Am 2. Dezember 1859 wurde der Abolitionist John Brown in Charles Town (Virginia) gehängt. Man hatte ihn auf seinen Sarg gesetzt, als man ihn zur Hinrichtungsstätte gefahren hat; und so hat ihn der naive Maler Horace Pippin 1942 auch gemalt. Während der letzten Wochen des Novembers 1859 war der kleine Ort Charles Town zu einer Garnisonsstadt geworden. Vor dem Gerichtsgebäude, in dem der Prozsss Virginia v. John Brown stattfand, hatte man eine Kanone plaziert. Man fürchtete, dass John Brown von seinen Anhängern befreit würde. Nach Friedrich Kapp sah es in Charles Town jetzt so aus: Diese Untersuchung ist ein Hohn auf die Justiz und eine der widerlichsten Farcen, die je im Namen des Rechtes aufgeführt sind. Die Gefangenen sahen sich da von einem Haufen aufgeregter und tobender Zuschauer umgeben, welche sie thätlich bedrohten; sie stehen vor einer Jury, welche sich als ihr erbittertster Feind bekennt und dennoch in aller Form Rechtens eingeschworen wird. Um das Ganze würdig zu krönen, wird der Vertheidiger Brown’s vom Auditorium mit persönlicher Gewalt bedroht, falls er es versuchen sollte, das Verbrechen seines Klienten zu beschönigen.
Diesem Kriegszustande innerhalb der vier Wände des Gerichtshofes entsprach das Leben und Treiben außerhalb desselben. Charlestown ward in Belagerungszustand erklärt, alle Formen europäischer Vorbilder wurden ängstlich nachgeahmt oder vielmehr karrikirt. Eine betrunkene Soldateska von welcher Einer vor dem Andern Furcht hatte, tobte durch die Straßen und übte die Polizei aus. Es herrschte der bewaffnete Pöbel, die ruchloseste Anarchie. Zugleich aber erklärte der kommandirende Offizier dem nördlichen Anwalt Brown’s, daß er ihm für sein Leben nicht stehen könne, falls er es wagen sollte, seinen Klienten weiter zu vertheidigen.
Nicht nur Soldaten sind jetzt in der Stadt. Viele Zeitungen haben Reporter geschickt. Dank des Telegraphen werden ihre Berichte in die ganze Nation geschickt, in den Norden und den Süden. Die Rede, die Brown vor Gericht hält, steht am nächsten Tag im Volltext in der New York Times. Noch ist die Nation geeint, aber sie zerfällt schon in zwei Lager, die Sklavenhalter und die Abolitionisten. Für die einen ist Brown ein Terrorist und Mörder, für die anderen ist er ein Held. Henry David Thoreau nannte Brown an angel of light. Für Ralph Waldo Emerson ist er ein neuer Heiliger who would make the gallows as glorious as the cross.
Friedrich Kapp ist 1860 mit seinem Urteil ausgewogen und prophetisch: Es kann sich also im vorliegenden Falle nur noch fragen, ob die von Brown zur Erreichung seines Zweckes gewählten Mittel die richtigen waren? Das sind sie nicht. Die Ausführung seines Planes war mangelhaft und schlecht; allein trotzdem liefert sie der Welt den Beweis, daß die Sklaverei die hiesige Gesellschaft im beständigen Kriegszustand hält, daß diese nur durch eine tyrannische Gewalt zusammengehalten werden kann und daß die Ver. Staaten mit Riesenschritten einer Revolution entgegeneilen. Entweder Sklaverei oder Freiheit; der unvermeidliche Konflikt zwischen beiden muß wohl oder übel ausgekämpft werden! Brown ist der erste blutige Vorläufer des ihnen bevorstehenden Kampfes. Seine Hinrichtung ist die erste politische in der Union; sie bezeichnet schon deßhalb einen Markstein in deren Entwicklung; sie wird nicht die letzte sein. Denn dieselben Zustände werden dieselben Ideen erzeugen und dieselben Handlungen werden sich wiederholen und dieselben Folgen nach sich ziehen. Brown’s Unternehmen mißlang. Allein was ist Mißlingen? Nichts als Erziehung, als der erste Schritt zum Bessermachen, sagt Wendel Philipps. Vivat sequens!
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