Wer die Mods waren, das weiß ich. Das ist ein Begriff, mit dem ich etwas anfangen kann. Sie sahen ungefähr so aus, wenn sie nicht auf ihrer Vespa oder Lambretta saßen und die elegante Kleidung unter einer Parka versteckten. Sie sind auch schon hier in diesem Blog aufgetaucht, zum Beispiel in den kulturhistorischen Posts Notting Hill, Teddy Boys und Today there are no gentlemen. Wenn Sie noch mehr über dieses Spezies Engländer wissen wollen, dann lesen Sie Paul Andersons Buch Mods: The New Religion. Oder besser: Sie lesen die London Romane von Colin MacInnes (City of Spades, Absolute Beginners, Mr. Love and Justice). Da pulst das Leben in Notting Hill.Von Jazz, Rock'n Roll, von italienischen Vespas und italienischen Anzügen ist die Rede, diese ganze Mod Subkultur war gerade im Entstehen, als Colin MacInnes seine Romane schrieb.
Das hier auf dem Bild nennen die Engländer Strand. Wir sind in Brighton in den frühen sechziger Jahren, wo sich Mods und Rocker am Wochende ✺Strandschlachten liefern. Die einen reisten mit der Lambretta an, die anderen mit dem Motorrad. Anderthalb Jahrhunderte zuvor sah das hier etwas anders aus, da war Brighton ein fashionables Seebad. Die Seebäder an der englischen Küste sind eine Sache des 18. Jahrhunderts. Lichtenberg, der sie immer wieder preist, wird sagen, dass er in Margate die gesündesten Tage seines Lebens verbrachte. Wenn Engländer einen schönen Strand sehen wollen, dann müssen sie zu einer anderen Insel, die ihnen mal gehörte. Ich habe auf der Helgoländer Düne mal einen Engländer getroffen, der hier wegen seines Heuschnupfens jedes Jahr, wenn es im UK einen hohen pollen count gab, seinen Urlaub verbrachte.
Aber von den Mods soll heute nicht die Rede sein, sondern von einem ganz anderen Phänomen, bei dem das Wort MOD vorkommt. Und das ist etwas, was eigentlich niemand braucht, Und ich meine damit nicht einmal die Computerspiele, wo man diesen Namen auch findet. Ein Freund, der mich immer mit den besten Artikeln aus dem New Yorker oder dem Smithsonian Magazine versorgt, sandte mir einen Artikel zu, der Five iconic London shops for bespoke clothing and accessories hieß. Man kennt die Firmen, die in der Savile Row, der Jermyn Street und der Burlington Arcade sitzen, aber eine Firma kannte ich nicht. Die heißt Wildman Bespoke Ltd, die ist nicht im Klamottengeschäft, aus dem man das Wort bespoke für Maßarbeit kennt, die modifizieren Luxusuhren. Und werben mit Sprüchen wie You don’t just purchase a Wildman, you commission it. Die Firma verwendet allerdings nicht das Wort modifizieren, was im Englischen modify und im Slang modding heißt. Nein, sie betreiben eine customization. Sie beschäftigen auch keine watchmakers, sondern horologists, die Firma lebt von der Übertreibung.
Man hat zwölf Rolex Modelle zur Auswahl, und dann modifiziert die Firma Wildman die nach den Kundenwünschen. Da kommt ein anderes Zifferblatt drauf, eine andere Lünette, ein anderes Band. Eine Rolex, die kein anderer hat. Das blaue Teil da oben gibt es nur bei Wildman, nicht bei Rolex. Das Ganze ist eigentlich kindisch und albern. Und es ist auch ein bisschen fraglich, wie seriös die Firma Wildman ist, die dank ihres Werbeberaters bei Facebook und im Internet überrepräsentiert ist. Angeblich hat man ein Geschäft im vornehmen Mayfair; die Firma, deren Direktor dreiundzwanzig Jahre alt ist, sitzt aber ganz woanders. In einem kaum repräsentaiven Gebäude in Uttoxeter in Staffordshire. Ich vermute mal, die Rolex Uhren werden in China veredelt. Es sind schon Wildman Replikas auf dem Markt, die kosten nur 999€.
Es geht natürlich mit der modifizierten Uhr auch billiger. Die Firma G-Modz bietet bei ebay für 249 Euro eine handbemalte Custom Mod Casio G-Shock an. Und hat dazu einen englischen Text: Elevate your wristwear with the exclusive CasiOak Dark Knight Graffiti timepiece. At G-Modz, we proudly introduce a watch meticulously crafted to embody the captivating spirit of urban elegance, featuring a captivating rainbow dial ring that adds a twist to the Dark Knight theme. Ich weiß nicht, warum das unbedingt Englisch sein muss. Die Firma sitzt nicht in London, sondern in Handewitt. Rolex Fans würden so etwas natürlich nicht kaufen. Wenn denen nach einem Dark Knight ist, dann kaufen sie sich das Rolex Modell Batman.
