Freitag, 28. Juli 2023

Norbert Schwontkowski


Ich weiß nicht, warum der Rainer Gröschl hier noch nie im Blog aufgetaucht ist. Eine Freundin hatte uns miteinander bekannt gemacht, dann hatte ich ihn aus den Augen verloren. Viele Jahre später sprach mich jemand im Supermarkt von der Seite an und sagte: Sie sind doch Jay, der Anglist. Ich drehte mich um, es war Rainer Gröschl, mir fiel sofort die Begegnung von damals wieder ein. Wir redeten vor der Salattheke eine halbe Stunde miteinander. Dass Rainer Gröschl Maler war, das wusste ich noch, aber jetzt erfuhr ich, dass er auch eine Galerie aufgemacht hatte. Ich stehe mittlerweile bei ihm auf der Adressliste und erfahre immer, was es gerade Neues gibt. Und das Neueste war dieses hier, diese Birke ist aus der gerade laufenden Ausstellung, die Verbeugung heißt. Die Birke hat mich ungeheuer fasziniert.

Der Maler Norbert Schwontkowski hat seltsame Dinge gemalt, es ist eine gegenständliche Malerei mit seltsamen, undefinierbaren Räumen, die immer ein wenig geheimnisvoll sind. Immer ist ein wenig Surrealismus in seinen Bildern. Manchmal ähneln seine Himmel dem Himmel von Richard Oelzes Bild Erwartung. Schwontkowski war als Künstler immer anerkannt, aber jetzt zehn Jahre nach seinem Tod scheinen die Preise zu explodieren. 

Das Auktionshaus Ketterer nennt ihn den großen Poeten der zeitgenössischen figurativen Malerei, die müssen so etwas schreiben, an Poeten der Malerei kann man etwas verdienen. Dieses Bild heißt Am Meer, wahrscheinlich es die moderne Version von Caspar David Friedrichs Mönch am Meer. Norbert Schwontkowski kam aus Bremen, genauer gesagt aus Blumenthal. Den Nachbarort kenne ich, weil meine Oma da wohnte. Und Tante Tilla mit meiner Cousine Hannelore. Und mein Vater hatte da mal seine Praxis, als die Amerikaner noch in unserem Haus waren. Schwontkowski hätte ich kennen können, habe ihn aber nie gekannt. Der einzige Maler aus Blumenthal, den ich kannte, war Willi Vogel. Der hat hier schon einen vielgelesenen Post. 

Aber zwischen dem Amateurmaler Willi Vogel, den ein Kritiker mal wohlwollend als den letzten Worpsweder bezeichnet hat, und Norbert Schwontkowski liegen Welten. Schwontkowski hat an den Kunsthochschulen von Bremen und Hamburg studiert. Mein Freund Uwe, der Kunstprofessor in Bremen war, hat ihn wahrscheinlich gekannt. Die erste Einzelausstellung hatte der junge Maler 1973 in der Kunstschau Böttcherstraße im Paula Becker-Modersohn Haus. Ein Jahr später war er schon in der Kunsthalle Bremen vertreten. Wo er 2004 eine große Ausstellung mit dem Titel Kino hatte, dies hier ist das Cover des Katalogs. Das war, sagen die Kritiker, sein großer Durchbruch, jetzt nahm man ihn auch außerhalb Deutschlands wahr. Galerien wie die Berliner Contemporary Fine Arts und die New Yorker Mitchell-Innes & Nash nahmen seine Bilder in ihr Angebot. 

Die Kunsthalle Bremen widmete ihm vor drei Jahren eine Gedenkausstellung mit dem Titel Some of my Secrets. Wenn Sie diese Seite anklicken, gibt es da auch einen kurzen Film über den Künstler zu sehen. Die Bremer Ausstellung wanderte weiter zu den Brandenburgischen Kunstsammlungen in Cottbus und zu der Kunsthalle Erfurt. Dieses Bild heißt Hochwasser. Hat sich der Maler an das Hochwasser der Weser von 1962 erinnert? Das kann er in Blumenthal ja noch erlebt haben.

