Sonntag, 30. Mai 2010

Admiral Brommy


Was steigt denn da am Horizont für'n schwarzer Rauch empor? Das ist des Kaisers Segelyacht, die stolze Meteor, dichtete man vor hundert Jahren an der Küste. Ja, unser Kaiser und sein Flottenwettrüsten. Weil er eine Kaiserliche Marine haben wollte, so wie die Engländer eine Royal Navy haben. Die Royal Navy hat England groß gemacht, 1588 die spanische Armada geschlagen, im 18. Jahrhundert die halbe Welt erobert. Eine Royal Army haben die Engländer nicht, seit sie die Demokratie erfunden haben, achten sie argwöhnisch darauf, dass der Monarch keine Armee hat. Wenn das englische Parlament dem Verteidigungshaushalt nicht zustimmen würde, wäre die englische Army aufgelöst. Aber die Navy, die ist royal, und die Flotte rules the waves.

So etwas möchte Willem auch haben, seit der Admiral Mahan die Bedeutung von See- und Landstreitkräften am Beispiel von Wellingtons Spanienfeldzug verdeutlicht hat. Also wird Wilhelmshaven (vulgo Schlicktown) gebaut und das verschlafene Kiel wird zur Marinestadt. Und die Sektsteuer wird erfunden, für die Finanzierung der Schlachtschiffe. Wir haben keine Schlachtschiffe mehr, und wir brauchen auch nicht mehr die Preußen durchzufüttern, aber die Sektsteuer haben wir immer noch. Denken Sie mal dran, wenn Sie eine Bouteille Heidsieck oder Pommery & Greno aufmachen (ich erwähne diese beiden Marken nicht, weil ich mit denen einen Werbevertrag habe, sondern weil sie 1905 in Bremen dem Kaiser während eines Festessens serviert wurden). Unsere Flotte verteidigt unsere Freiheit am Horn von Afrika, fragen Sie jetzt nicht nach dem Wie und Weshalb oder nach der Begründung der Sektsteuer. Am Horn von Afrika schwimmt alles, was einsatzfähig ist, der Rest rottet auf Reede. Kann nicht repariert werden, weil die Marine kein Geld hat. Schreiben alle Zeitungen in diesen Tagen.

Brauchen wir überhaupt eine Marine? Wir sind jahrhundertelang ohne sie ausgekommen. Es würde ja ausreichen, wenn wir eine Küstenwache hätten. Vor Willems Großmannssucht hatten wir nur zweimal eine Marine. Einmal zur Zeit des Großen Kurfürsten, und das zweite Mal unter Admiral Brommy. Den kennen Sie jetzt nicht? Der ersten deutschen Flotte Admiral, wie Hermann Allmers für seinen Grabstein gedichtet hat? Also ich kenne ihn von klein auf, weil der Mann, der Brommy als Befehlshaber der ersten deutschen Flotte nach Deutschland geholt hatte, mal im 19. Jahrhundert bei uns gegenüber gewohnt hat. Eine riesige Gedenktafel erinnerte an den Gründer der deutschen Reichskriegsflotte.

Auf jeden Fall solange, bis der Besitzer des Hauses den Landsitz des Bremer Bürgermeisters und deutschen Handelsministers Arnold Duckwitz aus dem 19. Jahrhundert abreißen ließ (das hier ist jetzt das einzige Bild der Villa im Internet). Stand zwar unter Denkmalschutz, aber wen kümmert das? Das verschiebt den Baubeginn um ein Jahr, und die Konventionalstrafe wird auf die Mieten in den beiden potthäßlichen Neubauklötzen aufgeschlagen, die anstelle des schönen Landhauses nun das Weserufer verunzieren. Später hat sich der Mann, der das Duckwitzsche Anwesen zerstört hat, als Bremens größter Kunstförderer und Retter der nach dem Krieg in die Sowjetunion gelangten Bilder der Bremer Kunsthalle inszeniert.

1848 schreibt Duckwitz an den königl. griechischen Marinekapitän Herrn Brommy einen Brief, die Bildung einer deutschen Kriegsmarine betreffend. Er bietet ihm im Namen der provisorischen Frankfurter Bundesregierung das Oberkommando an. Erst einmal mit dem Rang eines Kapitän zur See, zum Admiral kann man ja schlecht jemanden machen, wenn die Flotte noch kein einziges Schiff hat. Der in Anger bei Leipzig geborene Carl Rudolph Bromme hat seinen Beruf richtig gelernt, Hamburger Navigationsschule, dann auf Hamburger Seglern, danach in der amerikanischen Handelsmarine. Jetzt ist er offiziell noch bei der griechischen Marine, obgleich er nach der Revolution von 1843 auf Halbsold gesetzt ist. Als er da 1827 als Leutnant anfing, hatte er noch unter dem sagenumwobenen Lord Cochran gedient, der das Vorbild für die Seeromane von C.S. Forester und Patrick O'Brian gewesen ist.

