Damals wollten wir alle solch eine Sonnenbrille haben, wie Zbigniew Cybulski sie in dem Film Asche und Diamant trägt. Cybulski war der James Dean von Polen. Er trug immer eine Sonnenbrille. Es hat noch nie am Theaterhimmel einen Schauspieler gegeben, der spielen konnte, ohne seine Augen zu gebrauchen, und ich weiß, es wird auch keinen mehr geben. Umso besser! Man wird sich ewig an ihn erinnern, und das ist mehr, als man über viele Schauspieler sagen kann, hat Marlene Dietrich gesagt. Den Film Asche und Diamant gab es sogar in dem Filmclub unserer Schule. Die Sonnenbrille gab es natürlich nirgends. In unserem ➱Schülerfilmclub wurde (was sehr umstritten war) Der Schimmelreiter gezeigt, aber erstaunlicherweise auch Tod eines Radfahrers (der ➱hier schon erwähnt wird).
Ich weiß nicht, wer damals für die Auswahl der Filme zuständig war (den Schimmelreiter soll sich der Direx gewünscht haben). Ich weiß nur noch, dass ich immer mit ➱Wuddel zur Landesbildstelle nach Bremen gefahren bin, damit wir endlich den Filmvorführerschein bekamen. Damals war uns Technik noch wichtiger als Ästhetik. Wir wollten noch keine Filmkritiker werden, wir wollten erst einmal die Filmrollen richtig einlegen. Das ist wichtig. Der Kunsthistoriker ➱Ernest Gombrich hat in London am ➱Warburg Institute einmal einem Studenten, der mit dem Diaprojektor kämpfte, gesagt, dass die Karriere eines Kunsthistorikers damit beginnt, ein Dia richtig herum einzulegen. Es gab damals übrigens nicht nur die Sonnenbrille von Zbigniew Cybulski in Asche und Diamant zu bewundern, schöne Frauen wie Ewa Krzyżewska gab es auch.
Asche und Diamant ist wahrscheinlich der berühmteste Film des großen polnischen Regisseurs Andrzej Wajda, der am 9. Oktober im Alter von neunzig Jahren gestorben ist. Er ist in diesem Blog bisher noch nicht erwähnt worden, aber vielleicht hätte ich vor Jahren lieber über ihn schreiben sollen und nicht über Roman Polanski. Der erste Film, der mir einfiel, als ich im Radio die Nachricht von seinem Tod hörte, war nicht Eine Generation, Der Kanal oder Asche und Diamant, es war der Film ➱Lotna.
Man kann den Film Lotna ➱hier ganz sehen, das hat aber nicht den Effekt, den er auf der großen Kinoleinwand hat. Was man leider nicht sehen kann, ist die Verfilmung von Timothy Findleys Roman ➱The Wars, in der ein junger kanadischer Offizier im Ersten Weltkrieg versucht, Armeepferde zu retten. Armeepferde sind etwas Wichtiges. Sie waren Abraham Lincoln wichtiger als Generäle: I can make more generals but horses cost money, soll er gesagt haben. Abraham Lincoln, der sich seine ➱Schuhe selbst putzte, war ein vernünftiger Mann. Was hätte er wohl zu einem Präsidentschaftskandidaten Donald Trump gesagt? Man wagt es sich nicht vorzustellen, dass dieser Vollidiot ➱Trump einmal das Amt bekommt, das Lincoln gehabt hat. The Wars gilt inzwischen als kanadischer Filmklassiker. Ich habe den Film mit dem Soundtrack von ➱Glenn Gould schon einmal erwähnt, als ich über den deutschen Helden ➱Hubert Dilger schrieb.
Es ist ein weißes Pferd, das in Lotna die Hauptrolle hat. Es muss ein weißes Pferd sein, weil es etwas Mythisches, Symbolisches sein soll. So wie das Pferd von Hauke Haien in dem Film Der Schimmelreiter von 1933. Über den die Zeitschrift Daheim damals schrieb: Dieser Film ist sehr zeitgemäß. „Blut und Boden“ heißt sein Inhalt, der Führergedanke lebt darin. Doch der Film ist auch nach dem Krieg nicht verboten worden, und man muss dem Regisseur Hans Deppe lassen, dass es cinematographisch große Szenen in dem Film gibt (➱hier ganz zu sehen). Der Regisseur hat nie wieder einen so guten Film gedreht. Und doch fehlt ihm als ➱Romanverfilmung vieles. Das spökenkiekerisch Geheimnisvolle, das mir bei der ersten Lektüre des Romans einen Schauer über den Rücken laufen ließ (ich war acht), das fehlt diesem Film völlig. Und heimlich glauben wir natürlich immer, dass der Mann, der da ruft: soll Euer Deich sich halten, so muß was Lebiges hinein! Recht hat.
