Donnerstag, 15. August 2013

Aufklärung


Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines andern zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.

Sagt Immanuel Kant. So steht es auch im Wörterbuch der Brüder Grimm unter dem Stichwort Aufklärung. Dem Zitat war noch ein zweites Zitat von Kant (in der typischen grimmschen kleinschreibung) vorangegangen: die aufklärung ist die maxime jederzeit selbst zu denken und befreiung vom aberglauben heiszt aufklärung, weil, obschon diese benennung auch der befreiung von vorurtheilen überhaupt zukommt, jener doch vorzugsweise ein vorurtheil genannt zu werden verdient. Und dann folgte ein Zitat von Lichtenberg: man spricht viel von aufklärung und wünscht mehr licht. mein gott, was hilft aber alles licht, wenn die leute entweder keine augen haben, oder die, welche sie haben, vorsätzlich verschlieszen. Wir sollten diese Sätze nicht ganz vergessen, denn Aufklärung wird heute nicht mehr als philosophischer Begriff gehandelt, er scheint nur noch etwas mit dem Militärischen zu tun zu haben.

Also mit Schlagzeilen wie Pofalla verspricht vollständige Aufklärung der NSA-Affäre. Eine Zeile, die von einem Spiegel Redakteur geschrieben wurde, der offensichtlich einen feinen Sinn für das Absurde hat. Aufklärungsbedarf allerorten, aber wird jemals etwas aufgeklärt? Was macht die NSA mit den riesigen Datenmengen, die sie tagsüber gesammelt haben? Lesen die das abends? Wahrscheinlich kommen sie sich dann so vor wie in diesem wunderbaren ➱Sketch von Bob Newhart, der das berühmte infinite monkey theorem schön illustriert.

George Orwell hat sich mit seinem Romantitel 1984 nur ein wenig im Datum vertan. Ignorance is Strength ist eine der Parteimaximen in seinem Roman. Das reklamiert auch die Bundeskanzlerin für sich. Weil das Internet Neuland ist, was weiß denn ich? Es hat lange gedauert, dass in der Diskussion erste Verfassungsrechtler darauf hinwiesen, dass die Souveränität der Bundesrepublik eh eingeschränkt sei. Letztlich können die Amis machen was sie wollen. Steht im Zusatzabkommen zum Nato-Truppenstatut vom 3. August 1959, was nichts als die Fortschreibung der Besatzungsrechte der Alllierten ist. Und dann haben wir da noch ein Gesetz, bei dem der § 21 lautet: Einschränkung von Grundrechten. Das Grundrecht des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes) wird durch dieses Gesetz eingeschränkt. Sie können das ganze Gesetz dazu ➱hier lesen. Vielleicht sollte man den Satz von Lichtenberg Dinge zu bezweifeln, die ganz ohne weitere Untersuchung geglaubt werden, das ist die wichtigste Hauptsache allüberall darüber schreiben.

Der Verrat ist keine Sache des 20. Jahrhunderts, wie der Buchtitel von ➱Margret Boveri suggeriert. Das Böse ist immer und überall. Es geht immer darum, dass irgendjemand spioniert. Für irgendeinen Zweck, und wenn es ad maiorem Dei gloriam ist. In der Spionage heiligt der Zweck ja sowieso die Mittel. Ein Tyrann ist durch seine Spione und Kreaturen überall, wusste schon Seume. Spion ist ein altes Wort, im Mittelhochdeutschen (auch so eine nutzlose Sprache, die ich mal lernen musste) heißt das Verb spehôn. Im Englischen heißt es spy, das ist der gleiche Wortstamm. Der erste Beleg für das Wort spy im Englischen findet sich übrigens in der Bibel, das Alte Testament ist voll von Spionen und Spionage. Die Geschichte auch, Geheimdienstnetze kennt man seit den alten Ägyptern. Der Geheimdienst von Sir Francis Walsingham zur Zeit Elizabeths I war vielleicht besser organisiert als MI 5 und MI 6 heute. Von unseren Diensten gar nicht zu reden. Mir gefällt dieses Wort Dienste immer so gut. Dienstleistungen der besonderen Art.

