Samstag, 21. Mai 2016

Erwin Kostedde


Ich bin stolz darauf, der erste Farbige der Nationalelf zu sein, hat er gesagt, der Erwin Kostedde. Der Kicker schrieb damals: So wird mit ihm zum ersten Male in der DFB-Geschichte ein farbiger Spieler das Nationaltrikot tragen; eine Tatsache, auf die nicht mehr einzugehen eine Selbstverständlichkeit wäre, wenn man nicht wüßte, wie schwer es Kostedde auf seinem Weg nach oben, nicht zuletzt auch wegen seiner Hautfarbe hatte.

Das wusste der Sohn einer Deutschen und eines amerikanischen GIs, der seinen Vater nie gesehen hat, selbst: Im „schwarzen“ Münster war es schon schlimm, wenn Du sonntags in Jeans herumliefst, aber ich trug tagaus, tagein die falsche Hautfarbe. Nach dem Krieg waren wir in Münster drei Mischlinge und wir kannten uns alle drei. Der Erste war Messdiener und kam nach einer Beerdigung bei einem Verkehrsunfall um. Der Zweite ertrank im Aasee. Da bekam ich schon als Kind panische Angst, dass irgendein Unheil oder Fluch über uns liegen würde.

Kostedde war auch mal bei Werder Bremen, Rudi Assauer (hier im Bild mit Werder Trainer Hans Tilkowski) hatte ihn geholt. Es gab Kritik an der Entscheidung, aber Assauer sagte: Bei uns braucht der Kostedde nicht mehr zu laufen, es genügt, wenn er im gegnerischen Strafraum steht und mit seinem Hintern noch Tore macht. Werder war gerade abgestiegen, stieg aber wieder auf. Neunundzwanzig Tore von Erwin Kostedde sorgten dafür. Aber seine größte Zeit hatte er bei Offenbach, für die Kickers hat er 129 mal gespielt und achtzig Tore geschossen. Bei einem Spiel gegen Frankfurt sangen die Frankfurter Zuschauer im Waldstadion: Zehn Schwule und ein Nigger! Und eine Frankfurter Autowerkstatt weigerte sich, Kosteddes Auto zu reparieren, er hatte am Tag zuvor drei Tore gegen Frankfurt geschossen. Wenn man ein dunkelhäutiger Fußballer in Deutschland ist, hat man es damals nicht leicht.

Erwin Kostedde, der braune Bomber, wird heute siebzig, dazu möchte ich ihm herzlich gratulieren. Er kommt aus Münster, wo er auch heute noch lebt. Den dreifachen Übersteiger, den man auch den Erwin Shuffle nannte, hat ihm damals Fiffi Gerritzen beigebracht. Fiffi Gerritzen kommt schon in dem Post ➱Farbsymbolik vor, wie überhaupt in diesem Blog viele Fußballer vorkommen. Fußballer aus einer anderen Zeit, die noch wirklich Originale waren. Und dribbeln konnten wie Erwin Kostedde, Willi Lippens oder Stan Libuda.

Diese Spieler wurden auch mit wunderbaren Sprüchen in Verbindung gebracht. Wie An Gott kommt keiner vorbei. Außer Stan Libuda. Das ist auch der Titel eines Buches über Reinhard Libuda (lesen Sie hier eine ➱Rezension). Und dann gibt da noch diese Sätze mit Ewigkeitswert wie Gib mich die Kirsche (Lothar Emmerich). Oder den Dialog zwischen Schiedsrichter und Willi Lippens: Herr Lippens, ich verwarne Ihnen. - Herr Schiedsrichter, ich danke Sie. Lippens (hier im Bild mit Berti Vogts) flog vom Platz und erhielt vierzehn Tage Sperre. Willi Lippens, den jedermann Ente nennt, ist der beste Freund von Erwin Kostedde.

