Dienstag, 14. Januar 2020

Arturo Benedetti Michelangeli (once again)


Vor neun Jahren habe ich am 5. Januar in dem Post Arturo Benedetti Michelangeli über ihn geschrieben. Am 5. Januar 2020 habe ich über einen Tatort geschrieben, da hätte ich natürlich noch einmal über ihn schreiben können, denn das war sein hundertster Geburtstag. In dem Post vom 3. Januar 2011, der Victor Borge heißt, steht auch einiges zu dem italienischen Pianisten. In dem Post Glenn Gould vom 25. September 2010 auch. Bei Arte konnte man vorgestern die Sendung Ein unfassbarer Pianist: Arturo Benedetti Michelangeli sehen. Beinahe eine Stunde lang und noch bis zum 3. April 2020 verfügbar. Im letzten Jahr erschien bei Hänssler eine zehn CD Box mit Live Aufnahmen von den vierziger bis zu den sechziger Jahren. Ich weiß nicht ob man das braucht, ist aber mit 19,95 für zehn CDs preiswert.

Da wir 2020 das Beethoven Jahr haben, lassen wir Arturo Benedetti Michelangeli ein wenig Beethoven spielen, und zwar das Klavierkonzert No 1. Dirigent ist Carlo Maria Giulini. Als ich das bei YouTube suchte, stieß ich auf eine Aufnahme des Konzerts mit Rudolf Buchbinder. Eine zwei Jahre alte Aufnahme mit dem Orchestre Philharmonique de Radio France, die bei arte noch bis zum 14. Dezember 2020 verfügbar ist. Die Aufnahme lohnt sich schon wegen des ersten Auftritts der ersten Geigerin Hélène Collerette mit ihrem sexy Kleid.

Die Aufnahme lohnt sich natürlich auch wegen Buchbinder. Der sieht auf allen Photos nie so ernst und abweisend aus wie Arturo Benedetti Michelangeli. Er sieht aus, als ob er Humor hätte, Michelangeli sieht nie so aus. Buchbinder ist nicht berühmt dafür, dass er Konzerte reihenweise platzen lässt, und es umgeben ihn auch kein Mythos und keine Geheimnisse. Er hat auch keinen Ferrari. Aber er ist ein hervorragender Pianist, der jetzt seit sechzig Jahren auf der Bühne ist. Rudolf Buchbinder wird in diesem Jahr viel Beethoven spielen.

Von mir ist im Beethoven Jahr nichts Sensationelles zu erwarten. Ich habe so ziemlich alles von ihm auf CD und LP, manches doppelt und dreifach, weil es ein Sonderangebot war, dem man nicht widerstehen konnte. Die Gesamtaufnahme der Klaviersonaten von der viel zu früh verstorbenen Dänin Anne Øland war zum Beispiel sehr preiswert, ich finde sie immer noch sehr charmant (hier einmal die ✺Nummer 10). Für die Klaviersonaten würde ich ansonsten Michael Korstick (den ich hier schon vor zehn Jahren erwähnte) empfehlen, die waren bei Oehms mal sehr teuer, jetzt bekommt man sie im 10er Pack schon für 28,99. Und Glenn Goulds Beethoven Aufnahmen erhält man heute schon zu einem Spottpreis. Das ist das Schöne am Beethoven Jahr, dass man das Wichtigste des Komponisten für kleines Geld bekommen kann.

Von den Klavierkonzerten mag ich die Nummer fünf besonders gern, ich besitze sogar die Noten und kann manche Passagen spielen. Wenn die Finger mitmachen und ich vorher einen kleinen Whisky trinke. Die Aufnahme von ✺Bruno Leonardo Gelber mag ich besonders, aber man kann natürlich auch ✺Arturo Benedetti Michelangeli hören. Rudolf Buchbinder hört sich seine eigenen CDs nicht an, die seiner Kollegen eigentlich auch nicht, aber dann hat ihn concerti überredet, an einem Blindtest teilzunehmen. Man hat dem Pianisten verschiedene Aufnahmen der unterschiedlichsten Komponisten vorgespielt und ihn raten lassen. Es war auch eine Buchbinder Aufnahme dabei, die hat er natürlich sofort erkannt.

Und dann kam eine Aufnahme von Arturo Benedetti Michelangeli vom zweiten Satz von Beethovens ✺Klaviersonate Nr. 32 c-Moll op. 111. Das ist der Satz, vor dem Adagio molto, semplice e cantabile, steht. Thomas Mann läßt in seinem Doktor Faustus eine Romanfigur namens Wendell Kretzschmar die Sonate erläutern und  Wie-sengrund und Grü-ner Wiesengrund dazu singen. Das mit dem Wiesengrund hat natürlich eine besondere Bedeutung. Buchbinder kommentierte das, was er da gerade eben gehört hatte mit: Ja, genau, sehr schön ist das! Ich weiß nicht, wer das ist, auf jeden Fall gefällt es mir sehr gut. (lauscht andächtig und offensichtlich angetan) Das könnte auch von mir sein, ist es aber nicht. Wer spielt das? Michelangeli? Er hat ja nur sehr wenige Beethoven-Sonaten gespielt. Diese Aufnahme habe ich nicht gekannt von ihm, das ist wirklich sehr gut gespielt.

Ich weiß jetzt nicht, was Buchbinder zu ✺Michael Korsticks Aufnahme gesagt hätte. Korstick, der an der Juillard School in New York studiert hatte, bekam dort schnell den Spitznamen Doctor Beethoven. Dem möchte ich noch die kleine Geschichte hinzufügen, die Sascha Selke auf der Seite von Oehms Classics über Korstick erzählt hat: Welche Musik ihm aber wirklich „am Herzen lag“, zeigte sich nach einem Juilliard- Konzert in der Alice Tully Hall in New York, in der Korstick die Sonate op. 111 gespielt hatte: als seine Freunde und Kollegen ihn in seiner Garderobe beglückwünschten, öffnete er die Knöpfe seines Frackhemds – und zum Vorschein kam ein rotes T-Shirt, auf dessen Brust ein Beethoven-Konterfei prangte.

Und zum Schluss habe ich hier noch eine Aufnahme von Beethovens ✺Klavierkonzert No 3. Und das aus einem besonderen Grund, der Pianist Fazıl Say, der auch alle Beethoven Sonaten eingespielt hat, wird heute fünfzig, dazu möchte ich herzlich gratulieren.

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