Ich hatte mal ein Angebot aus Pullach. Ich hatte gerade meinen Doktortitel und meine erste Stelle an einer Uni, da bekam ich Besuch von einem geheimnisvollen Herrn. Er hatte sich zuvor schriftlich und telephonisch angekündigt. Er kannte offensichtlich meine ganze Bundeswehr Dienstakte und wusste, welche Nato Geheimhaltungsstufe ich als S 3 Offizier des Bataillons gehabt hatte. Ich habe seine Visitenkarte immer noch. Finanziell war das Angebot vielleicht verlockend, die zahlten mehr als die Uni, aber ich sah mich weder als James Bond noch als Schreibtischtäter. Und so sagte ich dem BND dankend ab. Ich hielt schon damals diese ganzen Dienste für schlichtweg unfähig. Chef des BND wäre ich eh nicht geworden.Wenn ich mich damals auch für einen kurzen Augenblick gebauchpinselt fühlte, dass man mir dieses Angebot machte, weiß ich inzwischen, dass meine Universität damals die Namen aller frisch gekürten doctores mit Adressen an den BND weitergab. Ich weiß inzwischen auch, dass der BND damals dringend Leute brauchte. weil in den sechziger Jahren das große Saubermachen begonnen hatte und man sich langsam von den alten Nazis zu trennen begann, mit denen Reinhard Gehlen diesen Dienst aufgebaut hatte.

Jahre vor dem Treffen mit dem Herrn aus München-Pullach hatte ich schon einmal etwas mit einem Geheimdienst zu tun. Diese Geschichte ist so schreiend komisch, dass ich sie unbedingt mal eben erzählen muss. Ich war junger Soldat, noch in der Grundausbildung, als ich eines Tages zu meinem Kompaniechef befohlen wurde. Der Kompaniefeldwebel (es ist derselbe, den ich in dem Post ➱Beinkleider erwähnte) geleitet mich zum Chef mit dem mitleidigen Lächeln, das man für einen Todgeweihten hat. Mein Kompaniechef sagte mir, dass im Nebenzimmer zwei Herren säßen. Die kämen vom Militärischen Abschirmdienst aus Köln, ich müsse alle ihre Fragen wahrheitsgemäß beantworten. Die beiden Männer (Herren wäre jetzt nicht der richtige Ausdruck) im Nebenzimmer sahen genauso aus, wie man sich Agenten in einem B-Picture vorstellt. Sie trugen billige Trenchcoats, die sich nicht ablegten, hatten abgeschabte Aktentaschen. Einer hatte einen Cordhut, der andere einen Luis Trenker Hut. Sie saßen auf dem Sofa, auf dem der Chef manchmal seine Mittagspause machte, boten mir aber nicht an, Platz zu nehmen. Sie konfrontierten mich mit der Behauptung, ich hätte bei meiner Einstellung als Offiziersanwärter falsche Angaben gemacht.