Es ist immer sehr komisch, wenn Luxusgüterfirmen behaupten, dass sie etwas Einmaliges produzieren. Und den Kunstcharakter ihrer Produkte vor Gericht reklamieren. Rolex hat vor Jahren einmal behauptet, dass ihre Uhren Kunstwerke seien, die nicht verändert werden dürften. Das ist eine neue Variante von Walter Benjamins Aufsatz Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Da hatten sich Rolex Besitzer bei einem Juwelier eine Diamantlünette auf ihre Rolex basteln lassen. Also das, was in Zuhälterkreisen Scherbenkranz heißt. So etwas hat Rolex auch im Angebot, ist aber woanders billiger. Bei ebay Kleinanzeigen werden diese Teile als Rolex Aftermarket angeboten. Rolex hatte diese Uhren einbehalten, als die zum Kundendienst kamen. Weil es ja Kunstwerke sind, die man nicht verändern darf. Das oberste Gericht urteilte mit gesundem Menschenverstand, dass jeder Käufer mit seiner Rolex machen kann, was er will. Er kann sie grün anmalen, wenn ihm das gefällt. Ist eine echte Alternative.
Und da wir bei der Farbe grün sind, muss ich mal eben diese goldene Rolex Daytona mit dem grünen Zifferblatt erwähnen. Ein amerikanischer Musiker namens John Mayer, der Uhren sammelt, hatte bei einem ✺Interview dieses scheußliche Teil am Arm und hatte nette Dinge über die Uhr gesagt. Und was passierte? Die Uhr wurde jetzt weltweit als John Mayer Rolex bezeichnet, und die Preise stiegen grotesk an. Man kann schon sechsstellige Summen dafür bezahlen. Dazu fällt mir jetzt wenig ein. Außer dass Mayer seine Sammlertätigkeit mit einem halben Dutzend gefälschter Rolex Uhren begonnen hatte.
Bei ebay gab es letztens ein grünes Zifferblatt, das natürlich als John Mayer Zifferblatt angeboten wurde. Steht aber Aftermarket !! dabei, das heißt, es ist nicht original. Leider habe ich verpasst, was daraus geworden ist. Die preiswerteste John Mayer Daytona kostet bei ebay 81.000 Euro, bei ebay Kleinanzeigen 77.000 Euro. Für diese Seiko Speedtimer, die aussieht wie eine Rolex, muss man nur eine dreitstellige Summe auf den Tisch legen. Ich weiß nicht, ob das eine Fälschung ist oder eine Hommage. Wir bewegen uns bei diesen Dingen auf einem Gebiet, bei dem man mit Frankieboy Sinatra Is it the good turtle soup or merely the mock? singen möchte.
Eine Modifizierung, eine kundenspezifische Anpassung von Luxusgütern, hat es schon immer gegeben. Wir kennen diesen Rolls-Royce hier, er hat einmal John Lennon gehört. Das Phantom V war ursprünglich schwarz, wurde dann ein wenig modifiziert. Rolls-Royce hat auch eine Seite in Internet, die Configure your Rolls-Royce heißt. Als Josef Abs einen Mercedes ohne Stern haben wollte, sagte der Mercedes Chef, dass kein Wagen ohne Stern die Fabrik verließe. Der bestellte Mercedes fuhr auch mit einem Stern durchs Werktor und hielt dann an. Dann kam ein Mechaniker und schraubte den Stern ab. Wem jemandem heute ein Mercedes Modell nicht passt, dann kauft er sich ein passendes Auto bei AMG. Für Kunden in den USA hat Mercedes eine Seite, die Build Your Own Car - Luxury Custom Cars heißt. Auf einer nicht so hohen automobilen Ebene, muß der Opel Manta erwähnt werden, jeder Mantafahrer modifizierte damals sein Auto. Und wenn es nur der Fuchsschwanz an der Antenne war.
Früher gab es in England ein halbes Dutzend Karosseriebauer, die einem den Rolls nach eigenen Wünschen bauten. Der Wagen, den Gulbenkian sich bei Hooper bauen ließ, ist sicher nicht jedermanns Geschmack. Der junge Michael Caine fand bei der Earls Court Motorshow ein Modell, das er haben wollte, aber er wollte es mit der Karosserie von Mulliner Park Ward haben. Das sagt er mit seinem schönsten prolligen Cockney Akzent dem Herrn am Rolls-Royce Stand und verlangt nach dessen Vorgesetzten. Er bekommt eine Abfuhr, wie nie wieder in seinem Leben: I think I can assure you myself, sir, that the Mulliner Park Ward chassis will never be available on the model you require because Mr Mulliner is dead and I am Mr Park Ward, so you are getting your information straight from the horse's mouth, as the saying goes, I think. Als er sich seinen ersten Rolls kaufte, hatte er noch keinen Führerschein, den hat er erst mit fünfzig Jahren gemacht.
