Montag, 19. Mai 2014

HSV


Komm, wir gehen heute Nachmittag zum HSV, sagte Götz. Heute? Es war mitten in der Woche. Wo spielen die denn? fragte ich. Waldwiese, sagte Götz. Das ist ein idyllisch gelegener kleiner Sportplatz, aber der HSV hätte da freiwillig nie gespielt. Heute vielleicht, aber dies ist einige Jahrzehnte her. Es waren auch nur die Alten Herren des HSV, vielleicht käme Uwe Seeler auch. Er kam leider nicht, aber die anderen, die kannte ich beinahe alle. Aus der Zeit, als der HSV noch am Rothenbaum spielte. Der Gegner der Hamburger war eine Landesauswahl von Schleswig-Holstein. Alle viel jünger als die Herren, deren gute Zeit schon Jahrzehnte zurücklag. Sie konnten schnell laufen. Heute wird auch immer schnell gelaufen, aber wohin führt es? Langweiligem Fußball. Die Hamburger liefen nicht so schnell, aber sie hatten immer noch die sichere Ballbeherrschung drauf. Und hatten ein Auge für den Mitspieler. Und fußballerische Intelligenz. Das ist heute selten geworden. Am Ende hatten die Hamburger hoch gewonnen, ich weiß nicht mehr, mit wie vielen Toren, aber ich glaube, es hieß 5:2 für den HSV.

Die Zeiten, in denen der HSV 5:2 gewann, sind längst vorbei. Dass sie einmal 8:0 gegen Karlsruhe gewannen, ist schon beinahe fünfzig Jahre her. So alt ist die Bundesliga auch, und so lange ist der HSV schon in dieser Liga. Im ersten Jahr durften verletzte Spieler noch nicht ausgewechselt werden. Da hieß es Zähne zusammenbeißen oder den Platz verlassen. Heute haben die auf den Plätzen herumlaufenden Geldschränke ja Wehwehchen, die man vor einem halben Jahrhundert gar nicht kannte. Der Fußball hat sich seit Uwe Seeler und seit Mighty Mouse Keegan verändert. Das hier auf dem Photo ist nicht die heutige HSV Mannschaft, das ist die Mannschaft des Deutschen Pokalsiegers von 1963, allerdings 45 Jahre später photographiert.

Weihnachten 2011 konnte man im Hamburger Abendblatt ein Wunschgedicht an den Weihnachtsmann lesen:

Wir war’n einst die Macht im Norden,
und sind jetzt so klein geworden,
Du aber, Du ganz alleine,
stell uns wieder auf die Beine,
der HSV, ganz zweifelsfrei,
gehört doch nicht in Liga zwei.


Wahrscheinlich haben sie das in Hamburg seit 2011 gebetet. Tolgay Arslan hat gestern gesagt: Wir sollten alle in die Kirche gehen und beten. Nun sind die Gebete erhört worden, der Abstieg ist gerade mal eben vermieden worden. Die Stadionuhr kann weiter ticken. Aber während sie tickt wird auch die Frage lauter: wie soll es weitergehen? Kriegt Bert van Marwijk noch seine Millionen? Hat Slomka auch Millionen als Nichtabstiegsprämie gekriegt? Und ist Mirko Slomka überhaupt der richtige Mann für einen Neuanfang? Oder hat er nur die Millionen im Kopf, die er mit dem Maschmeyer und der Vroni Ferres in der Schweiz gebunkert hat und jetzt nicht zurückbekommt? Und ist das Liebesleben von Rafael van der Vart an seiner Formschwäche schuld?

Und überhaupt: die Spielerfrauen, was gibt es da zu berichten? Herrscht da, seit Sylvie weg ist, nicht die gleiche Tristesse wie auf dem Rasen? Immerhin offeriert die Bild Zeitung unter dem Titel Heisse Spielerfrauen: So sexy kann der HSV sein ➱hier ein Video. Ist aber eher peinlich.

Nicht peinlich, sondern im Gegenteil ganz wunderbar ist dagegen dies ➱Video, wo Olli Schulz seinen Song Spielerfrau singt. Und dann schauen wir zum Schluss noch mal eben in dies Dittsche ➱Video hinein, wo auf dem Platz von Schildkröte heute einmal ein anderer sitzt. Mit dem wäre der HSV nie in die Lage gekommen, in der er heute ist. Aber der verdiente auch noch keine Millionen. Und diese Tussis gab es auch noch nicht.


Im Blog SILVAE steht nicht nur etwas über Herrenmode, Kunst und Literatur. Hier steht auch viel über Fußball. Das Spiel, das Uwe Seeler als das denkwürdigste seiner Laufbahn bezeichnete, steht hier (➱Hannover 96), ebenso wie die Geschichte von dem Ball, den Dragomir Ilic an einem Sonntagnachmittag nicht halten konnte (➱Goalies). Lesen Sie auch: ➱Uns Uwe, ➱Fußballpoesie, ➱Bert Trautmann, ➱Bert Trautmann ✝, ➱Belfast Boy, ➱Wundliegen, ➱Schickssalspiel, ➱Farbsymbolik, ➱Stil und ➱Albert Camus. Ja, das haben Sie richtig gelesen. Camus ist derjenige, der gesagt hat: Alles, was ich schließlich am sichersten über Moral und menschliche Verpflichtung weiß, verdanke ich dem Fußball.

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