Man schüchtert mich nicht leicht ein, ich bin immer ein frecher Hund gewesen. Vor diesen beiden Karikaturen von Geheimagenten hatte ich keine Angst, ich verlangte forsch Näheres. Und dann kam es: ich hätte verschwiegen, dass mein Onkel in Italien geboren wäre. Italien? fragte ich. Ja, sagten sie, steht hier, Mogilno. Es fiel mir sehr, sehr schwer, an dieser Stelle keinen Lachanfall zu bekommen. Mogilno liegt nicht in Italien, es liegt heute in Polen. Damals war es noch Deutschland, denn seit der Ersten Polnischen Teilung 1772 gehörte es zu Preußen. Man muss sich das einmal vorstellen, da machen zwei Beamte eines Geheimdienstes eine Dienstreise durch die halbe Republik, um sich zu blamieren. Um etwas herauszufinden, was ihnen ein Blick in ein Lexikon oder auf eine Landkarte hätte sagen können. Die Herren in den Trenchcoats hatten es jetzt schwer, einen geordneten Rückzug anzutreten. Sie raschelten mit ihren Akten und sagten mir in verschwörerischem Ton, ich dürfe niemandem, auch meinem Chef nicht, vom Inhalt dieser Unterredung ein Wort erzählen. Ich nehme mal an, dass die militärische Geheimhaltung dieses Vorfalls nach einem halben Jahrhundert aufgehoben ist. Gegenüber meinem Chef hatte ich keinerlei Bedenken, ihm die Geschichte in allen Details zu erzählen, kaum dass der Besuch aus Köln aus dem Haus war. man spricht viel von aufklärung und wünscht mehr licht. mein gott, was hilft aber alles licht, wenn die leute entweder keine augen haben, oder die, welche sie haben, vorsätzlich verschlieszen.

Ich besitze noch ein kleines Erinnerungsstück an diese Geschichte. Diesmal keine Visitenkarte wie von dem soignierten Herren aus Pullach. Nein, ein billiger Aufkleber, auf dem steht Spionage ist ein Teufelskreis. Wir helfen Ihnen raus. Rufen Sie uns an: Köln 4713. So etwas ist heute schon in der ➱Objektdatenbank des DHM, rubriziert als Aufkleber mit einem Hilfsangebot an Spionage-Opfer und -Täter aus der Zeit des Kalten Krieges. Was ich damals nicht wußte: der Chef des MAD war ein Brigadegeneral namens Josef Selmayr, 1945 als Kriegsverbrecher zu fünfzehn Jahren Gefängnis verurteilt, aber schon nach fünf Jahren freigelassen. Und dann sogleich, wie hunderte von Leuten aus SS, SD und Gestapo im Amt des ehemaligen Generalmajors Reinhard Gehlen. In der Spiegel Affäre spielte er auch eine unrühmliche ➱Rolle. Es findet immer zusammen, was zusammengehört. Mein Kompaniechef ist übrigens irgendwann noch Oberst im Generalstab geworden, so gute Leute wie er wurden nie General. Ich habe mit der Bundeswehr heute nichts mehr im Sinn, vor einem halben Jahrhundert, in der Restphase des Kalten Kriegs, war es das große Abenteuer. Ich habe von meinem Kompaniechef (aber auch von vielen anderen) viel für das Leben gelernt. Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich Glück mit dem Offizierskorps meines Bataillons hatte. Ich habe das schon einmal in dem Post ➱Winston Churchill gesagt, der im Augenblick bei den Lesern ein Bestseller ist.

Gehlen konnte auf einer gutgeölten Maschinerie aufbauen, wer nicht bei ihm unterschlüpfen konnte, fand vielleicht Beschäftigung auf der anderen Seite der Grenze. Die hatten ein ganzes Ministerium unter der Leitung des Genossen Generaloberst Erich Mielke, wir hatten nur Dienste. Dienste klingt immer harmlos. Die da drüben bespitzelten ihre ganze Bevölkerung, wir taten das natürlich nicht. Wir hatten nur diese Dienste, die gegen die ermittelten, die wenn die Sonne, bezeichnenderweise im Osten und rot hinter Wolken aufgeht ihre Unterwanderstiefel anzogen und an ihr illegales Untertagwerk ran gingen.

In der DDR hatten sie unter dem Genossen Generalleutnant Markus Wolf (hier in weißer Uniform) natürlich noch nicht die technischen Möglichkeiten der NSA, aber sie wussten viel, sehr viel. Als ich bei der Bundeswehr war, hörten wir immer den Sender, der sich durch bum, bom, bu-bu-bom – Deutscher Soldatensender – Mittelwelle 935 kHz ankündigte. Und der schon wusste, wann der nächste Nato-Alarm war, wenn Kompaniechef und Bataillonskommandeur noch keine Ahnung davon hatten. Die hätten vielleicht auch herausgekriegt, wo Mogilno liegt.

