Donnerstag, 26. Mai 2011
Robert Morley
So kennen wir ihn, so lieben wir ihn. Er hätte heute Geburtstag, aber er ist schon lange tot. Irgendwie fehlen solche Gesichter dem Film. Was wäre der Wachsblumenstrauß, wo er Margaret Rutherford (Miss Marple) den Hof macht, ohne ihn gewesen? Oder die African Queen, wo er der Bruder von Katharine Hepburn ist. Schwergewichtige arrogante Engländer zu spielen, das beherrschte niemand so wie er. Nur mit einem Bewegen der Augenbrauen konnte er mehr aussagen als viele seiner Kollegen.
Er sollte eigentlich Diplomat werden, wandte sich dann aber doch der Bühne zu. Da ist der internationalen Diplomatie etwas entgangen! Natürlich hat er auf den Brettern, die die Welt bedeuten, angefangen. Aber der Film - auch Hollywood - hat ihn schnell geholt. Sein Filmdebüt, Ludwig XVI in Marie Antoinette 1938, brachte ihm gleich eine Oscar Nominierung ein.
Er hat nicht immer diese Rollen gespielt, in denen ihn jeder kennt. 1952 spielte der Almayer in Carol Reeds Outcast of the Islands, einer hervorragenden Joseph Conrad Verfilmung. Die DVD dazu, so sagt Amazon, wird im August in den Handel kommen. Ich habe sie schon vorbestellt. Er hat seine Schauspielerei niemals so furchtbar ernst genommen: Anyone who works is a fool. I don't work: I merely inflict myself on the public. Er hatte noch einen zweiten Beruf (was in Deutschland niemand zur Kenntnis genommen hat), denn ähnlich wie Peter Ustinov - dem er in vielem ähnlich ist - ist er Schriftsteller gewesen. Theaterstücke, Romane, eine Autobiographie. Einen CBE Orden hat er von der Königin angenommen, aber ein Sir Robert wollte er nicht werden.
Sein Sohn Sheridan Morley hat zwar seltener auf den Bühnenbrettern gestanden als der Vater, aber dafür hat er eine Vielzahl ausgezeichneter Bücher über Schauspieler geschrieben (auch eine Biographie über Pappi und Oma). Das war seine Welt. Was wundert es, wenn der Vater Schauspieler ist, die Großmutter Gladys Cooper heißt und Joanna Lumley eine Cousine ist? Ich habe sein Buch David Niven: The Other Side of the Moon gelesen, und sein Buch über Dirk Bogarde Rank Outsider liegt gerade bei mir neben dem Computer. Man kann dafür nur dankbar sein, vor allem seit die Biographie John Coldstreams erschienen ist. 611 Seiten stark, Farbabbildungen und angeblich eine authorised biography (so was klingt immer gut, bedeutet aber meistens gar nichts), so kam diese Biographie mit großem Getöse auf den englischen Markt. Es ist ein Buch, das überflüssig wie ein Kropf ist. 1974 gab es mit The films of Dirk Bogarde von Margaret Hinxman und Susan D'Arcy schon einmal ein Buch, in dem jeder Film von 1947 bis 1973 vorgestellt wurde. War aber nicht so hervorragend gedruckt wie Morleys Dirk Bogarde: Rank Outsider.
Mehr brauchte man eigentlich nicht, weil der Schauspieler inzwischen zu seinem eigenen Biographen geworden war und begonnen hatte, eine mehrbändige Autobiographie zu schreiben. Dazu kam noch die Veröffentlichung eines Bandes von Briefen an eine unbekannte Amerikanerin. Man konnte seine Filme kaufen, man konnte seine Stimme hören (manches aus seiner Autobiographie wie A Short Walk from Harrods hat er selbst gelesen), man konnte seine hervorragend geschriebene Autobiographie lesen. Brauchte man mehr? Bogarde ist neben seinem öffentlichen Image ein anderer gewesen, ein introvertierter Künstler (der mit ersten Gedichten in einer Sammlung von War Poetry vertreten ist), der als Captain den Zweiten Weltkrieg mitgemacht hatte. Der von der Firma Rank in den fünfziger Jahren als schönster Mann Englands verkauft wurde, und der unter Losey und Visconti da ankam, wo er immer hin wollte. Und der sein Privatleben gegen die englische Schmutzpresse verteidigt hat. Man hätte es bei all dem belassen können. Aber nun kommt John Coldstream, der auf dem Photo des Klappentextes aussieht wie ein nerd und der auch so schreibt. Und er muß an der Tür horchen, durchs Schlüsselloch gucken und die schmutzige Wäsche waschen. Und seitenlang auf dem Thema einer möglichen Homosexualität herumharfen. Wen interessiert das außer verklemmten Engländern mit Public School Erziehung? Igitt!
Dirk Bogarde - über den ich hier gerne noch einmal sehr viel länger schreiben möchte [das habe ich inzwischen ➱hier getan] - kann schreiben. So wie Robert Morley (links als Oscar Wilde) schreiben kann. Wir haben in Deutschland nicht so viele Schauspieler, die wirklich schreiben können. Gut, Michael Degen könnte einem einfallen, aber haben wir noch mehr? Morley und Bogarde sind ja nicht die einzigen englischen schreibenden Schauspieler. David Nivens The Moon's a Balloon und Bring on the Empty Horses und Alec Guinness' Blessings in Disguise und My Name Escapes Me: The Diary of a Retiring Actor sind auch wunderbare Autobiographien. Und was wäre die englische Literatur ohne Schauspieler wie William Shakespeare oder ➱Alan Bennett?
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