Andrzej Wajda wollte viel mit seinem Film Lotna, er wollte auch viel mit der Verfilmung der Meistererzählung The Shadow Line seines Landsmanns ➱Joseph Conrad. Er war mit dem ➱Ergebnis nicht zufrieden, an inarticulate, elusive and uncommunicative film hat er seinen Film genannt. Und der Filmkritiker Michal Komar urteilte: The film is a betrayal of Conrad's work. It makes him seem a boring buffoon, a soft-minded fool obsessed with the souls of men who are at very best unbalanced. Why has this happened? Perhaps - at least I suspect so - the source of failure lies in trying to fit psychology where there is no room for it.
For example, The Shadow Line is viewed as describing the state of mind of a young man, who has found himself in an extremely difficult situation. Thus, the director looks for the meaning of the story and its driving force, in the relation between the hero's state of mind and the external situation (the ship, the disease plaguing the crew, the heat etc.). And since it is impossible to keep on showing heat or windless silence, as the viewer will be bored stiff, the director tries to film it in a prettified way, inventing a couple of attractive balancing acts on the masthead. And this at the cost of ignoring essential issues and the problem of different attitudes to the predicament. Thus the whole undertaking becomes limited to technical skill, satisfying the mere requirements of ordinary visual realism.
Sie können The Shadow Line ➱hier ganz sehen, aber der Film beweist nur, dass man Conrad nicht verfilmen kann. Das ist auch Ridley Scott mit The Duellists nicht gelungen, trotz einer Starbesetzung. Von den misslungenen Verfilmungen von Heart of Darkness wollen wir nicht reden, vielleicht kommt Apocalypse Now ein wenig an den Text heran. Einzig The Outcast of the Islands von Carol Reed (lesen Sie ➱hier mehr) kann als eine halbwegs gelungene Conrad Verfilmung gelten.
Zu den größten Werken des Regisseurs gehören "Das gelobte Land", "Danton" und "Der Mann aus Marmor", heißt es bei Spiegel Online in dem Nachruf auf Andrzej Wajda. Von dem aufregenden Frühwerk war da nicht mehr die Rede. Wajda war mit den Jahren konventioneller geworden, da ähnelt er Polanski, der in seinem Spätwerk nichts mehr mit seinen großartigen Anfängen zu tun hat. Chinatown hat nichts mehr mit dem Film Das Messer im Wasser zu tun.
Aber im Gegensatz zu Polanski ist Wajda seinem ersten Thema, der polnischen Geschichte, treu geblieben. Auch wenn man ihn in Polen dafür nicht immer geliebt hat. Wajda ist auch im Gegensatz zu Polanski immer ein politischer Regisseur geblieben, nicht nur wegen seiner Danziger Trilogie. Er war mit Polanski befreundet, der in seinem Examensfilm Eine Generation eine kleine Rolle (hier in der Bildmitte) spielt. 1997 hat Polanski noch einmal in einem Film von Wajda mitgespielt, und Wajda hat ihn sicherlich erheblich ➱beeinflusst.
Dieses Bild stammt aus dem Film Asche und Diamant. Es steht an dieser Stelle, damit wir noch einmal Ewa Krzyżewska sehen können. Auch Wajda wusste, dass ➱François Truffauts Satz Le travail du metteur en scène consiste à faire faire de jolies choses à de jolies femmes immer funktionierte. Das Bild ist auch aus einem anderen Grund hier, der etwas mit der Ästhetik der frühen Filme von Wajda zu tun hat. Schauen Sie sich doch einmal die Verteilung von Licht und Schatten, die der Kameramann Jerzy Wójcik hier hingezaubert hat. Können wir glauben, dass die Frau in diesem Licht ein einfaches Barmädchen ist? Damals war sie einen Film lang die Frau unserer Träume. Wir wünschten uns, dass unsere Freundinnen so aussehen möchten wie Ewa Krzyżewska. Und dass wir solch eine Sonnenbrille hätten wie Zbigniew Cybulski.
