Die Chinesen vermeiden das Wort Fälschung; auch das Wort Nachtauslage, das früher mal Fälschungen bezeichnete, hat keine Konjunktur mehr. Das neue Modewort heißt Hommage, eine etwas zynische Umwertung der eigentlichen Wortbedeutung. Man baut in Shenzhen beinahe echte Rolex Uhren, schreibt aber das Wort Rolex nicht aufs Zifferblatt. Alle Rolex Modelle sind im Angebot, von der GMT bis zur Daytona. Die chinesischen Uhren, die häufig japanische Uhrwerke wie das Seiko NH35 haben, sind natürlich keine echte Konkurrenz für Rolex. Der Schweizer Massenproduzent verkauft nach wie vor eine Million Uhren im Jahr. Sehr viele nach China. In Rolex Uhren sind keine chinesischen Teile, in anderen Schweizer Markenuhren aber schon. Uhren, die Namen von Designern wie Hugo Boss, Armani oder Diesel haben, kommen sowieso immer aus China oder Hongkong. Swiss Made darf sich nur nennen, wenn sechzig Prozent der Wertschöpfung und die Endmontage in der Schweiz anfallen. Aber der Begriff ist dehnbar, ebenso wie der Made in Italy Begriff. Für Edelstahlarmbänder gilt die Swiss Made Regel nicht, die können ganz aus China kommen, um Swiss Made zu sein. Ich weiß nicht, wer den Begriff Swiss Made in China erfunden hat, aber der beschreibt die Lage. Der größte Schweizer Uhrenhersteller, die Swatch Group, hatte von 1996 bis 2005 eine Firma in Shenzhen. Offenbar ist ihnen China zu teuer geworden, sie sind jetzt in Thailand.
Die Schweiz war vor der Quarzkrise einmal das Maß der Dinge in der Uhrenwelt. Historisch betrachtet ist sie das allerdings noch nicht so lange gewesen. Als Eduard Favre-Perret 1876 im offiziellen Auftrag der Schweizer Uhrenindustrie die Ausstellung zur 100-Jahrsfeier der Unabhängigkeitserklärung in Philadelphia besucht, kann er die Taschenuhren der Firma Waltham nur in den höchsten Tönen loben. Nach unbestätigten Angaben soll die Schweizer Delegation kreidebleich aus dem Saal gewankt sein, in dem Waltham seine Tagesproduktion von 2.000 Uhren präsentierte. Favre-Perret wird einen aufrüttelnden, warnenden Bericht an die Schweizer Industrie verfassen, in dem er sagt, dass die durchschnittliche amerikanische Taschenuhr besser sei als 50.000 Schweizer Uhren.
In die Schweiz kaufen sich chinesische Firmen gerne ein, die China Haidian erwarb in den letzten Jahren die Firmen Eterna, Corum und Rotary. Es ist noch nicht ganz klar, was sie damit wollen. Gewinne werfen diese Firmen nicht ab. Viele Firmen lassen in China Uhren produzieren, weil es billig ist. Selbst die japanischen Giganten Seiko und Citizen lassen ihre Quarzwerke in China produzieren. Vierzig Prozent der chinesischen Uhrenexporte gehen auf japanische Hersteller zurück, steht in der Neuen Zürcher. Vielleicht ist ja auch ein bisschen Japan in meiner Parnis. Erstmal läuft die Uhr, die nach viel mehr aussieht, sehr gut; ich trage sie noch eine Woche, dann kommt wieder eine Schweizer Uhr an den Arm. Also so eine, in der garantiert nichts Chinesisches ist.
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