Er war auch der einzige, der Erwin Kostedde im Gefängnis besucht hat: Vor allem mein alter Kumpel Willi Lippens hat sich um mich gekümmert. 'Ente' hat mich als einziger sogar im Gefängnis besucht. War ganz toll. Kostedde hat ein halbes Jahr unschuldig im Gefängnis gesessen, weil man ihm einen Überfall auf eine Spielhalle vorwarf. Im Fernsehen ist die Polizei von Münster immer ganz toll, ob das Börne und Thiel oder Wilsberg und Anna Springer sind. Aber Anna Springer hat diesen Volltrottel  Overbeck als Assistenten, ich nehme mal an, dass der in dem Fall ermittelt hat.

Auf seinen ehemaligen Trainer Otto Rehhagel ist er nicht so gut zu sprechen: Und überhaupt: Hören Sie mir auf mit Rehhagel! Wenn ich Anstreicher gelernt hab wie der, dann steh ich dazu und mach nicht auf Louvre und Michelangelo. Als ich damals in Haft war, hat sich Rehhagel im Fernsehen über mich ausgelassen. Erwin Kostedde hat kein Glück gehabt im Leben, Anlagebetrüger, Verlust des Vermögens, dann die Anklage und die Untersuchungshaft. Dreitausend Mark Entschädigung hat er bekommen, mehr war dem Staat ein arbeitsloser Diplomsportlehrer nicht wert. Sie hätten mir zehn Millionen geben können, mein Leben war kaputt. Ich hätte nie gedacht, dass so etwas in Deutschland möglich sein kann.

Ich habe ihn natürlich immer im Fernsehen gesehen, im Weserstadion nur einmal. Aber ich gratuliere ihm ganz herzlich, und ich hoffe, dass es ihm gut geht. Dass der Bundespräsident heute mit einem Bundesverdienstkreuz vorbeikommt, ist wohl nicht zu erwarten. Warum eigentlich nicht? Wenn man einem Kriminellen wie Sepp Blatter das Große Bundesverdienstkreuz gibt, dann sollte für einen ehrlichen Mann wie Kostedde doch das Verdienstkreuz drin sein. Ich nehme an, dass Erwin Kostedde heute die Daumen für Borussia Dortmund drückt (tue ich auch), deren gelbes Trikot hat er ja auch mal zwei Jahre getragen.

Und zum Schluss habe ich noch ein kleines Gedicht von Ian Watson. Der Ire war Dozent an der Uni Bremen und ist da hängengeblieben, er hat eine Dauerkarte von Werder Bremen. Und er schreibt gerne über Fußball. Das Gedicht heißt Alles, was ein Fußballer braucht oder: Sonett für einen Allrounder. Und es besteht, ähnlich wie Handkes ➱Gedicht Die Aufstellung des 1. FC Nürnberg vom 27.1.1968 eigentlich nur aus Namen. Oder eben dem, was ein Fußballer braucht :

 1. Die Kopfballstärke von Oliver Reck
 2. Den Elfmeterzauber von Michael Kutzop
 3. Die Schußtechnik von Thorsten Legat
 4. Den Stammplatz von Lars Unger
 5. Die Größe von Thomas Hässler
 6. Die Zärtlichkeit von Uli Borowka
 7. Die Trinkfestigkeit von George Best.
 8. Die Haare von Bobby Charlton
 9. Den Bauch von Erwin Kostedde
10. Den Rasierapparat von Uwe Harttgen und
11. Die Augenbrauen von Siggi Held


Wenn Ihnen nach noch mehr Fußball ist, dann klicken Sie doch die folgenden Posts an: Fußballpoesie, Hannover 96, Uns Uwe, HSV, Bert Trautmann, Goalies, Albert Camus, WM, Belfast Boy, Schicksalsspiel, Endspiel, Farbsymbolik, Wundliegen, Arkadien, WM, Sedanplatz, Trolleybus, Lasagne, Volksschule, Traumwagen, Talsperren, Mein Dänemark, Gräber, Tigerente

P.S. Dass ein gewisser Herr Gauland sich über Jérôme Boateng auslassen würde, konnte ich nicht wissen, als ich dies schrieb. Ich hätte Herrn Gauland sonst gerne noch etwas Nettes gesagt.

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