Es ist ein weißes Pferd, das in Lotna die Hauptrolle hat. Es muss ein weißes Pferd sein, weil es etwas Mythisches, Symbolisches sein soll. So wie das Pferd von Hauke Haien in dem Film Der Schimmelreiter von 1933. Über den die Zeitschrift Daheim damals schrieb: Dieser Film ist sehr zeitgemäß. „Blut und Boden“ heißt sein Inhalt, der Führergedanke lebt darin. Doch der Film ist auch nach dem Krieg nicht verboten worden, und man muss dem Regisseur Hans Deppe lassen, dass es cinematographisch große Szenen in dem Film gibt (➱hier ganz zu sehen). Der Regisseur hat nie wieder einen so guten Film gedreht. Und doch fehlt ihm als ➱Romanverfilmung vieles. Das spökenkiekerisch Geheimnisvolle, das mir bei der ersten Lektüre des Romans einen Schauer über den Rücken laufen ließ (ich war acht), das fehlt diesem Film völlig. Und heimlich glauben wir natürlich immer, dass der Mann, der da ruft: soll Euer Deich sich halten, so muß was Lebiges hinein! Recht hat.
Andrzej Wajda wollte viel mit seinem Film Lotna, er wollte auch viel mit der Verfilmung der Meistererzählung The Shadow Line seines Landsmanns ➱Joseph Conrad. Er war mit dem ➱Ergebnis nicht zufrieden, an inarticulate, elusive and uncommunicative film hat er seinen Film genannt. Und der Filmkritiker Michal Komar urteilte: The film is a betrayal of Conrad's work. It makes him seem a boring buffoon, a soft-minded fool obsessed with the souls of men who are at very best unbalanced. Why has this happened? Perhaps - at least I suspect so - the source of failure lies in trying to fit psychology where there is no room for it.
For example, The Shadow Line is viewed as describing the state of mind of a young man, who has found himself in an extremely difficult situation. Thus, the director looks for the meaning of the story and its driving force, in the relation between the hero's state of mind and the external situation (the ship, the disease plaguing the crew, the heat etc.). And since it is impossible to keep on showing heat or windless silence, as the viewer will be bored stiff, the director tries to film it in a prettified way, inventing a couple of attractive balancing acts on the masthead. And this at the cost of ignoring essential issues and the problem of different attitudes to the predicament. Thus the whole undertaking becomes limited to technical skill, satisfying the mere requirements of ordinary visual realism.
Sie können The Shadow Line ➱hier ganz sehen, aber der Film beweist nur, dass man Conrad nicht verfilmen kann. Das ist auch Ridley Scott mit The Duellists nicht gelungen, trotz einer Starbesetzung. Von den misslungenen Verfilmungen von Heart of Darkness wollen wir nicht reden, vielleicht kommt Apocalypse Now ein wenig an den Text heran. Einzig The Outcast of the Islands von Carol Reed (lesen Sie ➱hier mehr) kann als eine halbwegs gelungene Conrad Verfilmung gelten.
Zu den größten Werken des Regisseurs gehören "Das gelobte Land", "Danton" und "Der Mann aus Marmor", heißt es bei Spiegel Online in dem Nachruf auf Andrzej Wajda. Von dem aufregenden Frühwerk war da nicht mehr die Rede. Wajda war mit den Jahren konventioneller geworden, da ähnelt er Polanski, der in seinem Spätwerk nichts mehr mit seinen großartigen Anfängen zu tun hat. Chinatown hat nichts mehr mit dem Film Das Messer im Wasser zu tun.
Dieses Bild stammt aus dem Film Asche und Diamant. Es steht an dieser Stelle, damit wir noch einmal Ewa Krzyżewska sehen können. Auch Wajda wusste, dass ➱François Truffauts Satz Le travail du metteur en scène consiste à faire faire de jolies choses à de jolies femmes immer funktionierte. Das Bild ist auch aus einem anderen Grund hier, der etwas mit der Ästhetik der frühen Filme von Wajda zu tun hat. Schauen Sie sich doch einmal die Verteilung von Licht und Schatten, die der Kameramann Jerzy Wójcik hier hingezaubert hat. Können wir glauben, dass die Frau in diesem Licht ein einfaches Barmädchen ist? Damals war sie einen Film lang die Frau unserer Träume. Wir wünschten uns, dass unsere Freundinnen so aussehen möchten wie Ewa Krzyżewska. Und dass wir solch eine Sonnenbrille hätten wie Zbigniew Cybulski.
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