Seit jenem Tag im Nebenzimmer des Büros meines Kompaniechefs habe ich ein unerschütterliches Vertrauen in die Geheimdienste. Und natürlich auch in Herrn Pofalla, der die Geheimdienste koordiniert. Ist denn die Geschichte mit Mr Wormold, dem Staubsaugervertreter in Havanna in Graham Greenes Our Man in Havana so verschieden von meinen beiden Geheimdienstkomikern? Graham Greene läßt eine Romanfigur in seinem Roman The Ministry of Fear in einem Traum sagen: It sounds like a thriller, doesn't it, but the thrillers are like life – more like life than you are, this lawn, your sandwiches, that pine. You used to laugh at the books Miss Savage read — about spies, and murders, and violence, and wild motor-car chases, but, dear, that's real life...The world has been remade by William Le Queux.

The thrillers are like life: Das ist ein Motiv, das viele Autoren von Spionageromanen verwenden, manche haben vielleicht sogar an den Satz geglaubt. Angeblich soll der sowjetische Geheimdienst alle Romane von Ian Fleming gelesen haben. Fiktion und Realität scheinen jederzeit beliebig austauschbar zu sein. Jeden Abend von 18 bis 20 Uhr rettet auf SAT 1 der Special Agent Jethro Gibbs vom NCIS die Welt vor der Al Kaida. Das können wir sehen, daran können wir glauben. Wir können daran glauben, dass James Bond (von wem auch immer er gespielt wird) jederzeit die Welt rettet. Jetzt haben Verschwörungstheorien Hochkonjunktur.

Wir richten unsere Augen auf diese spektakulären Figuren, aber wir denken keinen Augenblick an jene, die in der Wirklichkeit jeden Augenblick die Welt retten. Nämlich die vierzigtausend Mitarbeitern der NSA. Die sind die wahren global player in dem Great Game (ein Begriff, der übrigens in Rudyard Kiplings Roman Kim steht). Ich wollte den NSA Agenten einen Dankesgruß schicken und habe auf der ➱NSA Homepage auf Contact gedrückt. Und was passiert? Es kam eine Seite mit: Internal Server Error - Read The server encountered an internal error or misconfiguration and was unable to complete your request. Reference #3.cf4bf6d8.1376062885.a40b9a Muss ich mir jetzt Sorgen machen? man spricht viel von aufklärung und wünscht mehr licht. mein gott, was hilft aber alles licht, wenn die leute entweder keine augen haben, oder die, welche sie haben, vorsätzlich verschlieszen.

Es wird nie aufgeklärt werden, wer seit wann was aufklärt. Da bin ich sicher. Uns bleibt nichts anderes übrig, als zu warten, was uns Herr Pofalla erzählt. Wenn er sagt: Der Vorwurf der vermeintlichen Totalausspähung in Deutschland ist nach den Angaben der NSA, des britischen Dienstes und unserer Nachrichtendienste vom Tisch. Es gibt in Deutschland keine millionenfache Grundrechtsverletzung, wie immer wieder fälschlich behauptet wird, dann glaube ich das. Und wenn die Bundesliga erst richtig angefangen hat, interessieren wir uns sowieso nicht mehr für die NSA. Wenn dieser Edward Snowden nicht noch mehr mehr Geheimnisse auf seinem USB Stick hat und peu à peu an die Öffentlichkeit bringt. In der Zwischenzeit können wir uns natürlich eine DVD von Men in Black kaufen. Weil Men in Black die einzig passende Parabel für unsere Zeit ist. Weil nur diese Geheimagenten dieser geheimnisvollen Behörde einen Einblick auf die Welt haben, die wir nicht sehen können. Weil wir auch gar nicht ahnen, können, wie oft sie die Welt retten. Und welche Zeitungen liest Tommy Lee Jones, wenn er wissen will, was im Paralleluniversum los ist? Ja, die Weekly World News mit ihrem Untertitel The World's only reliable Newspaper die einzige Zeitung ist, die uns die Wahrheit sagt.

