Die überraschende Nachricht von der in Paris ausgebrochenen Revolution. Louis Philippe ist geflüchtet und die Republik proklamiert. Ich glaube, wir sehen jetzt einer ebenso interessanten als ernsten Zeit entgegen, die auch hemmend in mein innerstes Privatleben eingreifen kann! schreibt der Kieler Jurist Carl Rathlev am 29. Februar 1848 in sein Tagebuch. Man braucht kein Prophet zu sein, um zu erkennen, dass die Zeit jetzt ebenso interessant als ernst sein wird.
Was Rathlev wahrscheinlich nicht gewusst hat: Louis Philippe war schon einmal auf der Flucht gewesen. Damals ging er allerdings nicht ins Exil nach England, da war er in Schleswig-Holstein. Nicht mehr unter dem Namen Louis Philippe d'Orléans oder Louis Philippe Égalité. 1796 lebte er unter dem Namen Ludwig Philippe de Vries in Friedrichstadt (das Neberhaus, in dem er wohnte, steht immer noch) und verdiente sich seinen Lebensunterhalt als Hauslehrer. Und Tanzlehrer. Dazu fällt mir jetzt nur Mozarts Arie aus Figaros Hochzeit ein:Se vuol ballare, signor contino,
il chitarrino le suonerò, sì,
se vuol venire nella mia scuola,
la capriola le insegnerò, sì.
Es wäre übertrieben zu sagen, dass der halbe französische Adel während der Französischen Revolution in Schleswig-Holstein war, aber es sind doch sehr viele hier: Dieses reitzende Ländchen zog angesehene Familien an, [...] von ermüdendem Herumirren und Vertreiben einen Ruhesiz zu finden. Das monarchische Dänemark bot damals eine Sicherheit an, welche die republicanische Schweiz nicht gewährt hat, schreibt August Adolph von Hennings, den man den eigentlichen Apostel der Aufklärung in den Herzogtümern genannt hat. Louis Philippes ehemaliger Vorgesetzer, der General Charles Francois Dumouriez, ist auch in Schleswig-Holstein. Der berühmte Lafayette auch für einige Zeit. Charles Francois Dumouriez, der im englischen Exil sterben wird, konnte dem Exil durchaus etwas Positives abgewinnen:
L'exil, ainsi que toutes les autres positions de la vie humaine, a ses avantages: il nous présente des objets de comparaison, dont nous n'avions jamais eu l'idée; il nous donne des lumières; il développe notre énergie par des privations; il nous rend indulgens et sociables; il établit entre nous et nos hôtes une expansion de sensibilité et de la bienfaisance. L'homme droit, sage et réfléchi rapporte de ce pèlerinage forcé une somme de vertus mâles et douces, qui le rendent plus propre à servir sa patrie, et le conduisent à une philanthropie universelle, qui diminue les terribles effets de l'égoïsme national.
Auf so etwas wie das Exil müssen sich diese Herren auch einstellen, die am frühen Morgen des 24. März in Kiel als Provisorische Regierung die Macht übernehmen. Vierunddreißig Jahre nach dem Kieler Frieden blickt Europa wieder einmal für einen Augenblick auf Kiel. Dies Bild stammt nicht aus dem Jahre 1848, es wurde von dem Maler Hans Olde begonnen und dann von dem Kieler Maler Julius Fürst (von dem das Landesmuseum eine bezaubernde kleine Mondnacht im Kieler Hafen besitzt) fertiggestellt. Ein halbes Jahrhundert nach dem Ereignis von 1848 gemalt, sagt das Monumentalgemälde (318 x 468 cm) wahrscheinlich mehr über den wilhelminischen Geist als über den Geist von 1848.
