Dienstag, 26. November 2024

Citizen


Dies ist meine erste Citizen, ein Flohmarktfund zur D-Mark Zeit. Auf dem Zifferblatt und dem Schraubboden steht Parawater, so hatte die Firma ab 1959 ihre wasserdichten Uhren benannt. Die Uhr kostete damals nur kleines Geld, und der Händler sagte: Citizen Uhren laufen immer. Das traute ich dieser Uhr zu, sie war nie getragen worden. Die hellgrüne Leuchtmasse zwischen den Indizes und auf den Zeigern (sogar die kleine Kugel auf dem Sekundenzeiger) leuchtet nach einem halben Jahrhundert immer noch. Die Uhr hat ein wirklich gutes Handaufzugswerk mit einundzwanzig Steinen, das die Kalibernummer 1802 hat. 

Das Werk ähnelt dem Seiko Kaliber 6222, und man hat das Gefühl, dass das alles japanische Klone des guten alten Schweizer ETA 1080 der fünfziger Jahre sind. Hier auf dem Bild können wir links das Werk der Seiko Super aus dem Jahre 1950 erkennen, rechts ist das ETA 1080. Auf einer Seiko Seite steht zu diesem Thema: The ETA 1080 was a ground breaking movement and defined the architecture of many manually wound movements for the next decade. The similarity between the Seiko movement and the ETA movement developed at the same time is remarkable. While the size and overall architecture are clearly the same, the actual location of the pinions do not line up exactly so one movement is not a direct clone of the other. However, the ‘Super’ was never claimed by Seiko to be an in-house movement so does this mean the super was in some way related to the Swiss movement? We think it probably was.

Citizen Uhren laufen immer, erzählte mir nicht nur der Flohmarkthändler. Auch mein Uhrmacher sagte das. Er verkaufte die Promaster wie geschnitten Brot an Segler, Camper und Angler. Die Uhren gehen immer, sind wasserdicht  und leuchten nachts im Zelt. Ich habe einen Citizen Wecker bei ihm gekauft, der von einer dicken Batterie gespeist wird. Wenn der klingelt, dann hört man das noch in den nächsten Stockwerken des Hauses.

Ich schreibe heute über die japanische Uhrenmarke Citizen, weil vor hundert Jahren zum ersten Mal der Name Citizen auf einer Taschenuhr erschien. Deshalb hat man in diesem Jahr zur Feier eine Taschenuhr herausgebracht, die so aussieht wie das Modell von früher. Das Snowflake Zifferblatt soll wohl bedeuten, dass in den hundert Jahren viel Schnee in Japan gefallen ist. In Japan liebt man ja diese Snowflake oder Diamond Dust Zifferblätter für Luxusuhren, das ist bei Seiko nicht anders. Das Werk ist auf dem neuesten Stand der Technik, hat sogar eine Stoßsicherung. Und es ist mit seinen Côtes de Genève und der perlierten Platine ja auch optisch schön anzusehen.

Aber zu Schönheit kommt bei Uhren noch die Genauigkeit, und auch da glänzt das Werk. Auf den Schenkeln der Unruh können Sie Schrauben und Gewichte sehen. Wenn man so etwas baut, dann will man eine Uhr feinregulieren. So fein, dass sie ein Chronometerzeugnis bekommt. Denn damit wird sie ausgeliefert, allerdings wird es schwierig, solch eine Jubiläumsuhr zu kaufen. Zum einen liegt sie preislich mit 7.000 Euro erheblich über dem Flohmarktpreis meiner hundert Jahre alten IWC Taschenuhr, zum anderen wird es weltweit nur hundert Stück geben.

Meine Zenith Taschenuhr, die neben dem Computer liegt, ist schon erwähnt worden. Wenn der Uhrmacher Petersen die überholen würde, wäre sie bestimmt wieder ein Chronometer. Aber der Uhrmacher hat im Augenblick zu viel zu tun; und ich warte noch, dass ich meinen Eterna Chronometer zurückbekomme. Meine Bunn Special schafft die Chronometernorm bestimmt ohne Schwierigkeiten, die superflache goldene Hamilton aus den 1930er Jahren auch. Die beiden letztgenannten und meine alte IWC sind Uhren, die nach hundert Jahren auch noch dieses Chronometerzeugnis bekommen würden, das die Jubiläums Citizen hat. Taschenuhren können sehr genau gehen, wenn man sie über hundert Jahre in einer Lage laufen lässt. Und ihnen von Zeit zu Zeit ein Tröpfchen Öl an der richtigen Stellen spendiert.

1918 war das Shokosha Watch Research Institute von Kamekichi Yamazaki gegründet worden, aus dem die Firma Citizen hervorging. Uhren produzierte man noch nicht, man bildete erst einmal Uhrmacher aus. Aber im Dezember 1924 hat man diese erste 15-steinige Taschenuhr (es gab sie auch mit zehn Steinen) fertig, die den Namen Citizen trägt. Den Namen soll der Bürgermeister von Tokio Shimpei Goto vorgeschlagen haben, eine Uhr für die Bürger sollte es sein. Eine der ersten Uhren verehrt man dem Kaiser, der mit dieser Uhr sehr zufrieden ist. 1924 taucht auch ein anderer japanischer Firmenname auf, da erscheint zum ersten Mal der Markenname Seiko auf dem Zifferblatt einer Armbanduhr der 1881 gegründeten Firma von Kintarō Hattori. Den Namen Seiko lässt sich die Firma auch gleich als Markennamen schützen. Aber im Gegensatz zu Seiko ist Citizen noch keine Firma, es ist erst einmal nur der Name einer Uhr. Sechs Jahre später wird daraus mehr. Da kauft Yosaburo Nakajima (Bild), der vorher für eine Schweizer Firma in Tokio tätig war, das Shokosha Watch Research Institute und gründet mit einigen anderen die  Citizen Watch Co., Ltd. Es wird die größte japanische Uhrenfabrik werden. 