Lassen Sie uns einmal einen Blick auf die Bilder der Geheimdienstchefs werfen. Dies ist General Keith B. Alexander, das Gesicht der NSA. Der Herrscher über den Datenmüll. Der kann die deutsche Aufregung gar nicht verstehen. Er trägt hier die neue Operettenuniform der amerikanischen Armee. Die mit ihren Schulterstücken ein wenig nach der Uniform der Nordstaaten im Bürgerkrieg aussieht. Damals gab es natürlich auch schon Geheimdienste. Wenn Sie mal einen richtig guten Geheimdienstroman aus dem Civil War lesen wollen, dann kann ich American Falls von John Calvin Batchelor unbedingt empfehlen (wurde damals von Rezensenten mit ➱Michael Shaaras Killer Angels verglichen). Seit es die NSA gibt, haben die immer einen General als Direktor. Wenn er vorher noch keine vier Sterne auf der Schulter hatte, dann bekommt er die im Amt. Dass die neue Uniform jetzt dunkelblau ist, soll nicht an den Bürgerkrieg sondern an die Uniform von George Washington erinnern. Der hatte aber nicht soviel Generalsterne wie der NSA Chef.

Auf die Frage Does the NSA really keep a file on everyone? hat Alexander geantwortet No, we don’t. Absolutely no. And anybody who would tell you that we’re keeping files or dossiers on the American people knows that’s not true. Und bei anderer Gelegenheit sagte er Those who would want to weave the story that we have millions or hundreds of millions of dossiers on people, is absolutely false… From my perspective, this is absolute nonsense. Solche Sätze produziert er in den letzten Jahren ziemlich gebetsmühlenartig. Klingt wie Pofalla. Die gefährlichsten Unwahrheiten sind Wahrheiten, mäßig entstellt, sagt Lichtenberg.

In Deutschland haben wir gar keine Generäle mehr in den Diensten, selbst der Militärische Abschirmdienst hat neuerdings Zivilisten als Chefs. Und beim BND war Reinhard Gehlen (hier im typischen Zivil der Spione, dieser wunderbaren Eleganz des Kalten Krieges) der erste und letzte General. Wir sind eben ein friedliebendes Land. Der jetzige Chef des BND war mal Fallschirmjäger, dazu sage ich jetzt mal gar nichts. Wir waren vor einem halben Jahrhundert die einzige Infanteriebrigade der Bundeswehr, die ein Bataillon Fallschirmjäger besaß. Ich erzähl' da mal lieber nichts von, es gibt noch Geheimnisse. Bei mir sind die gut aufgehoben.

Von den Franzosen hört man in dem ganzen Trubel ja gar nichts. Entweder dürfen die beim Great Game nicht mitspielen, oder sie machen das so secrète, dass nichts davon nach außen dringt. Dieser Herr sieht eher wie ein Versicherungsvertreter aus, dem seine Frau das falsche Hemd und den falschen Schlips herausgelegt hat. Er ist aber Chef der Direction Générale de la Sécurité Extérieure. Wahrscheinlich nur, weil Hubert Bonisseur de La Bath (alias OSS 117) längst in Rente ist. Falls Sie diesen Geheimagenten (der vielleicht das Vorbild für James Bond war) nicht kennen, kann ich die Romane von Jean Bruce unbedingt empfehlen.

Der ehemalige Fallschirmjäger neben der deutschen Flagge (die Nähe zu einem solchen Symbol macht sich immer gut) ist der jetzige BND Chef. Ist natürlich nicht so elegant wie Reinhard Gehlen. Können wir solchen Leuten vertrauen? Also Männern, die Buttondown Hemden zu Anzügen tragen? Und dann offensichtlich noch Kurzarmhemden? Die beiden Jungs aus Köln, die nicht wussten, wo Mogilno war, waren ja auch keine Empfehlung für die Herrenmode. Große Dandies wie Ian Fleming und sein Geschöpf James Bond hätten sich für sie geschämt.