Schwontkowski hatte immer Sammler, einer war der Proust Experte Reiner Speck, der auch schmales Buch über den Maler verfasst hat. Der wichtigste Förderer in Schwontkowskis Heimatstadt Bremen war Udo Seinsoth, der ein Antiquariat und eine Galerie hatte. Den habe ich gekannt, der taucht in diesem Blog schon in dem Post Uli Becker auf, weil er eine Festschrift für den Dichter Rolf Dieter Brinkmann herausgegeben hat. Die Bremer Weserburg besitzt seit 2019 über zweihundert Werke von Schwontkowski aus der Sammlung Brigitte und Udo Seinsoth. Damit haben sie wahrscheinlich die größte Sammlung des Künstlers, die jetzt mit ständig wechselnden Exponaten gezeigt wird. 2019 wurde auch ein Teil der Sammlung im Worpsweder Barkenhof unter dem Titel visuel poetry gezeigt.

Ein Element seiner Bilder, das sich nicht überall findet, ist Schwontkowskis subtiler Humor. Die Süddeutsche begann ihre Besprechung der Bremer Ausstellung im Jahre 2020 mit den Worten Ein Weiser mit Humor. Ich finde diese Darstellung des Papstes, der einsam in einer eher unheimlichen Landschaft neben seinem Papamobil sitzt, unnachahmlich. Es ist ein Bild eines gläubigen Katholiken; bevor Schwontkowski zu malen behann, wollte er Pfarrer werden. Ein Gemälde von Fra Angelico hat ihn dazu gebracht, Maler zu werden: Ich habe die Bilder früher immer gesehen, aber ich habe sie nicht erkennen können. Irgendwann, da war ich ja schon älter, da hatte ich das Gefühl, es geht ein Lichtschalter an; als ich Fra Angelico gesehen habe, da dachte ich, ich kann alles, ich begreife es, jetzt weiß ich es.

Dieses Bild (Unser kosmisches Leben) zierte den Hamburger Schwontkowski Katalogs von 2013, ein farbiges Wimmelbild von Wörtern und Begriffen. Blind Man's Faith hieß die Hamburger Ausstellung. Ebenso rätselhaft war ein anderes Bild in der Ausstellung Wie die Herde zusammenhalten, wie den Tieren die Wolle nehmen, das einen scheinbar kopflosen Schäfer vor einer Herde von Schafen zeigt, die alle mit den Namen von Malern wie Bosch, Bruegel Goya, Giotto und Vermeer beschriftet sind.  Kurz nach der Ausstellung ist Schwontkowski im Alter von vierundsechzig Jahren gestorben.

Die Ausstellung von Rainer Gröschl bringt Bilder von Norbert Schwontkowski zusammen mit Bildern von seiner Schülerin Miwa Ogasawara, die viel von ihrem Lehrer gelernt hat. Die malerische Welt der in Hamburg lebenden Japanerin ist meistens grau, Schwontkowski kann auch farbig. Dieses Bild hier ist noch einmal ein Schwontkowski, es wurde bei Van Ham für 38.700 Euro verkauft, aber es gibt auch schon Bilder des Malers im sechstelligen Bereich. Die Ausstellung Verbeugung wäre am 30. Juli zuende gewesen, aber Rainer Gröschl hat sie noch eine Woche verlängert. Jetzt ist am 6. August Schluss, da gibt es um 16 Uhr als Finissage noch ein Gespräch mit Miwa Ogasawara  und dem Kunstammler Thomas Kersig, der auch der Ehrenvorsitzende des Stifterkreises der Kunsthalle Kiel ist.

Die Galerie RAINER GRÖSCHL ist in der Holtenauer Straße 59 24105 Kiel Öffnungszeiten: Fr. + Sa. 12:00 bis 20:00 Uhr Sonntag 11:00 bis 15:00 Uhr

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