Am 14. Juni 1848 hat die deutsche Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche beschlossen, dass man eine Reichsflotte haben müsse. Nicht aus den Gründen, aus denen ➱Wilhelm II eine Flotte haben wollte, sondern wegen der Dänen. Mit denen ist man im Krieg, und die Dänen haben eine Flotte und blockieren die deutschen Häfen (wie hier 1848 in Kiel).
Wir können nichts dagegen machen, weil wir ja keine Flotte haben. Aber zwei Jahre nach dem Beschluss der Nationalversammlung haben wir dann doch eine Reichsflotte. Hier schwimmt sie vor Bremerhaven, von links: Deutschland, Hamburg, Bremen, Lübeck, Barbarossa, Der Königliche Ernst August, Hansa. Die Barbarossa war das Flaggschiff des Admirals, der sich in Griechenland hatte beurlauben lassen.
Wenn man gegenüber dem Haus eines Reichshandels- und Marineministers wohnt, dann wächst man mit der Reichsflotte auf, vor allem, wenn der Opa ein pensionierter Lehrer ist. Die deutsche Reichsflotte hatte kein langes Leben. Vier Jahre nach dem Gründungsbeschluss von 1848 wird ihre Auflösung beschlossen, viele Einzelstaaten sind nicht mehr bereit, sie zu finanzieren. Und Preußen will längst unter dem Prinzen Adalbert eine eigene Flotte aufbauen. Die deutsche Flotte kommt unter den Hammer. Mit dem Verkauf hat der Bund einen Mann beauftragt, der nun wirklich keinen guten Ruf hat, einen gewissen Laurenz Hannibal Fischer.
Den ehemaligen Regierungspräsidenten des Fürstentums Birkenfeld hatte der Großherzog von Oldenburg 1848 gefeuert, der versteckte Fürstenhund und Reaktionär reinsten Wassers war nicht mehr tragbar. Wie er die Stellung als Bundescommissär für die Auflösung der Flotte bekommen hat, weiß niemand so genau. Gegen seine Entlassung wird er eines Tages mit einer Schrift protestieren, die einen barocken Titel hat: Ehren- und Rechts-Vertheidigung des Fürstl. Lippischen wirklichen Geheimenrathes, Ritter des Koeniglich preussischen roten Adlerordens zweiter Klasse Laurenz Hannibal Fischer gegen die grossherzogl. Oldenburgische Regierung wegen verhängter Entfernung aus seiner gesetzlichen Heimath, Gehalts-Verkürzung, Dienstentsetzung, Pensionsentziehung und Verlustigung seiner Capitularstelle nebst der damit verbundenen Ordens-Präbende.
Im Lamentieren ist er immer gut, der Flotten-Fischer. Diesen Namen bekommt er jetzt noch zu dem versteckten Fürstenhund und dem Reaktionär reinsten Wassers hinzu. Er hat sich das redlich verdient. Er zertrampelt das zarte Pflänzchen, das die 48er Revolution hervorgebracht hatte. Wir können uns das heute kaum vorstellen, dass viele damals die Reichsflotte als ein revolutionäres Projekt empfanden. Der junge ➱Adolph Bermpohl, der eines Tages die ➱Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger gründen wird, ist mit fünfzehn von zu Hause weg, er will bei der Revolution dabei sein. Und auch das Gedicht, das Hermann Allmers nach dem Tode von Brommy für den Grabstein schreiben wird, enthält noch etwas vom Geist von 1848:
Karl Rudolf Brommy ruht in diesem Grabe
Der ersten deutschen Flotte Admiral
Gedenkt des Wackren und gedenkt der Tage,
An schöner Hoffnung reich und bittrer Täuschung.
Fischer wickelt die deutsche Flotte ab. Auf der vor Brake liegenden Deutschland kommt jetzt alles unter den Hammer. Zuallerletzt ein Holzsarg. Fischer hat für nichts Respekt, die Ankerkette des des dänischen Linienschiffs, das 1849 vor ➱Eckernförde von den deutschen Batterien in Brand geschossenen wurde, galt der deutschen Marine als ein Symbol des Sieges. Fischer verkauft sie als Alteisen. Er hätte wahrscheinlich auch die Flagge des Flaggschiffs Barbarossa verkauft, aber die hatte Brommy mit nach Hause genommen. Sieben Jahre später wird sie seinen Sarg bedecken.