Das hier ist sein englischer Kollege Sir John Sawers. Schon etwas eleganter. Nicht so prollig gekleidet wie unser deutscher Geheimdienstchef. Aber er versagt letztlich auch völlig. Kein Gentleman steckt im Gespräch mit einer Dame die Hände in die Hosentaschen! Was ist das nur für ein Pack. Da sehnt man sich doch zu den fünfziger Jahren zurück, als James Bond in den Anzügen von ➱Anthony Sinclair die Welt rettete und M (immer ein Gentleman) elegant hinter seinem Schreibtisch saß.

Dass der englische Geheimdienstchef nur einen Buchstaben trägt, wissen wir, seit der Schriftsteller Compton Mackenzie das enthüllt hat. Hat ihn in Old Bailey eine Menge Geld gekostet, dass er gegen den ➱Official Secrets Act verstoßen hat. Mackenzie, der auch hervorragende Spionageromane wie The Three Couriers und Water on the Brain geschrieben hatte wusste, worüber er schrieb. Er war schließlich selbst Geheimdienstoffizier gewesen. Zwanzig Jahre nach seiner Verurteilung wurde er übrigens geadelt. Mackenzie ist nicht nicht der einzige Schriftsteller von Spionageromanen gewesen, der im Geheimdienst gewesen war. Auch John Buchan, Graham Greene, Ian Fleming und John le Carré (um nur einige zu nennen) können auf solche Erfahrungen zurückgreifen. In Water on the Brain hat sich Mackenzie dafür gerächt, dass die Geheimdienste seine Memoiren verboten haben. Der Geheimdienst muss in dem Roman seinen Sitz Pomona Lodge im Norden Londons aufgeben, weil ein Spionageromanautor in einem Roman den Ort enthüllt hat, und Mackenzie setzt noch eins drauf: Pomona Lodge is now an asylum for the servants of bureaucracy who have been driven mad in the service of their country.

Dies hier ist Sir George Mansfield Smith-Cumming, der erste englische Geheimdienstchef. Er pflegte alle Akten mit grüner Tinte mit dem Kürzel C abzuzeichnen, was seine Nachfolger übernahmen. Nur in den Romanen von Ian Fleming nicht, da heißt Sir Miles Messervy schlicht M. Und kann natürlich nur durch Bernard Lee dargestellt werden. Aber wenn die Geheimdienstchefs auch die Aura des Gentleman haben, sollen wir uns nicht täuschen lassen. Spionage ist ein schmutziges Geschäft, sagt man gemeinhin. Sie streitet sich mit der Prostitution um den Titel, das älteste Gewerbe der Welt zu sein.

Dass die Spione in Compton Mackenzies Roman in der Irrenanstalt landen, ist ein schöner Gedanke. Vielleicht ist die NSA Zentrale, die man Crypto City nennt, ja nichts anderes als Mackenzies Pomona Lodge. Eine Heimat für paranoide Computer nerds. Was wird aus all den Spionen? Also außer denen, die Spionageromane schreiben oder whistleblower werden? Man kann der Welt entkommen, der Amerikaner ➱Benjamin Thompson wäre da ein schönes Beispiel. Er beginnt im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg als Spion der Engländer. Erfindet sogar eine unsichtbare Tinte. Und was wird aus ihm? Ein Mann der Aufklärung, der Wissenschaft, ein Wohltäter der Menschheit.

