Dienstag, 25. Juni 2024

Äquivalenzparfüm


Wissen Sie, was das ist? Ein Äquivalenzparfüm? Bevor die Werbung diesen schönen Namen fand, hieß das ganz einfach Duftzwilling. So wie in Tim Mälzers Sendung Kitchen Impossible Köche ein Gericht nachkochen, das sie nicht kennen, so finden Parfümeure die Formel von einem teuren Parfüm heraus und bauen das nach. Natürlich preiswert. Hinter allen Markennamen steht ein ParfümeurCoco Chanel hat ihr gleichnamiges Parfüm nicht erfunden. In dem Buch Obsession: The Lives and Times of Calvin Klein findet sich die schöne Geschichte, dass Calvin Klein ein richtig gutes Parfüm haben will. Nicht diese billigen synthetischen Wässerchen, die niemals aus der Stadt Grasse kommen (dort beginnt ja auch der Held von Patrick Süskinds Das Parfum seine Karriere). Eine Duftprobe, die bei Calvin Klein gleich als zu billig riechend rausfliegt, verkauft die Firma, die für Calvin Klein den Duft kreiert, später an seinen Konkurrenten Ralph Lauren.

Es gibt ja alte Parfüms, die sehr teuer sind. Der englische König soll jetzt angeblich Creeds Green Irish Tweed benutzen, da kostet das Fläschchen 245 £. Für die Königin Victoria war Creed in Paris schon eine wichtige Adresse. Henry Creed hatte als Schneider begonnen, die Kaiserin Kaiserin Eugénie trug seine Kleider (und Mata Hari wurde in einem Creed Kostüm erschossen). 1845 schuf er für Victoria das Parfüm Fleurs de Bulgarie, das immer noch hergestellt wird. Green Irish Tweed kam 1986 auf den Markt, geschaffen von dem Parfümeur Pierre Bourdon; der wenig später das Cool Water für Davidoff kreierte. Das soll angeblich so ähnlich riechen wie Green Irish Tweed, kostet aber nur einen Bruchteil davon. Exklusiv ist das Zeuch nicht unbedingt, man kann es schon bei Amazon kaufen.

Das Internet ist voll mit angeblichen Duftzwilligen von Green Irish Tweed, da liest man dann Sätze wie: Ein klassischer, holzig-blumiger Duft, der Sie unvergesslich machen wird. Seine außergewöhnlich frischen Aromen erinnern an üppiges irisches Grün und frisch gemähtes Gras, verwoben mit der kühlen Meeresbrise. Das Beste an Parfüms sind die Beschreibungen. Die sprachlich wunderbar sind und auf jeden Fall das Wort Nuttendiesel, das in den siebziger Jahren aufkam, vermeiden. Das erste Parfüm, das man mit Charles assoziierte, war Penhaligons Blenheim Bouquet. Das hatte ihm Diana zur Verlobung geschenkt. Hat aber den beiden kein Glück gebracht.

Ich hatte das auch mal, ist mir aber viel zu teuer geworden. Das 100 ml Fläschchen kostet 150 Euro. War vor Jahrzehnten die Hälfte. Wenn man unbedingt diesen Duft haben will, dann sollte man das Wellington von Geo. F. Trumper nehmen, riecht genauso, ist aber viel preiswerter. Charles hat inzwischen einen eigenen Duft, den er zusammen mit Penhaligon entwickelt hat. Der heißt nach seinem Landsitz Highgrove Bouquet; ist teurer als das Blenheim Bouquet, das vor über hundert Jahren von Penhaligon geschaffen wurde, um den Duke of Marlborough zu ehren. So furchtbar exklusiv ist das Highgrove Bouquet nicht, man kann es auch schon bei Amazon kaufen.

Ich war letztens auf der Suche nach einem neuen Rasierwasser. Es sollte mal was Neues sein, etwas, was nicht jeder hat. Das wiederbelebte DDR Rasierwasser Tüff  kam allerdings nicht in die engere Wahl. Ich habe zwar noch einige Flaschen Aftershave, aber das sind Flaschen von Düften, die es nicht mehr gibt. Fällt schon unter Vintage. All die englischen Wässerchen, die ich früher verwendet habe, sind vom Markt verschwunden oder sind so teuer geworden, dass man sich nach einer preiswerten Alternative umsieht. Viele Firmen haben auch ihre Ingredienzien verändert. Das Malmaison, das einst das Lieblingsparfüm von Oscar Wilde war, gibt es bei Floris immer noch, aber mit veränderten Zutaten. Ein Freund von mir, der jahrzehntelang Givenchys Gentleman benutzte, hat einen langen Briefkrieg mit der Firma geführt, bis sie zugab, ihre Formel geändert zu haben. 

