Mittwoch, 3. August 2016

Danke, Google


Ich hatte gestern Besuch von meinem Freund Tony. Tony ist Engländer, aber über den Brexit haben wir kaum geredet. Tony könnte der typische ➱Engländer sein: Public School, Cambridge, Leutnant in der englischen Armee etc, aber der Tony ist alles andere als der typische Engländer. Er hat mal eben ganz schnell auf meinem ➱Klavier Good Save the Queen mit zwei Fingern gespielt. Das war sehr ironisch. Vor beinahe einem halben Jahrhundert hat er mich schwer beeindruckt, weil er ohne Noten schwierige Bach Stücke spielen konnte. Kann er wahrscheinlich immer noch. Er hat in Cambridge auch im Chor gesungen. Er war mal kurz bei der BBC, ist dann aber an der Uni gelandet. Aber liebsten wäre er wohl Schauspieler geworden. Ich war vor beinahe fünfzig Jahren in seinem Kurs Playreading, da lagen zwanzig Leute in seinem Wohnzimmer auf seinem Teppich und lasen mit verteilten Rollen alles, was England damals zu bieten hatte: Stoppard, Pinter, Osborne, Shaffer - you name them. In Tonys Kursen kamen auch Adrian Henri und ➱Roger McGough vor, das war etwas anderes als ein Kurs über ➱John Milton.

Die englische Gegenwartskultur nach Deutschland zu bringen, das war sein Thema. Und seine Begabung. Er hat jahrzehntelang nebenbei für den Süddeutschen Rundfunk/Südwestfunk gearbeitet, seine Sendungen über England (für die er auch mal Maggie Thatcher interviewte), die mit viel Pop Musik garniert waren, haben alle Englischlehrer in dem Bundesland mitgeschnitten. Und natürlich im Unterricht verwendet. Tony ist zwar schon lange pensioniert, aber er gibt immer noch Kurse an seiner Uni. Oder erstellt die englische Version eines Films über ➱Stuttgart, er kann einfach nicht aufhören.

Der Tony hat keinen Computer, er kann auch meinen Blog nicht lesen. So wusste er auch nie, wie oft ich ihn schon zitiert habe. Nachdem wir eine Stunde über das Leben geredet hatten, habe ich ihn vor den Computer gezerrt. Habe ihm den Nachruf für ➱Gudrun gezeigt, weil er die kannte, und all die Posts, in denen er vorkommt. Und dann hat er nach den Leserzahlen gefragt. Speziell nach den Leserzahlen für den Post ➱Cricket. So etwas interessiert Engländer immer, auch wenn sie keine typischen Engländer sind. Ich sagte, dass ich dafür mal eben aus meinem Browser Safari herausgehen müsse und den Google Browser Chrome laden müsse, weil mir Google ja vor einem halben Jahr den Zugang zu meiner Blogger Seite gesperrt hatte. Woraufhin ich den viel gelesenen Post ➱Hinterhältiges Pack schrieb.

Und da ich weiß, dass der Tony mit Begriffen wie Google, Browser und Safari nichts anfangen kann, wollte ich ihm mal eben demonstrieren, wie eine völlig tote Blogger Seite aussieht. Und was passierte? Die Seite war wieder da, alles war wieder wie früher! Muss ich mich jetzt bei dem Google Boss entschuldigen? Oder soll ich ihm sagen, dass ich es widerlich finde, dass Google mich neuerdings dauernd duzt?


Wenn Sie mehr über Tony, der immer wunderbare Geschichten zu erzählen hat, wissen wollen, dann lesen Sie die Posts Kleiderordnung, Handschuhknopf, Gary Glitter, Royal Flying Corps, Gustav Mahler

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