines eigenen Lebens keinen Augenblick vertrauen darf.
Doch dass er bei seinem kurzen Aufenthalt als Konsul von Sansibar dem Sultan den Sklavenhandel verbieten wollte, das stimmt wohl. In Berlin mag man diesen Quereinsteiger in Politik und Diplomatie überhauot nicht: Nicht von Haus aus Beamter und von daher mit jenem allen amtlichen Organisationsstrukturen gemäßen Schematismus nicht vertraut, der auch seiner Aufgabe zugrunde lag, nicht dazu zu bewegen, sich den Gepflogenheiten seines - und ebenso des Auswärtigen-Amtes anzupassen, etwa die regelmäßige Berichterstattung strikt einzuhalten, kein geschulter Diplomat und damit innerhalb des exklusiven Diplomatischen Dienstes ein Fremdkörper.
Gerhard Rohlfs ist für mich so etwas wie ein entfernter Verwandter. Ich bin auf einer Gerhard Rohlfs Schule gewesen, da gab es schon in der ersten Klasse in der Aula einen Vortrag über den berühmten Sohn der Stadt. Zu Beginn der Oberstufe gab es einen zweiten Vortrag. Der erste Vortrag war ein wenig auf dem abenteuerlichen Karl May Niveau für Kiddies, der zweite betonte die wissenschaftliche Leistung des Abenteurers. Über die Auswirkungen des Kolonialismus, über den Joseph Conrad Heart of Darkness und Mark Twain King Leopold's Soliloquy geschrieben hat, wurde nie geredet.
Unser Heimatmuseum, in das mich mein Opa jeden Sonntagmorgen schleppte, wenn er als pensionierter Lehrer den Dienst an der Kasse übernommen hatte, war voll von Gerhard Rohlfs Reliquien. Und seiner gesamten Korrespondenz von 5.000 Briefen. Das Bild hier zeigt das heutige Gerhard Rohlfs Zimmer im neuen Heimatmuseum Schloss Schönebeck. Das Haus, in dem früher das Heimatmuseum war, hatte man an die Freimauer zuückgeben müssen. Aber Gerhard Rohlfs war kein Held meiner Jugend, je mehr ich über ihn las, desto fremder wurde er mir. Irgendwie hat er mehr von Karl May an sich als von Richard Francis Burton.
Der Mann, der durch die Sahara gewandert war, ist eine Berühmtheit geworden. Bismarck glaubte, dass er ihn für seine Machtpolitik gebrauchen könnte. Aber als Konsul von Sansibar geriet Rohlfs zwischen alle Fronten, vor allem, weil er mit dem englischen Konsul befreundet war, den er als Kollegen kannte. Und dann war da noch die Sache mit der Prinzessin aus Sansibar. Die hieß →Sayyida Salme bint Said, in ihren →Memoiren sagt sie uns, dass sie Prinzessin von Sansibar und Oman ist. Sie wurde nicht die Herrscherin von Sansibar, und die ihr zustehenden 350.000 Goldmark des väterlichen Erbes hat sie auch nicht bekommen. Obgleich sich Gerhard Rohlfs immer für sie eingesetzt hat. Dahinter steht eine abenteuerliche Geschichte, die aber heute nicht erzählt wird. Weil die schon seit 2010 in diesem Blog steht. Hat schon mehr als fünftausend Leser, kann aber ruhig noch mehr haben. Klicken Sie mal den Post Emily Ruete an. Bewegte Bilder habe ich auch, Sie können hier den Film ✺Die Prinzessin von Sansibar sehen.
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