Ich fand beim Aufräumen eine kleine Packung mit Duftproben, die mir Lothar Ruff von The English Scent mal geschickt hatte. Machte probeweise ein kleines Gläschen auf und Wow, was war das ein Duft. Hieß Russian Water und kam von der Anglia Perfumery. Dazu kann man bei The English Scent lesen: Russian Water ist eine Hommage an die traditionelle Parfümerie aus der viktorianischen Zeit. Der Duft eröffnet mit einer frischen und belebenden Kombination aus Zitrusfrüchten und Lavendel, die von würzigem Zimt und süßer Vanille begleitet wird. Im Herzen des Duftes vereinen sich florale Noten mit einem Hauch von exotischen Gewürzen, die dem Duft Tiefe und Sinnlichkeit verleihen. Abgerundet wird der Duft von einer warmen und sinnlichen Basis aus edlen Hölzern und orientalischen Noten, die eine geheimnisvolle Aura um den Träger des Duftes schaffen. Ein Eau de Toilette für den modernen Gentleman, der seine Wurzeln in der Vergangenheit ehrt und zugleich eine zeitlose Eleganz ausstrahlt. Das sind Sätze, die man zweimal lesen sollte, weil sie so schön sind und nichts bedeuten. Die in den 1980er Jahren entstandene Anglia Perfumery stellt, wenn man so will, Duftzwillinge der 1872 gegründeten Crown Perfumery her. Allerdings scheint es die Firma nicht mehr zu geben. Und der Name Russian Water hat in unseren Tagen auch keinen guten Klang mehr.

Ein Äquivalenzparfüm habe ich mir einmal gekauft. Es heißt Meet Me Extrême und kommt von einer Firma namens Omerta. Da holt man sich die Mafia ins Badezimmer. Es soll ein Duftzwilling von Diors 
Sauvage Elexir sein, kostet aber nur ein Zehntel von Dior. Hinter dem Namen Omerta steht eine holländische Firma namens Coscentra B.V., die seit zwanzig Jahren im Markt für Duftzwillinge tätig ist. Ihre Wässerchen sollen in Frankreich hergestellt und in Shanghai abgefüllt werden. Warum, fragt man sich. Angeblich werden sie in 45 Ländern vertrieben. Aber wenn sie in Shanghai abgefüllt werden, dann sind sie wahrscheinlich für den asiatischen Markt gedacht. Doch das Meet Me Extrême war für 12 Euro ein guter Kauf. 

Es gibt auch preiswerte gute Aftershaves, die nichts mit der Imitation anderer Düfte zu tun haben. Ich denke da an das Windsor des tschechischen Unternehmens Alpa. Die sind seit über hundert Jahren im Geschäft und waren einst berühmt für ihren Franzbranntwein. Ein Rezensent äußert sich zu dem Aftershave so: Ein überraschend großartiges, nostalgisches und günstiges Rasierwasser aus Tschechien. Es erfrischt, pflegt und lässt einen duften, als käme man in den 1930ern eben frisch rasiert vom Herrenbarbier in Prag, Wien oder Budapest: nach Cognac, Menthol, Wacholder und Lorbeer. Mit 71% Alkohol, belebendem Menthol und hautberuhigendem Allantoin. Das kann man so stehen lassen. Es ist im ersten Augenblick ein wenig gewöhungsbedürftig, aber spätesten am dritten Tag mag man es. Ich habe es vor Jahren von einem Freund geschenkt bekommen, dacht zuerst Igitt, aber dann mochte ich es doch. Ich habe es mehrfach wieder gekauft, das Experiment ist nicht teuer. Die 100 ml Flasche kostet zehn Euro. 

Alpa hat noch ein anderes Rasierwasser im Angebot, das 378 heißt. Das gibt es nur im 50 ml Fläschchen. Die Zahl bezieht sich auf die Hausnummer in der Hornoměstská Straße des mährischen Velké Meziříčí (Groß Meseritsch). Da imitiert man offenbar die Kölner Firma, die auch eine Hausnummer verwendet: 4711. Auf der Seite vom Pomade Shop kann man dazu lesen: Das Alpa 378 duftet nach den 1930ern oder 1970ern. Der Duft ist maskulin, aber unaufdringlich, holzig-aromatisch, frisch-würzig, leicht vanillig-süß. Er erinnert klar an das deutsche Rasierwasser Irisch Moos. Doch während das deutsche After Shave herb-trocken im Stil der 1970er bleibt, duftet das 378 in eine holzig-pudrige Chypre-Richtung der 1930er und wirkt dadurch eleganter ohne seine männlich-animalische Ausstrahlung zu verlieren. Das mit der männlich-animalischen Ausstrahlung ist natürlich der übliche Werbequatsch. Dass das Rasierwasser gut riecht, kann man nicht bestreiten, es ist allerdings doppelt so teuer wie das Windsor. Das Charmante an der Firma Alpa ist, dass alle ihr Produkte auch gut zu der Haut sind. Und dass sie keine Werbung betreiben. Auf der Flasche steht Voda Po Holen (Wasser zum Rasieren), das scheint noch nicht für den ausländischen Markt gedacht gedacht zu sein.

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