Friedrich Rückert schreibt in seinen ➱Kampfliedern für Schleswig- Holstein: O Hannibal, verrufner Fischer, Mein Hildburghausen schämt sich deiner; Du zeigtest dich verrätherischer Als gegen uns der Dänen einer... Und der Zoologe Ernst Haeckel notiert in seinen Italienbriefen im Mai 1859: ... Gestern morgen hatten wir an der S. Lucia ein prächtiges Schauspiel. Wir waren früh eben vom Baden zurückgekehrt, als wir sechs mächtige Dampfschiffe nebeneinander am Horizont bemerkten, welche sich rasch näherten und um 9 Uhr hier einliefen. Es waren sechs große Kriegsschiffe der englischen Marine, darunter das größte derselben, "Marlborough", mit 131 Kanonen, eine wahre kolossale schwimmende Festung, gegen die alle andern Fahrzeuge wie schwimmende Zwerge aussahen. Das Schauspiel der Einfahrt in den Golf war ganz prächtig, wie sich die Schiffe, in eleganter Bogenlinie an der Breite des Hafens herumfahrend und sich präsentierend, dann gegenüber der S. Lucia vor Anker gingen und nun die übliche Salutkanonade begann, die, da das Admiralsschiff den Admiral an Bord hatte, besonders glänzend ausfiel.
Zuerst feuerte das Admiralsschiff seine mächtigen Salven, dann eines der Schiffe nach dem andern; hierauf wurde das Feuer von den Hafenbatterien, den Kastels und sämtlichen im Hafen liegenden neapolitansichen Kriegsschiffen, Fregatten, zuletzt auch von der amerikanischen Fregatte erwidert. Es war ein prächtiger Anblick, als die mächtigen Dampfwolken sich auf den dunkelblauen Spiegel lagerten und dann langsam und feierlich an den Bergen hinaufstiegen. Gestern und heute habe ich mich nicht genug an dem prächtigen Anblick der im Kreis grade vor der S. Lucia liegenden und von meinem Fenster aus bequem sichtbaren Kriegsdampfer erfreuen können. Heut nachmittag bin ich bei sehr hochgehender See in einer kleinen Barke zwischen ihnen herumgefahren und ihre kolossale Größe von außen bewundert. Wie würde mir das Herz schlagen, wenn das eine deutsche Flotte wäre!! O, Hannibal Fischer! - . . .
Zuerst feuerte das Admiralsschiff seine mächtigen Salven, dann eines der Schiffe nach dem andern; hierauf wurde das Feuer von den Hafenbatterien, den Kastels und sämtlichen im Hafen liegenden neapolitansichen Kriegsschiffen, Fregatten, zuletzt auch von der amerikanischen Fregatte erwidert. Es war ein prächtiger Anblick, als die mächtigen Dampfwolken sich auf den dunkelblauen Spiegel lagerten und dann langsam und feierlich an den Bergen hinaufstiegen. Gestern und heute habe ich mich nicht genug an dem prächtigen Anblick der im Kreis grade vor der S. Lucia liegenden und von meinem Fenster aus bequem sichtbaren Kriegsdampfer erfreuen können. Heut nachmittag bin ich bei sehr hochgehender See in einer kleinen Barke zwischen ihnen herumgefahren und ihre kolossale Größe von außen bewundert. Wie würde mir das Herz schlagen, wenn das eine deutsche Flotte wäre!! O, Hannibal Fischer! - . . .
Hannibal Fischer, der die Flotte weit unter Wert verramscht hat (zwei Fregatten sichert sich Preußen, das jetzt eine eigene Flotte aufbaut), wird im Juli 1853 als Bundeskommissar entlassen. Er sieht sich als Märtyrer, wie er mit seinem Buch Politisches Martyrthum deutlich macht. Wie sein Martyrium ausgesehen hat, können Sie hier in der Zeitschrift ➱Die Gartenlaube nachlesen. Die Redaktion fühlte sich bemüßigt, das nölende Lamentieren mit einem ganz wunderbaren Zusatz zu versehen: Wir entnehmen diese Skizze dem soeben unter dem Titel: Politisches Martyrthum, eine Kriminalgeschichte mit Aktenstücken, erschienenen Buche des durch seine koburger Gefangenschaft neuerdings wieder oft besprochenen einstigen Flottenauctionators und weiland lippe’schen Staatsmininster Hannibal Fischer. Wie weit die hier mitgetheilten Thatsachen auf Wahrheit beruhen, wollen und können wir nicht untersuchen, eben so wenig, wie wir den Standpunkt und die oft kläglichen politischen Auslassungen des Verfassers einer Kritik unterwerfen mögen, die z. B. das sogenannte politische Maryrthum dieses Mannes in einer für ihn sehr unangenehmen Weise beleuchten würde, jedenfalls sind aber die Mittheilungen nicht ohne Interesse und geben ein ganz hübsches Bild jüngstvergangener vaterländischer Zustände. D. Redakt.
Das klingt sehr aktuell. Wenn wir das ein klein wenig umschreiben, können wir es auch auf ➱Alexander Gauland beziehen.
Noch mehr zu dem Thema Reichsflotte finden Sie in den Posts: Admiral Brommy, Arnold Duckwitz, Hermann Allmers, Farbsymbolik, Friedrich von Noer, Provisorische Regierung, Admiral Thomas Cochrane, Adolph Bermpohl, Unsere Marine, Min Jehann, Hochwasser, Sommer in Lesmona
Das klingt sehr aktuell. Wenn wir das ein klein wenig umschreiben, können wir es auch auf ➱Alexander Gauland beziehen.
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