Es ist auch Schweizer Kapital und Know-How bei der Gründung dabei gewesen. Und man muss auch betonen, dass alle japanischen Uhren der 1920er Jahre mit Schweizer Maschinen gefertigt wurden. Ohne die Schweiz geht noch nichts in Japan. Der eigentliche Gründer von Citizen ist ein Schweizer namens Rodolphe Schmid, der in Neuchâtel eine Uhrenfabrik mit dem Namen Cassardes besaß. Schmid war als Dreiundzwanzigjähriger 1894 nach Yokohama gekommen, handelte mit Uhren und hatte in den 1920er Jahren eine Uhrenfabrik mit zweihundert Beschäftigten in Tokio. In seiner Firma arbeiteten als Geschäftsführer Yosaburo Nakajima und Ryoichi Suzuki, die heute als die Citizen Gründer gefeiert werden. 

Der Markenname Citizen wurde 1930 in der Schweiz von der Uhrenfabrik R. Schmid & Co. eingetragen, die auch als Lieferant von Uhrenteilen und Zifferblättern von Citizen auftrat. Schmid hatte zusammen mit seinen Geschäftsführern Yosaburo Nakajima und Ryoichi Suzuki auch noch eine kleine Firma namens Star Watch Company, mit der sie Schweizer Uhren importierten. Insbesondere die Mido Multifort. Denn jetzt sind unkaputtbare Armbanduhren wie die Mido Multifort und die Wittnauer Allproof (die sich schon in dem Post Sportuhren findet) angesagt, nur so etwas kann man in Asien verkaufen. 

Alle drei Armbanduhren, die Citizen in den dreißiger und vierziger Jahren herausbringt, sind Kopien von Mido Uhren. Die ersten Citizen Werke nach Schweizer Vorbild sehen noch recht einfach aus. Im Absatz oben ist das 15-steinige Werk der Type F, der ersten Armbanduhr im Jahre 1931. Diese schlichte und einfache Uhr kostet heute bei ebay tausend Euro. Vielleicht gibt es ja Sammler dafür. Ich hätte lieber den Chronometer, den Citizen von 1962 bis 1966 gebaut hat, um der Firma Seiko mit ihren Grand und King Chronometern zu zeigen, dass sie so etwas auch könnten. Zwischen dem ersten Armbanduhrenwerk von Citizen und diesem Chronometer liegen genau dreißig Jahre und ganze uhrmacherische Welten.

Heute ist Citizen, die durch ihren Werkehersteller Miyota auch andere Firmen beliefern, der größte japanische Uhrenhersteller. Wenn man sich einmal die Chinesen wegdenkt, über deren Produktionszahlen man nichts weiß, ist Citizen wahrscheinlich der größte Uhrenhersteller der Welt. Genaue Verkaufszahlen gibt es nicht, aber man schätzt, dass die Firma zweihundert Millionen Uhren im Jahr verkauft. Dagegen nimmt sich der Schweizer Riese Rolex mit einer Million wie ein Zwerg aus. Wenn bei der Gründung der Firma Citizen auch die Schweiz ein bisschen mit ihm Spiel war, sieht das heute anders aus: Citizen kauft sich ein bisschen von der Schweiz. Im März 2012 erwarb die Citizen Watch Ltd die in La Chaux-de-Fonds ansässige Firma Prothor Holding, zu der die Prototec SA, die La Joux-Perret SA und die Luxusuhrenhersteller Graham Watches SA und Arnold & Son (The British Masters) gehörten. Im Mai 2016 kaufte Citizen die Schweizer Frédérique Constant Gruppe mit den Marken Frédérique Constant, Alpina und Ateliers de Monaco.

Früher sagte man zu den Uhren von Citizen Kaufhausuhren, weil man sie bei Karstadt und Hertie kaufen konnte und nicht beim Juwelier erwarb. Von den Kaufhäusern ist wenig übriggeblieben. Karstadt heißt jetzt Galeria, hat aber immer noch Citizen im Angebot. Die preiswerteste Citizen Uhr kostet 99 Euro, die teuerste 695 Euro. Was man nicht bei Galeria kaufen kann, ist das Luxusmodell The Citizen, das soviel wie eine Rolex kostet und zur Hundertjahrfeier auch in Deutschland erhältlich sein soll.

Ich weiß nicht, ob Citizen etwas für Sammler ist, aber ich habe mir im Jubiläumsjahr eine Citizen gegönnt, die vielleicht eine kleine Seltenheit ist. Denn da, wo normalerweise der Firmenname auf dem Zifferblatt steht, steht bei dieser Uhr Nippon Express Co. Ltd. Es ist eine Jubiläumsuhr aus dem Jahre 1968, die an verdiente Mitarbeiter von Nippon Express ausgegeben wurde. Die Uhr hat eine schöne Größe von 36 mm und liegt dank der tief gezogenen Hörner (spider lugs) auch sehr gut auf dem Arm. In der Uhr werkelt ein 17-steiniges Automatikwerk, das ist nix Dolles. Aber die Uhr geht immer, sogar sehr genau. Weil eine Citizen immer geht.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen