Thomas Gainsborough hat dieses Bild von Benjamin Thompson gemalt, ein Jahr bevor der englische König den Mann aus Amerika zum Ritter schlug. Thompson wurde heute vor 270 Jahren in der Nähe von Boston geboren, und ich nutze mal diese Gelegenheit, ihn meinen Lesern vorzustellen. Er ist irgendwie mein Liebling. Der self-made man hat ein Leben, aus dem man ein Dutzend Romane (oder Filme) machen könnte. If the life of the American-born scientist Count Rumford had been created in a novel, nobody would believe it, schrieb der Rezensent des Kirkus Review über eine neue Rumford Biographie. Und ich kann nur hoffen, dass man ihn in Bayern heute noch kennt. Denn wenn Bayern in der Zeit der Aufklärung zu einem modernen Staat geworden ist (was Norddeutsche vielleicht bezweifeln), dann ist das sein Verdienst.
Es ist ein langer Weg aus einem kleinen Kaff in Hamphire namens Rumford (heute Concord) über London und München bis Paris. Dort liegt er auf dem Friedhof von Auteuil begraben. Und was hat der Mann, der als Geheimagent für die Engländer seine Laufbahn begann (wo er eine unsichtbare Tinte erfand), nicht alles an Titeln angehäuft! Um einmal nur im militärischen Bereich zu bleiben: Major in der amerikanischen Miliz, Oberst im englischen Heer, General in der bayrischen Armee. Und dabei ist das eigentlich gar nicht sein Metier, seine Verdienste liegen auf einem ganz anderen Feld. Und wenn Sie sich jetzt fragen, was dieser Kamin hier soll, so habe ich natürlich dafür auch eine Erklärung.
In Bayern macht der ehemalige Unterstaatssekretär für Amerika Sir Benjamin Thompson, der über keine abgeschlossene Schulbildung verfügt, eine erstaunliche Karriere. Man macht ihn zum Generalmajor, Generalleutnant, Oberkommandierenden der Armee, Kriegsminister und Polizeichef. Und der bayrische Kurfürst erhebt Thompson als Graf von Rumford in den Reichsgrafenstand. Sein einziger Karriereknick ist seine Ernennung zum kurfürstlichen Gesandten am Hofe von St James. Es wird ihm auf vielerlei Wegen mitgeteilt, dass der König diese Akkreditierung nicht wünscht; jemand, der einmal englischer Staatsbürger (und Under-Secretary in the American Office) war, könne nicht Botschafter einer fremden Macht sein. Das sind die offiziellen Gründe, dahinter steckt aber, dass man ein wenig Angst hat, weil Rumford inzwischen enge Bindungen an Frankreich hat. Über seine Mission in London kann man mehr in dem Aufsatz Benjamin Thompson, Reichsgraf Rumford, seine Londoner Mission 1798 von dem Historiker Wolf D. Gruner lesen.
Sir Benjamin Thompson wird niemals mehr nach Rumford zurückkehren (aber sein Titel wird ihn immer an den Heimatort erinnern), er ist überall und nirgends zu Hause, in London, München und Paris. Der Gründer der Royal Institution war solch ein Weltbürger - er wurde zum Kosmopoliten mehr durch die Macht der Umstände und durch seine eigene innere Entwicklung als durch Herkunft und Ehrgeiz: ein Mann, der auszog, um Ruhm und und Reichtum mit allen Mitteln zu erringen, und der zum Wohltäter der Menschheit wurde; ein skrupelloser Streber, der als Sozialreformer in die Geschichte einging; ein Anbeter militärischer und politischer Macht, der in den Annalen der Wissenschaft einen Ehrenplatz erhielt, schreibt Egon Larsen in seinem schönen Buch Graf Rumford: Ein Amerikaner in München (1961 bei Prestel erschienen). 1999 erschien das hervorragende Buch Scientist, Soldier, Statesman, Spy. Count Rumford: The Extraordinary Life of a Scientific Genius von George Ingham Brown, das es 2002 in deutscher Übersetzung bei dtv gab.
Treffender, als Larsen es formulierte, kann man Benjamin Thompson in dieser Kürze wohl nicht beschreiben. Er ist eine widersprüchliche Figur, manche halten ihn für einen Scharlatan. Die Grenzen der Wissenschaft sind noch nicht so eng gesteckt wie heute, es gibt noch so viel zu entdecken. Es sind ja auch zu viele Alchemisten unterwegs. Hätte jemand wie der Graf von Saint-Germain in einem anderen Jahrhundert Karriere machen können? Johann Friedrich Böttger produziert ja immerhin weißes Gold. Der Chemiker Justus von Liebig sagt ein Jahrhundert später: Unter den Alchimisten befand sich stets ein Kern echter Naturforscher, die sich in ihren theoretischen Ansichten häufig selbst täuschten, während die fahrenden Goldköche sich und andere betrogen. Und bezogen auf Glauber (dem wir das Glaubersalz verdanken), Böttger und Kunckel fährt er fort: Was Glauber, Böttger, Kunckel in diese Richtung leisteten, kann kühn den größten Entdeckungen unseres Jahrhunderts an die Seite gestellt werden. Was hätte er erst über Rumford gesagt?
Die von Rumford gegründete Royal Institution gibt es immer noch, die Rumford Medaille wird immer noch verliehen. Kamine nach seiner Erfindung (nicht zu verwechseln mit dem Rumfordofen zur Herstellung von Branntkalk) werden heute immer noch hergestellt. Und in alten Kochbüchern findet sich auch noch die von ihm erfundene Rumfordsuppe, die für die Armenspeisung gedacht war. Und falls Sie jetzt bei dem miesen Wetter im Englischen Garten in München spazierengehen sollten: den Park verdankt München auch dem Grafen Rumford.
Der Post über Benjamin Thompson stand hier schon einmal im Blog, aber man kann eigentlich nicht genug über diesen Mann wissen. Ich bin vor fünfzig Jahren auf ihn gestoßen, als ich die Festschrift für John W.P. Bourke las (in der auch der Aufsatz von Gruner abgedruckt ist). Festschriften sind im universitären Bereich etwas für Professoren, aber Bourke war lediglich ein englischer Lektor an der Universität München. Aber er war ein besonderer Mann, der einen Doktortitel von Heidelberg und einen Magistertitel von Oxford hatte. Er hat Bücher wie The Sea as a Symbol in English Poetry und Baroque Churches of Central Europe geschrieben, und ein kleines Buch über den englischen Humor. Seine Studenten haben ihn geliebt. Es war nur berechtigt, dass er am Ende seiner Laufbahn diese siebenhundertseitige Festschrift erhielt.
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