Mittwoch, 17. September 2025

Joachim Körnig ✝


Als ich ihn kennenlernte, fuhr er ein BMW Cabrio und hatte eine Omega Speedmaster am Arm. Der BMW ist über die Jahrzehnte einem soliden Mittelklassewagen gewichen. Die Speedmaster ist ihm mal im Badezimmer auf die Fliesen gefallen, das überlebt auch die Moonwatch nicht. Aber er nahm den Verlust philosophisch. Als ich ihm Que reste t´íl de nos amours vorbeischickte, schrieb er mir: Gerade habe ich Que reste t´íl de nos amours, gespielt von Jacky Terrasson, gehört. Amours gibt es ja noch, und doch anders als früher. Solchen Gedanken darf man sich aber nicht überlassen. Wie sprach schon Epiktet: 'Wünsche nicht, dass geschieht, was Du wünschst, sondern wünsche, das geschieht, was geschieht!' Die Buddhisten sagen mit ihrem Gebot des Loslassens im Kern ja nicht zufällig Gleiches. Ich habe ihn letztens gefragt, ob er noch an einer alten Speedmaster oder einer Omega Seamaster 300 interessiert sei. Denn ich kannte jemanden, der sich von diesen Klassikern trennen wollte. Aber er sagte mir, er brauche überhaupt keine Uhren mehr, er sei schwer krank und hätte nicht mehr viel länger zu leben. Ich dachte erst, er würde ein wenig übertreiben, aber es war todernst gemeint. Er ist am 30. August im Alter von achtundsiebzig Jahren gestorben.

Der Rechtsanwalt Dietrich von Boetticher hat für seinen Weggefährten und Freund eine Traueranzeige in die Süddeutsche gestellt. Der Zeitung war Achim Körnig sehr verbunden, weil er mal eine Zeitlang einer der Autoren der Glosse Streiflicht war. Wenn man die Posts in seinem Blog Nachtgazette liest, dann ist vieles davon nicht so weit entfernt vom Streiflicht. Denn die 'Nachtgazette' ist eine Internet-Zeitschrift, die jenseits der Hektik des Alltagsgeschehens Strukturen des menschlichen Tuns und Seins aufzeigen will. Da ersteres zu Lasten des letzteren traditionell eher wirr erscheint, werden Humor, Satire und Karikatur dabei nicht zu kurz kommen. Am 29. Juni 2025 konnte man in seinem Blog lesen: Die seit 2007 bestehende NACHTGAZETTE wird aufgrund bevorstehenden Ungemachs für ihren Herausgeber, Chefredakteur usw. leider vermutlich bald eingestellt werden. Das mit dem bevorstehenden Ungemach verriet Unheil, aber der Blogger und Karikaturist arbeitete immer noch an einem Buch, in dem die besten Posts des Blogs erscheinen sollten. Vielleicht führt seine Familie ja diese Arbeit fort.

Das einzige Photo von Dr Joachim Körnig im Internet ist dieses hier, das ihn mit einem 1,30 großen Hecht im Dieksee stehend zeigt. Den Dieksee hatte er direkt vor der Tür seines schönen kleinen weißen Hauses, in das der Architekt viele Stilelemente von Palladio eingebracht hatte. Achim Körnig war ein leidenschaftlicher Angler. Und Schwimmer, da hätte er die Seamaster 300 gut tragen können. Aber er schrieb mir: Heute trage ich schnöderweise die weiter abgebildete chinesische Addiesdive, die ein durchaus taugliches NH35-Automatikwerk von Seiko aufweist und zum Schwimmen geeignet ist. Und er fügte hinzu: Die Anleihe der Addiesdive bei IWC stört mich nicht. Bin eben ein hoffnungsloser Fall. Als ich ihm den Post Sportuhren schickte, in dem die kleine Wittnauer Allproof erwähnt wird, die er mir mal geschenkt hatte, schrieb er: dieses Geschenk ist mir - wie so vieles - komplett entfallen

Aber wir haben die letzten dreißig Jahre nicht nur über Uhren geredet, wir haben viel häufiger über Jazz geredet. Weil er mir immer wieder CDs zuschickte, den besten Jazz aller Zeiten. Diese CDs tauchten hier schon in dem Post CD Player auf: All die vielen selbst gebrannten CDs (von hervorragender Qualität), die 'Round Midnight' heißen, sind natürlich keine Raubkopien. Die stammen aus einer Radiosendung, die Achim Körnig mal mitternachts bei einem bayrischen Privatsender hatte. Und die er mir netterweise kopiert hat. Erstklassiger Jazz! Der dottore in giurisprudenza hat früher auch mal gelegentlich das 'Streiflicht' für die 'Süddeutsche' geschrieben. Jetzt ist er Blogger. So enden wir alle. Ich habe über die Jahre mehr als dreißig CDs von ihm geschenkt bekommen. Wenn bei mir nicht Bach oder Mozart aufliegt, dann ist eine von den Round Midnight CDs im CD Player. Gary Thomas (der schon in Lush Life erwähnt wird) hätte ich wahrscheinlich ohne Achim Körnigs CDs nie kennengelernt. Vieles andere auch nicht. 

Du bist nicht mehr da, wo du warst, aber du bist überall, wo wir sind, steht am Ende des kleinen Gedenkvideos, das die Familie bei der Süddeutschen ins Netz gestellt hat. Achim Körnig ist immer noch bei mir, wenn ich seine CDs höre, ich lege mal eben für ihn Miles Davis Round Midnight auf. Und ich habe noch ein kleines Gedicht von Vachel Lindsay, das Written for a Musician heißt:

Hungry for music with a desperate hunger
I prowled abroad, I threaded through the town;
The evening crowd was clamoring and drinking,
Vulgar and pitiful--my heart bowed down--
Till I remembered duller hours made noble
By strangers clad in some suprising grace.
Wait, wait my soul, your music comes ere midnight
Appearing in some unexpected place
With quivering lips, and gleaming, moonlit face.

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