Als er bei der amerikanischen Marine war, hat Bromme seinen Namen in Brommy geändert, das klingt richtig englisch. Und unter dem Namen ist auch 1848 sein Buch Die Marine erschienen, das im 19. Jahrhundert ein viel gelesenes Standardwerk wurde. Man kann es als Reprint heute immer noch kaufen. Der Seezeugmeister der Nordsee, so sein offizieller Titel, baut für den Deutschen Bund in kürzester Zeit eine kleine Flotte auf. Die Schiffe werden aus England gekauft, Marineoffiziere und Unteroffiziere werden aus Amerika, England und Belgien angeworben. Die Mannschaften kommen aus Deutschland, nachdem man ihnen versichert hat, dass der Dienst in der Flotte des Bundes auf die Zeit der Wehrpflicht angerechnet wird. Es wird 1849 auch eine kleine Seeschlacht mit den Dänen vor Helgoland geben, die allerdings mit Abukir oder Trafalgar nicht zu vergleichen ist.

Das Seegefecht, das unentschieden ausgeht, wird durch die englischen Kanonen auf Helgoland beendet. Man teilt den Deutschen mit, dass sie unter einer Piratenflagge segeln. In der Euphorie des Flottenaufbaus hatte die Frankfurter Bundesregierung vergessen, den Engländern mitzuteilen, dass man jetzt mit Schwarz-Rot-Gold eine neue Flagge besitzt. Der Deutsche Bund gibt sein neues Spielzeug Flotte schon 1852 auf, viele Einzelstaaten sind nicht mehr bereit, sie zu finanzieren. Und Preußen will längst unter dem Prinzen Adalbert eine eigene Flotte aufbauen. Im Juli 1852 beginnt der oldenburgische Staatsbeamte Dr. Hannibal Fischer, ein Reaktionär reinsten Wassers (so die liberale Presse), mit der Versteigerung der ersten deutschen Reichskriegsflotte. Nach einem Jahr ist er damit fertig. Der letzte Gegenstand, der unter den Hammer kommt, ist ein Holzsarg. Rudolph Brommy hatte die traurige Pflicht gehabt, all das, was er in kürzester Zeit aufgebaut hat, jetzt wieder abzuwickeln. Er tut das mit peinlich genauer Pflichterfüllung, kümmert sich noch um das Wohlergehen des letzten Matrosen. Aber die Flagge von seiner Barbarossa, die gibt er nicht zurück, die behält er. Sieben Jahre später wird sie seinen Sarg bedecken.

Man befördert Brommy zum Contre-Admiral, zahlt ihm eine Abfindung von 2.500 Talern und setzt ihm eine kleine Pension aus. Aber er hat reich geheiratet und verbringt seinen Lebensabend in einer Villa an der Lesum. Da gibt es am Lesumufer heute noch einen Admiral Brommy Weg. Wäre Brommy ein Engländer gewesen, es gäbe Bücher und Romane über ihn, die Engländer lieben ihre Seehelden. Aber hierzulande gibt es so gut wie nichts, außer einem kleinen netten Büchlein eines Amateurhistorikers namens Claus Uhlrich. Der überzeugte Demokrat Brommy wird nicht zu einem deutschen Helden. Für den Marschendichter Hermann Allmers, der auch ein alter 48er Revolutionär ist, ist Brommy aber ein zu Unrecht vergessener Held. Und so sorgt er nach Brommys Tod für ein Ehrenmal, auf dem seine Verse stehen:

Karl Rudolf Brommy ruht in diesem Grabe
Der ersten deutschen Flotte Admiral
Gedenkt des Wackren und gedenkt der Tage,
An schöner Hoffnung reich und bittrer Täuschung,
Und - welche Wendung dann durch Gottes Fügung.

Die letzte Zeile, aus der sich die Wandlung des 48er Revolutionärs Allmers zum Bismarckanhänger ablesen lässt, hatte Allmers erst nachträglich hinzugefügt. Eigentlich sollte das kleine Gedicht mit der Erinnerung an die Revolution, an schöner Hoffnung reich und bittrer Täuschung, enden. 150 Jahre ist Carl Rudolph Brommy nun tot, aber so weit ich sehen kann, hat es keine großen Gedenkfeiern gegeben. Als Admiral Nelson 200 Jahre tot war, wurde das in England mit einer großen Zeremonie gefeiert (➱BBC). So etwas kriegen wir hier nicht hin, wahrscheinlich hat der Verteidigungsminister Herr von und zu Guttenberg von dem Demokraten Brommy noch nie etwas gehört. Hätte er wirklichen Stil und nicht nur stilvolle Anzüge, dann hätte er am 9. Januar einen Gedenkkranz unter Allmers' Verse gelegt.

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