Dass der Paketdienst der französischen Post Colissimo heißt, das wusste ich nicht. Das Wort ist gebildet aus colis, was Paket heißt, und diesem -issimo, das wir auch in fortissimo finden. Oder in Langnese Cremissimo. Ich habe gerade die Dienste von Colissimo in Anspruch genommen, und ich muss sagen, sie sind sehr schnell. Und haben eine ausgezeichnete Sendungsverfolgung. Die Sendung kam in einem Tag quer durch Frankreich, wurde an der deutschen Grenze an DPD übergeben und brauchte dann fünf Tage, bis sie mich erreichte. Das war nicht schnell, und deren Sendungsverfolgung taugte überhaupt nichts. Da ist sogar DHL besser. DPD gehört wie Colissimo der französischen La Poste, weshalb sie hier solche Schnarchsäcke sind, weiß ich nicht.
Ich hatte keine Bücher in Frankreich bestellt, auch keine CDs. Ich hatte bei einem französischen Händler, der in der Nähe von Bordeaux am Atlantik sitzt, eine Winkelhebelfeder für meine alte Movado Kingmatic bestellt. Die Uhr ist sechzig Jahre alt, aber von zeitloser klassischer Schönheit. Seit dreißig Jahren habe ich sie. Nicht mit einem Lederband wie hier, sie hat ein Millanaiseband. Von einer solchen Qualität und Geschmeidigkeit, wie ich es nie wiedergesehen habe. Der Händler hatte mir damals gesagt, dass das unsignierte Edelstahlband durchaus von Movado sein könne, er hätte diese Bänder schon mehrfach an Movado Uhren gesehen. Aber so schön die Uhr war, sie war jetzt leider ein klein bisschen kaputt. Man konnte die Zeit nicht mehr einstellten, und die Schnellschaltung für das Datum funktionierte auch nicht mehr. Ich wusste, woran es lag: die Winkelhebelfeder war gebrochen.
Die Uhr landete dank Barni beim Uhrmacher Petersen, der mir in diesem Jahr schon mehrere Uhren repariert hat. Der versuchte alles mögliche, um an eine Winkelhebelfeder für ein sechzig Jahre altes Movado Uhrwerk vom ✺Kaliber 538 zu kommen, aber der Furniturenhandel gab nichts her. Die Firma Movado, die sich irgendwann in der Quarzkrise mit der Firma Zenith zusammentat, gibt es so nicht mehr. Dieses qualitätsvolle Automatikwerk hat den für Movado typischen Rotor mit der seltsamen Form, es hat 28 Steine und eine Glucydurunruhe mit Schrauben. Und es hat als weiteren Qualitätsbeweis noch eine Breguetspirale. Die Winkelhebelfeder kann man nicht sehen, die ist auf der anderen Seite des Uhrwerks.
Movado war mal das Feinste vom Feinen. Wenn sich um 1930 Hollywoodstars zu Weihnachten eine Uhr schenkten, dann schenkten sie sich eine Movado. Vor vierzig Jahren wurde die 1881 gegründete Schweizer Firma Movado nach Amerika verkauft und hieß dann Movado Group. Die wurde durch ihre Museumsuhr berühmt und durch die Uhr, die Andy Warhol für sie entwarf. All das hatte nichts mehr mit der Qualität der alten Firma Movado zu tun. Die einmal solch schöne Uhren gebaut hat wie diese Vollkalenderuhr mit Mondphase. Meine hat knallrote Zeiger, das sieht bei einer Golduhr besser aus als die Goldzeiger. Ich ziehe die Uhr ständig auf, und sie hat mir gestern verraten, dass Vollmond ist.
Eins der begehrtesten Sammlerstücke von Movado ist diese Reiseuhr, die den Namen Ermeto hat. Sie wurde auch von Hermès in Paris verkauft. Sie sind nicht groß, man kann sie ratzfatz zusammenschieben und in die Hosentasche stecken. Diese schöne Uhr ist aus dem Jahre 1928. Ich habe leider keine, aber ich reise auch nicht so viel.
Ganz, ganz billige Uhren haben keine Winkelhebelfeder, die haben eine Wippe. Da geht nix kaputt. Aber alle anderen Uhren haben eine Winkelhebelfeder, natürlich auch die Movado Ermeto. Die Winkelhebelfeder ist von Uhr zu Uhr verschieden. Die Winkelhebelfeder einer Rolex passt nicht in eine Omega. Sie passt auch nicht in ein anderes Rolex Modell. Werkfinder für Uhren, die etwas für Fachleute sind, bilden nicht das Uhrwerk ab. Nur die Zifferblattseite, weil man da die Winkelhebelfeder sieht. Denn nur mit der kann man eine Uhr korrekt identifizieren. Und weshalb braucht man dieses Teil überhaupt? Man zieht eine Uhr an der Krone auf, wenn man die Zeit einstellen will, zieht man die Krone ein kleines Stück heraus. Und in diesem Augenblick ist die Winkelhebelfeder tätig geworden und sagt der Uhr: jetzt ist Zeigerstellung. Es sind klitzekleine Stahlteile, und wir können bei dieser Feder sehen, wo sie eines Tages brechen wird. Für geläufige Kaliber wie all die Schweizer ETA Werke, die in neunzig Prozent der Schweizer Automatikuhren drin sind, ist es kein Problem, eine neue Winkelhebelfeder zu bekommen. Aber für das Movado Kaliber 538 von 1960 ist es schon so gut wie unmöglich.
Ich hatte gerade meinen Post zum französischen Nationalfeiertag geschrieben, mit dem ich auch meinen dreitausendsten Post feierte, als ich die Idee hatte, es mal bei den Franzosen zu versuchen. Ich ließ Google Übersetzer für mich das Wort Winkelhebelfeder übersetzen und begann eine ressort de tirette im Internet zu suchen. Wurde bei der Firma Passion Chrono in Royan fündig, die hatten eine einzige. Schickte das Bild der Winkelhebelfeder an den Uhrmacher Petersen nach Flintbek. Der sagte, dass es die richtige sei. Ich bestellte sie und bekam sie dank Monsieur Emmanuel Lefebvre per Colissimo zugeschickt, velocissimo.
Sie ist jetzt in der Movado, die an meinem Arm ist, während ich das hier schreibe. Ich sollte vielleicht dazu sagen, dass dies nicht nur eine Movado Kingmatic, sondern seine Super Sub-Sea Kingmatic ist. War mal 200 Meter wasserdicht. Damals bewarb Movado diese Uhr mit einem Seemann, der batten down the hatches ruft. Was im Deutschen die Schotten dichtmachen bedeutet. Die Anzeige sollte zeigen, dass man dieser Uhr viel zumuten konnte, auch Schiffe, die in Seenot waren. Das mit der Wasserdichtheit werde ich nicht mehr ausprobieren, weder in der Nordsee noch unter der Dusche. Die Kingmatic hat mich damals zweihundert Mark gekostet, heute verlangen Händler für diese Uhr schon anderthalb tausend Euro. Alles, was ich DM-Zeiten auf dem Flohmarkt gekauft habe, könnte ich heute nicht mehr bezahlen. Ich habe das in bleibender Erinnerung, dass die Flohmarkthändler bei der Einführung des Euro eins-zu-eins umrubelten. Aber was soll man machen als Sammler, es wird ja alles teurer.
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