Ein Freund vor mir hat seinen Rolls-Royce (British Racing Green), den er verhältnismäßig günstig bekommen hatte, zu einem Bentley umbauen lassen. Das bedeutete nicht zur die Auswechsungs des Kühlers, den Erwin Panofsky ja in einem berühmten →Aufsatz mit Palladio in Verbindung gebracht hatte, sondern auch das Auswechseln von tausend Kleinteilen, die alle RR signiert ware, Ich habe ihn nie gefragt weshalb. In manchen Kreisen gilt ein Bentley ja vornehmer als ein Rolls. Das war auf jeden Fall in meinem Heimatort die Meinung von Ernst Burmester, der die größte deutsche Yacht besaß. Die er jederzeit dem Bundespräsidenten für repräsentative Zwecke zur Verfügung stellte. Er fuhr einen schwarzen Bentley, in Hamburg könne man einen Rolls fahren, in Bremen nicht, pflegte er zu sagen.
Ich war letztens in Versuchung, diese Seiko Marine Master bei ebay zu kaufen. Der Händler hatte mir ein Sonderangebot gemacht, aber das war abgelaufen, bevor ich mich entschieden hatte. Es gibt viele solcher Uhren bei ebay und im Netz. Bei dieser stand noch MOD und Custom dabei. Nur ein einziger Händler bei ebay sagt, dass dies keine Seiko ist. Sie hat nur ein Seiko Automatikwerk NH3, ein Werk, das auch in vielen chinesischen Uhren steckt. Es ist nicht unbedingt das beste Werk von Seiko. In teuren Seiko Uhren findet sich eher das Kaliber 6R35. Den Satz Die Uhr wurde mit neuen Teilen modifiziert, sie wird nicht von Seiko hergestellt liesr man bei Händlern selten. Das Made in Germany liest man auch selten. Es bedeutet häufig Ruhla, ein Name, der in DDR Zeiten keinen guten Klang hatte. Das modding von nicht echten Seikos ist zu einem Volkssport geworden. In einem Uhrenforum liest man zu den Seiko MODs: Klar ist auch, dass diese Bastelwastel bzw. 'Mods' keine originalen Uhren mehr sind und auch die originale Gewährleistung und Garantie erlischt ,wenn da herumgebaut wird. Es gibt eine große Szene für sowas, aber außerhalb schüttelt man natürlich vielfach nur den Kopf darüber. Überwiegend sind vom Modding nur billige Modelle betroffen. Kaum einer verbastelt sich noch eine Uhr für mehrere tausend Euro.
So hat die Uhr vielleicht einmal ausgesehen, die ich in veränderter Version besitze. Es war eine Golduhr, die man in der Fernsehlotterie Ein Platz an der Sonne gewinnen konnte. Der vorige Besitzer hatte Werk und Zifferblatt entnommen und das Goldgehäuse eingeschmolzen; das ist das Schicksal von vielen Golduhren. Was übriggeblieben war, ein fabrikneues Werk (ETA 2390) und ein fabrikneues Zifferblatt, kaufte ich für fünf Euro auf dem Flohmarkt. Und bat meinen Uhrmacher, daraus eine Uhr zu machen. Er schalte das Werk in ein massives großes Edelstahlgehäuse ein. Das Glas wurde von einem goldfarbenen Sprengring gehalten, der das Gold ins Zifferblatt strahlen ließ. Die dicke Krone war auch aus Gold, es ist meine schönste Uhr geworden. Niemand hat diese Uhr außer mir. Aber ich glaube, das fällt nicht unter Modifikationen. Vielleicht ist es eine Mariage. Ein Wort, das inzwischen sogar schon Horst Lichter über die Lippen geht.
Ich komme noch einmal auf die englische Subkultur der Mods zurück. Der Name Mods war von modernists abgeleitet, nicht davon, dass sie etwas modifizierten. Aber ein modding betrieben sie doch, auch wenn es dieses Verb noch nicht gab. Diese Lambretta hier ist so nicht aus der Fabrik in Lambrate gekommen, da hat jemand ganz schön dran gearbeitet. Der scharf geschnittene Anzug des jungen Mannes neben ihm hätte heute noch Konjunktur: The whistle was correct in all details. Closing my eyes I see it now: petrol blue, wool and mohair, Italian cut, flat-fronted, side adjusters, zip fly, sixteen-inch bottoms, central vent on the jacket, flap pockets, ticket pocket, three button (only one done up of course), high-breaking, narrow lapels, buttonhole on the left, four buttons on the cuff – claret silk lining. Es ist eine untergegangene Zeit, man sieht keine Lambrettas mehr auf den Straßen, elegante Anzüge auch nicht.
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