Anfang der sechziger Jahre habe ich
Champion Jack Dupree nachts auf einem Segelboot im Hafen von Kopenhagen in einem schäbigen kleinen Transistorradio gehört:
My name is Champion Jack Dupree, and they are broadcasting me... Jahre später habe ich ihn nach einem Konzert hinter der Bühne erwischt. Und da hat er mir mit einem dicken schwarzen Filzer, wie ihn Möbelpacker zum Beschriften der Umzugskisten verwenden, ein Autogramm auf die in einer Plastiktüte mitgeschleppte Platte geschrieben.
Yours Champion Jack Dupree 1975. Als Dupree 1992 in Hannover starb, haben seine Freunde auf seinen Wunsch eine richtige New Orleans
Beerdigung für ihn veranstaltet. Das fand ich sehr rührend.
Das steht in dem Post Mein Klavier, und alles ist wahr. Die signierte LP habe ich natürlich noch, und ein paar CDs von ihm besitze ich auch. Wenn Sie einen Eindruck davon bekommen wollen, was er 1960 in Kopenhagen so spielte, dann klicken Sie einmal ✺When I Left Home oder ✺Snaps drinking woman an. Das Internet ist gut zu ihm, auf YouTube gibt es viel von Champion Jack Dupree zu hören. Der Musiker wurde als William Thomas Dupree am 23. Oktober 1909 geboren, aber vielleicht stimmen Tag, Monat und Jahr auch nicht. Seine Leben ist voller Legenden. Wahrscheinlich ist es keine Legende, dass der KuKluxKlan das Haus in New Orleans angezündet hat, in dem seine Eltern verbrannten. Wenn einer prädestiniert ist, den Blues zu singen, dann ist das Jack Dupree:
I searched the graveyards over to find where my mother lay
all my faith was in vain
and I still don’t know until today
When I was one year old
my sisters and brothers give me away
ever since that day I’ve been hoping
to find a real place to stay
Sometime I wake up cryin’
and I don’t know what I’m cryin’ for
people you know I’m a man
and a man ain’t supposed to cry.Eine Jugend in Heimen und auf der Straße. Eine Schulbildung bekommt er im Waisenhaus für schwarze Kinder (in dem der junge Louis Armstrong auch einmal war) nicht. Aber er lernt Kochen. Und Boxen. Und Klavierspielen. Er trifft Joe Luois, der ihm rät, Boxer zu werden. Wenn er nicht boxt, arbeitet er als Koch. Im Krieg ist er in der US Navy. Als Koch. Landet in einem japanischen Kriegsgefangenenlager, aber über die zwei Jahre hat er sich nie beklagt: Black people lived good because they weren't put with the whites. We cooked for ourselves and played ball... I cooked for the Japanese officers, so I had to eat what they ate, so it wouldn't be poisoned. I had help and everything, a nice room, a bottle of cognac a month, cigars, cigarettes -- it was just like working in a hotel, but with no place to go.
Er findet schnell wieder Anschluss an die Musikerszene, tritt im berühmten Cotton Club auf. 1951 war er schon auf dieser Platte von Folkways mit drauf, und Folkways, das bedeutete einiges. Lesen Sie an dieser Stelle doch einmal den Post
Folksongs. Nebenbei arbeitet er immer wieder als Koch. Ist Chefkoch an der jüdischen Yeshiva University in New York,
cookin’ for rabbis, because in my time, they didn’t like so much blues in New York. In den dreißiger Jahren war er schon überall aufgetreten, nicht in Louisiana, da haben Schwarze wenig Chancen außerhalb der billigen Kneipen und Bordelle. Als
Storyville geschlossen wird, zieht es alle nach Chicago. Dupree auch, der sich nach einhundertsieben Boxkämpfen jetzt Champion nennt. Aber er vergisst nie, woher er kam:
Now Ladies And Gentlemen This is old Champion Jack Dupree at the ivories again. Right direct from New Orleans Louisiana. Way down in the Bottom. And I ike to do You some of them old Saturday Night Specials. Steht auf meiner orangeroten LP drauf, die vom dänischen Label
Storyville kam, dem vielleicht wichtigsten europäischen Label der fünfziger Jahre.
Einer Plattenfirma kann man Dupree kaum zuordnen, er ist das, was man einen
label hopper nennt. Heute hier, morgen da. Ich habe hier eine sehr schöne
Seite von Stefan Wirz mit einer wahrscheinlich kompletten Diskographie. 1959 ist er nach Europa gegangen. Viele schwarze Kollegen von ihm sind schon da, sitzen in Paris. Die sind berühmter als er, sie heißen
Charlie Parker,
Miles Davis,
Don Byas undundund. Dupree meidet Paris. Er zieht in die Schweiz, dann nach Dänemark, England und schließlich nach Hannover. Man mag ihn in Europa. Nach dreißig Jahren ist er für zwei Konzerte in die USA zurückgekommen, dort bleiben wollte er nicht, er betrachtete Hannover als seine Heimat. Mit dem modernen Jazz hatte er nichts zu tun, er spielte den
barrelhouse piano Stil wie in den dreißiger Jahren. Mit der Kraft der Hände eines Boxers:
I’m a bluesman and I’m gonna die that way, hat er einmal gesagt. Es ist eine Musik, die man immer wieder hören kann.
Vor sechzig Jahren träumte ich davon, einmal so Klavier spielen zu können wie Champion Jack Dupree. Meine Klavierlehrerin hatte dafür kein Verständnis.
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