Das Bild fälscht auch ein klein wenig die Wirklichkeit, man hat die Herren Theodor Olshausen und Hans Reimer Clausen auf das Bild gemalt, die damals gar nicht in Kiel waren, weil sie in Kopenhagen mit dem dänischen König verhandelten. Genauer gesagt feilscht Olshausen mit Orla Lehmann, dem mächtigen Anführer der sogenannten Eiderdänen um die Frage, ob die Eider oder die Königsau die Grenze Dänemarks sein soll. Es gibt von Hans Olde noch eine zweite Version des Bildes, bei der wieder Hartwig Beseler vor dem Rathaus die Proklamation der Provisorischen Regierung verliest.
Ernstes Schweigen lag über der vielhundertköpfigen Menge, die sich der bedeutsamen Stunde wohl bewusst war... Ihrem Gefühl Ausdruck gab die Menge im Absingen des als Gebet durch die stille Nacht zum Himmel aufsteigenden Lied Schleswig-Holstein meerumschlungen. Und als wir zu der Strophe kamen, wo es heißt Gott ist stark auch mit den Schwachen, wenn sie gläubig ihm vertraun, entblößten alle ihre Häupter, hat der Chirurg Friedrich von Esmarch geschrieben. Die Erfahrungen auf den Kriegsschauplätzen werden ihn zu einem der berühmtesten Chirurgen des 19. Jahrhunderts machen. Im Krieg können Chirurgen immer lernen, das bestätigt wieder einmal den Satz, dass der Krieg der Vater aller Dinge ist.
Sie können die Proklamation hier lesen. Der Name Olshausen fehlt noch auf der Proklamation, er ist noch kein Mitglied der Regierung. Weil er, wie gesagt, noch in Kopenhagen ist, wo sein Status von Tag zu Tag zwischen Gast und Geisel wechselt. Aber dann lässt man ihn doch das Schiff nach Kiel nehmen. Der Name F. Reventlou auf der Proklamation täuscht ein klein wenig, es ist natürlich ein Friedrich Graf von Reventlou. Aber man gibt sich in diesen Tagen gerne bürgerlich. Friedrich Prinz zu Schleswig-Holstein, der neue Kriegsminister, verzichtet allerdings nicht auf seinen Titel. Der fährt gleich mit einer kleinen Truppe von Lauenburgischen Jägern, organisierten Turnern und Studenten (verstärkt durch sechzig Bauernburschen aus Segeberg, bewaffnet mit jungeichenen Knüppeln) von Neumünster mit der Eisenbahn nach Rendsburg und nimmt am frühen Morgen des 24. März die dänische Festung ein.
Es ist wirklich unheimlich praktisch, dass die Eisenbahnlinie direkt zur Festung führt. Ich glaube, dass dies das erste Mal ist, dass die Eisenbahn - also noch vor dem Krimkrieg und dem amerikanischen Bürgerkrieg - eine militärische Bedeutung im Krieg bekommt. Der Prinz zu Schleswig-Holstein ist schon einmal Gegenstand eines Posts in diesem Blog gewesen (und nein, ich habe die Geschichte mit den dänischen Pisspötten da natürlich nicht ausgelassen), deshalb belassen wir es hier einmal bei der kurzen Schilderung dieses Überraschungscoups, der keine Toten oder Verletzten fordert. Die Mannschaften schließen sich nach einer flammenden Rede des Prinzen der schleswig-holsteinischen Sache an, manche Offiziere schließen sich dem Prinzen an. Aber die meisten fühlen sich durch ihren Fahneneid gebunden und treten die Reise nach Kopenhagen an.
Aber glaubt man am 24. März 1848 in Kiel wirklich, dass Dänemark das so hinnimmt? Glaubte man 2014 in Kiew, dass Putin bei all dem ruhig zuschaut? Wenige Wochen nach der Proklamation der Provisorischen Regierung ist Krieg. Die deutsche Revolution von 1848 hat kein gutes Ende: Das war ’ne heiße Märzenzeit, Trotz Regen, Schnee und alledem! Nun aber, da es Blüthen schneit, Nun ist es kalt, trotz alledem! Wenn Sie Freiligraths Lied gesungen hören wollen, klicken Sie ✺hier einmal Hannes Wader an. Das Bild zeigt den dänischen Dampfer Hekla, der 1848 Theodor Olshausen von Kopenhagen nach Kiel zurückbrachte, jetzt taucht er als dänisches Kriegsschiff wieder vor Kiel auf.
Der Krieg findet, wie wir daraus schließen können, auch auf dem Wasser statt. Vor Eckernförde verlieren die Dänen die Gefion und die Christian VIII, das war selbst der Londoner Times einen Artikel wert. Und die kleine Flotte des Deutschen Bundes unter Kapitän Brommy liefert sich vor Helgoland ein Seegefecht mit den Dänen. Das Seegefecht, das unentschieden ausgeht, wird durch die englischen Kanonen auf Helgoland beendet. Man teilt den Deutschen mit, dass sie unter einer Piratenflagge segeln. In der Euphorie des Flottenaufbaus hatte die Frankfurter Bundesregierung vergessen, den Engländern mitzuteilen, dass man jetzt mit Schwarz-Rot-Gold eine neue Flagge besitzt. Brommy wird zum Admiral befördert, aber entschieden ist nichts. Der Krieg schleppt sich weiter dahin.
1850 verliert Schleswig-Holstein die Von der Tann, das einzige dampfgetriebene Kanonenboot der Flotte. Bei diesem Gefecht ist die Hekla wieder dabei gewesen. Aber auf See wird auch nichts entschieden, die Thesen von Admiral Mahan (die Wilhelm II zum Aufbau der deutschen Flotte bringen) über die Verbindung von Land- und Seestreitkräften, gelten nicht für diesen Krieg. Was der Clausewitz der See aus dem Zusammenspiel zwischen Royal Navy und Wellington in Portugal und Spanien abgeleitet hatte, funktioniert in Schleswig-Holstein nicht. Erst die Schlacht von Idstedt entscheidet alles zugunsten Dänemarks. Aber die Schleswig-Holsteinische Frage, zu der Lord Palmerston gesagt hatte: Only three people... have ever really understood the Schleswig-Holstein business—the Prince Consort, who is dead—a German professor, who has gone mad—and I, who have forgotten all about it, bleibt weiter unbeantwortet. Erst Preußen wird im Zweiten Schleswigschen Krieg bei den Düppeler Schanzen die Antwort finden. Man kann alle Fragen mit Waffengewalt beenden.
Soldaten aus aller Herren Länder finden sich in diesem seltsamen Krieg. Wie der Schotte Hugh von Halkett (der hier schon erwähnt wird), der Held von Waterloo. Der ist jetzt hannöverscher General, er wird die dänische Nachhut nach der Schlacht von Schleswig bei Oeversee schlagen. Er kennt sich in Schleswig-Holstein inzwischen aus, denn im Kosackenwinter (lesen Sie hier mehr dazu) war er fünfunddreißig Jahre zuvor schon einmal hier. Die Herrschaft der Provisorischen Regierung in Kiel ist kurz gewesen. Mit dem Vertrag von Malmö löst sie sich auf. Danach gibt es eine Gemeinsame Regierung. Aber der Krieg geht weiter. Nach der Schlacht von Idstedt (in der ein junger Mann aus meinem Heimatort zum Leutnant befördert wird) werden viele Bewohner der Herzogtümer Schleswig und Holstein auswandern, wie zum Beispiel Olshausens Gefährte Hans Reimer Clausen, der nach Amerika geht.
Karl Friedrich Lucian Samwer, der als Leutnant an der Einnahme der Festung Rendsburg teilgenommen hatte, und danach Adjutant des Prinzen von Noer war, musste 1852 nach der Restaurierung der dänischen Herrschaft Schleswig-Holstein verlassen. Nach Samwer heißt heute noch eine Straße in Kiel. Die mündet in die Bremerstraße und die Olshausenstraße. Die Olshausenstraße wiederum mündet in die Beselerallee, die wiederum in die Reventlouallee. Da sind sie in den Straßennamen alle wieder vereint. Wir haben auch für die Fregatte Gefion eine Straße. Und für den Unteroffizier Preußer, der sie in Brand schoß, natürlich auch. Die Kieler, die bei Aldi in der Preußerstraße einkaufen, werden wahrscheinlich nicht wissen, warum die Straße so heißt.