Er sollte all den Spionen mit Schlapphut oder den spionierenden nerds am Computer ein Vorbild sein. Werdet Aufklärer! Wagt zu denken! Bedenkt immer, dass der Präsidentschaftskandidat Obama vor fünf Jahren gefordert hat: Protect Whistleblowers: Often the best source of information about waste, fraud, and abuse in government is an existing government employee committed to public integrity and willing to speak out. Such acts of courage and patriotism, which can sometimes save lives and often save taxpayer dollars, should be encouraged rather than stifled. We need to empower federal employees as watchdogs of wrongdoing and partners in performance. Barack Obama will strengthen whistleblower laws to protect federal workers who expose waste, fraud, and abuse of authority in government. Obama will ensure that federal agencies expedite the process for reviewing whistleblower claims and whistleblowers have full access to courts and due process. Nein, das ist jetzt keine böse Satire, die ich mir eben ausgedacht habe, das steht in Obamas ➱Wahlkampfprogramm 2008. Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern? Aber lassen wir uns nicht entmutigen, man spricht viel von aufklärung und wünscht mehr licht. mein gott, was hilft aber alles licht, wenn die leute entweder keine augen haben, oder die, welche sie haben, vorsätzlich verschlieszen. Es gibt viel zu tun, packen wir's an. Yes, we can.

Come, my friends, 'tis not too late,
For we are the movers and shakers
Of the world for ever, it seems;
To strive, to seek, to find and not to yield.

Und wenn Sie alles zum Spionageroman - der ja eine Art von ➱factifiction ist - wissen wollen, dann klicken Sie ➱hier. Ist amüsanter als die Erklärungen von Herrn Pofalla.

2 Kommentare:

  1. Sie meinen doch bestimmt MI5 und MI 6?

    Ich nehme dann einmal an, ein Tom Clancy Liebhaber sind Sie sicherlich nicht. Muss auch nicht sein, denn als unverbesserlicher patriotischer Amerikaner hat der gar nichts gegen Geheimdienste. Seine Hauptfigur in vielen Romanen wird nicht nur mal Operationsdirektor der CIA und dann deren Chef sondern später auch President. Ich mag die Romane von Clancy und hoffe mir damit nicht Ihre Gunst verscherzt zu haben.

    Von solchen Leuten wie ihre MAD-Spys könnte ich auch erzählen, nur kamen die bei mir von der sogenannten Abteilung 2000. Als Offizier war man ja nun auch nicht unbeobachtet, trotz des tollen Klassenstandpunktes. Punkt.

    Spaßig war, dass das der Roman von Harry THÜRK "TAIFUN" in keiner Buchhandlung zu haben war. Hauptfigur ein OSS - Agent in Peking von 1943 bis 1973. Tolles Buch in drei Teilen. Gabs aber nur im oben genannten Ministerium, bis 1989 zumindest. Die Dame in der Bibliothek im Haus des Buches am Dresdner Altmarkt hielt mich für ziemlich dämlich, als ich nach einem Buch frage, welches es augenscheinlich in keiner Bibliografie gab. Obwohl ich den ersten Teil schon gelesen hatte. Denn ich kannte da einen, der einen kannte...

    Noch ein Wort zur Aufklärung: Eine Polizeidienstvorschrift wurde vor einiger Zeit vom fast offenen in den Verschlusssachenstatus überführt. Daher muss ich mit dem Zitat vorsichtig sein und verschweige die Quelle: "Aufklärung ist Aufgabe eines jeden PVB (Polizeivollzugsbeamter) in jeder Lage, zu jeder Zeit auch ohne besonderen Auftrag" Ich nehme an, dies ist nicht der Grund für die Geheimhaltungsstufe.

    Jedenfalls haben mich ihre Zeilen sehr amüsiert und ich empfehle die Romane FALSCH und HEISS des Österreichers Gerd Schilddorfer. Der hat dort auch auch ein paar seltsame Geheimdienstler zu laufen. Interessanterweise...

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  2. Es hat immer auch jenseits des sogenannten Eisernen Vorhangs gute Kriminal- und Spionageromane gegeben. Freunde, die mehr davon verstehen als ich, haben mich immer wieder mit solchen vorsorgt. Harry Thürk ist sicher ein unterschätzter Autor, aber meine beste Entdeckung war das Brüderpaar Arkadi und Georgi Wainer. Wenn ich mal Zeit habe, schreibe ich vielleicht mal etwas dazu.

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