Nur der Prinz von Noer hat keine Straße. Aber dafür ziert er mit seinem Bruder in Dänemark die Böden der Pisspötte. Den Kieler Juristen Carl Rathlev kenne ich durch das Buch von Martin Rackwitz, Kieler Tagebücher aus dem Vormärz und der schleswig-holsteinischen Erhebung. Martin Rackwitz, der mal mein Student war (es ist immer schön zu sehen, dass aus denen etwas geworden ist), hat noch ein zweites Buch zu dem Thema 1848 geschrieben: Märzrevolution in Kiel 1848: Erhebung gegen Dänemark und Aufbruch zur Demokratie. Mehrere Bücher von Martin Rackwitz sind in der Reihe der Sonderveröffentlichungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte erschienen, und gestern Nacht hat er einen Vortrag gehalten. Weil die ganzen Verhandlungen ja in der Nacht vom 23. zum 24. März stattfanden.
Auf so etwas wie das Exil müssen sich diese Herren auch einstellen, die am frühen Morgen des 24. März in Kiel als Provisorische Regierung die Macht übernehmen. Vierunddreißig Jahre nach dem Kieler Frieden blickt Europa wieder einmal für einen Augenblick auf Kiel. Dies Bild stammt nicht aus dem Jahre 1848, es wurde von dem Maler Hans Olde begonnen und dann von dem Kieler Maler Julius Fürst (von dem das Landesmuseum eine bezaubernde kleine Mondnacht im Kieler Hafen besitzt) fertiggestellt. Ein halbes Jahrhundert nach dem Ereignis von 1848 gemalt, sagt das Monumentalgemälde (318 x 468 cm) wahrscheinlich mehr über den wilhelminischen Geist als über den Geist von 1848.
Das Bild fälscht auch ein klein wenig die Wirklichkeit, man hat die Herren Theodor Olshausen und Hans Reimer Clausen auf das Bild gemalt, die damals gar nicht in Kiel waren, weil sie in Kopenhagen mit dem dänischen König verhandelten. Genauer gesagt feilscht Olshausen mit Orla Lehmann, dem mächtigen Anführer der sogenannten Eiderdänen um die Frage, ob die Eider oder die Königsau die Grenze Dänemarks sein soll. Es gibt von Hans Olde noch eine zweite Version des Bildes, bei der wieder Hartwig Beseler vor dem Rathaus die Proklamation der Provisorischen Regierung verliest.
Ernstes Schweigen lag über der vielhundertköpfigen Menge, die sich der bedeutsamen Stunde wohl bewusst war... Ihrem Gefühl Ausdruck gab die Menge im Absingen des als Gebet durch die stille Nacht zum Himmel aufsteigenden Lied Schleswig-Holstein meerumschlungen. Und als wir zu der Strophe kamen, wo es heißt Gott ist stark auch mit den Schwachen, wenn sie gläubig ihm vertraun, entblößten alle ihre Häupter, hat der Chirurg Friedrich von Esmarch geschrieben. Die Erfahrungen auf den Kriegsschauplätzen werden ihn zu einem der berühmtesten Chirurgen des 19. Jahrhunderts machen. Im Krieg können Chirurgen immer lernen, das bestätigt wieder einmal den Satz, dass der Krieg der Vater aller Dinge ist.
Sie können die Proklamation hier lesen. Der Name Olshausen fehlt noch auf der Proklamation, er ist noch kein Mitglied der Regierung. Weil er, wie gesagt, noch in Kopenhagen ist, wo sein Status von Tag zu Tag zwischen Gast und Geisel wechselt. Aber dann lässt man ihn doch das Schiff nach Kiel nehmen. Der Name F. Reventlou auf der Proklamation täuscht ein klein wenig, es ist natürlich ein Friedrich Graf von Reventlou. Aber man gibt sich in diesen Tagen gerne bürgerlich. Friedrich Prinz zu Schleswig-Holstein, der neue Kriegsminister, verzichtet allerdings nicht auf seinen Titel. Der fährt gleich mit einer kleinen Truppe von Lauenburgischen Jägern, organisierten Turnern und Studenten (verstärkt durch sechzig Bauernburschen aus Segeberg, bewaffnet mit jungeichenen Knüppeln) von Neumünster mit der Eisenbahn nach Rendsburg und nimmt am frühen Morgen des 24. März die dänische Festung ein.
Es ist wirklich unheimlich praktisch, dass die Eisenbahnlinie direkt zur Festung führt. Ich glaube, dass dies das erste Mal ist, dass die Eisenbahn - also noch vor dem Krimkrieg und dem amerikanischen Bürgerkrieg - eine militärische Bedeutung im Krieg bekommt. Der Prinz zu Schleswig-Holstein ist schon einmal Gegenstand eines Posts in diesem Blog gewesen (und nein, ich habe die Geschichte mit den dänischen Pisspötten da natürlich nicht ausgelassen), deshalb belassen wir es hier einmal bei der kurzen Schilderung dieses Überraschungscoups, der keine Toten oder Verletzten fordert. Die Mannschaften schließen sich nach einer flammenden Rede des Prinzen der schleswig-holsteinischen Sache an, manche Offiziere schließen sich dem Prinzen an. Aber die meisten fühlen sich durch ihren Fahneneid gebunden und treten die Reise nach Kopenhagen an.
Aber glaubt man am 24. März 1848 in Kiel wirklich, dass Dänemark das so hinnimmt? Glaubte man 2014 in Kiew, dass Putin bei all dem ruhig zuschaut? Wenige Wochen nach der Proklamation der Provisorischen Regierung ist Krieg. Die deutsche Revolution von 1848 hat kein gutes Ende: Das war ’ne heiße Märzenzeit, Trotz Regen, Schnee und alledem! Nun aber, da es Blüthen schneit, Nun ist es kalt, trotz alledem! Wenn Sie Freiligraths Lied gesungen hören wollen, klicken Sie ✺hier einmal Hannes Wader an. Das Bild zeigt den dänischen Dampfer Hekla, der 1848 Theodor Olshausen von Kopenhagen nach Kiel zurückbrachte, jetzt taucht er als dänisches Kriegsschiff wieder vor Kiel auf.
Der Krieg findet, wie wir daraus schließen können, auch auf dem Wasser statt. Vor Eckernförde verlieren die Dänen die Gefion und die Christian VIII, das war selbst der Londoner Times einen Artikel wert. Und die kleine Flotte des Deutschen Bundes unter Kapitän Brommy liefert sich vor Helgoland ein Seegefecht mit den Dänen. Das Seegefecht, das unentschieden ausgeht, wird durch die englischen Kanonen auf Helgoland beendet. Man teilt den Deutschen mit, dass sie unter einer Piratenflagge segeln. In der Euphorie des Flottenaufbaus hatte die Frankfurter Bundesregierung vergessen, den Engländern mitzuteilen, dass man jetzt mit Schwarz-Rot-Gold eine neue Flagge besitzt. Brommy wird zum Admiral befördert, aber entschieden ist nichts. Der Krieg schleppt sich weiter dahin.
1850 verliert Schleswig-Holstein die Von der Tann, das einzige dampfgetriebene Kanonenboot der Flotte. Bei diesem Gefecht ist die Hekla wieder dabei gewesen. Aber auf See wird auch nichts entschieden, die Thesen von Admiral Mahan (die Wilhelm II zum Aufbau der deutschen Flotte bringen) über die Verbindung von Land- und Seestreitkräften, gelten nicht für diesen Krieg. Was der Clausewitz der See aus dem Zusammenspiel zwischen Royal Navy und Wellington in Portugal und Spanien abgeleitet hatte, funktioniert in Schleswig-Holstein nicht. Erst die Schlacht von Idstedt entscheidet alles zugunsten Dänemarks. Aber die Schleswig-Holsteinische Frage, zu der Lord Palmerston gesagt hatte: Only three people... have ever really understood the Schleswig-Holstein business—the Prince Consort, who is dead—a German professor, who has gone mad—and I, who have forgotten all about it, bleibt weiter unbeantwortet. Erst Preußen wird im Zweiten Schleswigschen Krieg bei den Düppeler Schanzen die Antwort finden. Man kann alle Fragen mit Waffengewalt beenden.
Soldaten aus aller Herren Länder finden sich in diesem seltsamen Krieg. Wie der Schotte Hugh von Halkett (der hier schon erwähnt wird), der Held von Waterloo. Der ist jetzt hannöverscher General, er wird die dänische Nachhut nach der Schlacht von Schleswig bei Oeversee schlagen. Er kennt sich in Schleswig-Holstein inzwischen aus, denn im Kosackenwinter (lesen Sie hier mehr dazu) war er fünfunddreißig Jahre zuvor schon einmal hier. Die Herrschaft der Provisorischen Regierung in Kiel ist kurz gewesen. Mit dem Vertrag von Malmö löst sie sich auf. Danach gibt es eine Gemeinsame Regierung. Aber der Krieg geht weiter. Nach der Schlacht von Idstedt (in der ein junger Mann aus meinem Heimatort zum Leutnant befördert wird) werden viele Bewohner der Herzogtümer Schleswig und Holstein auswandern, wie zum Beispiel Olshausens Gefährte Hans Reimer Clausen, der nach Amerika geht.
Karl Friedrich Lucian Samwer, der als Leutnant an der Einnahme der Festung Rendsburg teilgenommen hatte, und danach Adjutant des Prinzen von Noer war, musste 1852 nach der Restaurierung der dänischen Herrschaft Schleswig-Holstein verlassen. Nach Samwer heißt heute noch eine Straße in Kiel. Die mündet in die Bremerstraße und die Olshausenstraße. Die Olshausenstraße wiederum mündet in die Beselerallee, die wiederum in die Reventlouallee. Da sind sie in den Straßennamen alle wieder vereint. Wir haben auch für die Fregatte Gefion eine Straße. Und für den Unteroffizier Preußer, der sie in Brand schoß, natürlich auch. Die Kieler, die bei Aldi in der Preußerstraße einkaufen, werden wahrscheinlich nicht wissen, warum die Straße so heißt.
Nur der Prinz von Noer hat keine Straße. Aber dafür ziert er mit seinem Bruder in Dänemark die Böden der Pisspötte. Den Kieler Juristen Carl Rathlev kenne ich durch das Buch von Martin Rackwitz, Kieler Tagebücher aus dem Vormärz und der schleswig-holsteinischen Erhebung. Martin Rackwitz, der mal mein Student war (es ist immer schön zu sehen, dass aus denen etwas geworden ist), hat noch ein zweites Buch zu dem Thema 1848 geschrieben: Märzrevolution in Kiel 1848: Erhebung gegen Dänemark und Aufbruch zur Demokratie. Mehrere Bücher von Martin Rackwitz sind in der Reihe der Sonderveröffentlichungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte erschienen, und gestern Nacht hat er einen Vortrag gehalten. Weil die ganzen Verhandlungen ja in der Nacht vom 23. zum 24. März stattfanden.
Die schleswig-holsteinische Erhebung ist Teil der 1848er Revolution in Deutschland. Die provisorische Regierung wird die Presse-, Meinung-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit festschreiben. Aber das wird nicht lange halten, drei Jahre später ist das Land wieder Teil des dänischen Gesamtstaates. Treårskrigen (Drei Jahres Krieg) haben die Dänen den Krieg genannt. Der nächste Krieg 1864 wird noch kürzer, der dauert nur ein halbes Jahr.
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