Donnerstag, 14. April 2016

Simon Dach


Im Evangelischen Namenkalender ist heute der Gedenktag für Simon Dach. Das Projekt Gutenberg hat nur drei Gedichte von dem Barockdichter im Netz, ➱Zeno präsentiert glücklicherweise viel mehr. Wir kennen Simon Dach heute noch, weil er Ännchen von Tharau geschrieben hat. Und weil ihn Günter Grass in den Roman Das Treffen in Telgte geschrieben hat. Da hat die Romanfigur Simon Dach seine Dichterkollegen ein Jahr vor dem Ende des Dreißigjährigen Krieges nach Oesede eingeladen. Und da kommen sie alle: 

Lauremberg und Geflinger kamen von Jütland hoch, von Regensburg runter zu Fuß, die anderen beritten oder in Planwagen. Wie einige flussab segelten, nahm der alte Weckherlin von London nach Bremen den Schiffsweg. Sie reisten von nah und fern, aus allen Gegenden an. Ein Kaufmann, dem Frist und Datum geläufig wie Gewinn und Verlust sind, hätte erstaunen können über den pünktlichen Eifer der Männer des bloßen Wortgeschehens, zumal die Städte und Ländereien noch immer oder schon wieder verwüstet, mit Nesseln und Disteln verkrautet, von Pestilenz zersiedelt und alle Wege unsicher waren. Deshalb erreichten Moscherosch und Schneuber, die von Straßburg her die Reise gemacht hatten, ausgeraubt (bis auf ihre den Wegelagerern nichtsnutzen Manuskripttaschen) das abgesprochene Ziel: Moscherosch lachend und um eine Satire reicher; Schneuber jammernd und schon die Schrecken des Rückweges vor Augen. Dass Georg Rudolf Weckherlin in London ist, hat Günter Grass nicht erfunden. Der war als Sekretär von Friedrich von der Pfalz (dem Winterkönig) nach London gekommen. Jetzt ist er auch noch Secretary for Foreign Tongues. Den Posten wird er wenig später abgeben, er arbeitet aber seinen Nachfolger (einen gewissen ➱John Milton) noch ein.

Der Gasthof in Oesede, wohin Simon Dach eingeladen hat, ist allerdings gerade von der schwedischen Armee okkupiert worden, wahrscheinlich ist der Oberst ➱William Forbes auch dabei. Die Herren Dichter denken schon an die Heimreise, aber da ist ein rotbärtiger Kerl, der sich Christoffel Gelnhausen nannte. Der weiß Rat, er requiriert mit seinem Haufen kaiserlicher Reiter Kutschen für die Herren Poeten und bringt sie nach Telgte. Er kennt da eine Kneipe, genauer gesagt, hat er etwas mit der Wirtin am Laufen. Wenn der Krieg zu Ende ist, wird er die Armee verlassen, Schriftsteller werden und die Wirtin in einen Roman hineinschreiben.

Telgte ist ein Kaff zwischen Münster und Osnabrück, auf der Grenzlinie zwischen Protestanten und Katholiken. Ich weiß, wo das ist. Wenn Sie ➱Zweite Heimat gelesen haben, wissen Sie weshalb. Dieser Christoffel Gelnhausen - der kein anderer als Grimmelshausen (hier im Bild) ist - muss erst einmal den Gasthof von den hansischen Kaufleuten räumen, die am nächsten Tag nach Bremen wollen. Er macht das auf seine eigene Art: Als sich die Herren eine schriftliche Begründung ihrer Ausweisung erbaten, zog Gelnhausen seinen Degen, nannte den seinen Federkiel, wollte wissen, wem er's zuerst schriftlich geben sollte, und sagte dann: Er müsse die jetzt gleich abreisenden Gäste des Brückenhofes dringlich ersuchen, im Namen des Kaisers und seiner Widersacher, Stillschweigen über den Anlass des plötzlichen Aufbruchs zu wahren, beim Mars und seinen scharfen Hunden

Das Treffen in Telgte ist ein schöner doppelbödiger Roman, man merkt ihm an, dass er dem Autor, der ja immer einen Hang zum barocken Wortschwall hatte, Vergnügen bereitet hat. Am Ende des Treffens einigen sich die Vertreter der deutschen Literatur des 17. Jahrhunderts (die barocken Vorläufer der Gruppe 47) auf ein Friedesmanifest:

Ganz ohne Rists Donnerworte kam der neue Text aus. Keine letzte Wahrheit wurde verkündet. Schlicht las sich die Bitte der versammelten Poeten, gerichtet an alle den Frieden suchenden Parteien, die Sorgen der zwar ohnmächtigen, aber doch der Unsterblichkeit verdingten Poeten nicht gering zu achten. Ohne den Schwed, den Franzos als Landräuber haftbar zu machen, ohne den bayrischen Landschacher zu verklagen und ohne Nennung auch nur einer der zerstrittenen Konfessionen wurden mögliche Gefahren und Friedenslasten mit Blick in die Zukunft kundgegeben: Es könnten sich in das ersehnte Friedenspapier Anlässe für künftige Kriege schleichen; es werde, bei fehlender Toleranz, der so heiß ersehnte Religionsfrieden nur weiteren Glaubenszwist zur Folge haben; es solle doch, bitte, mit der Erneuerung der alten Ordnung, so sehr deren Segen erwünscht sei, das altgewohnte Unrecht nicht miterneuert werden; und schließlich die Sorge der versammelten Dichter als Patrioten: Es drohe dem Reich Zerstückelung dergestalt, dass niemand mehr in ihm sein Vaterland, das einstmals deutsch geheißen, erkennen werde.

Das Friedensmanifest bleibt unverkündet, weil inzwischen Feurio gerufen wurde. Die Herren fliehen aus dem Gasthof, dessen Reetdach brennt: Zwischen den Gräten des Fischgerichtes war auf dem langen Tisch der Friedensaufruf der deutschen Poeten vergessen worden. Aber vielleicht steht ja ein wenig von dem Manifest in Simon Dachs Gedicht Lied der Freundschaft:

Der Mensch hat nichts so eigen,
So wohl steht ihm nichts an,
Als daß er Treu erzeigen
und Freundschaft halten kann;
Wann er mit seinesgleichen
Soll treten in ein Band,
Verspricht sich nicht zu weichen,
Mit Herzen, Mund und Hand.

Die Red' ist uns gegeben,
Damit wir nicht allein
Für uns nur sollen leben
Und fern von Leuten sein;
Wir sollen uns befragen
Und sehn auf guten Rat,
Das Leid einander klagen,
So uns betreten hat.

Was kann die Freude machen,
Die Einsamkeit verhehlt?
Das gibt ein doppelt Lachen,
Was Freunden wird erzählt.
Der kann sein Leid vergessen,
Der es von Herzen sagt;
Der muß sich selbst zerfressen,
Der in geheim sich nagt.

Gott stehet mir vor allen,
Die meine Seele liebt;
Dann soll mir auch gefallen,
Der mir sehr herzlich gibt;
Mit diesen Bundsgesellen
Verlach' ich Pein und Not,
Geh' auf den Grund der Höllen
Und breche durch den Tod.

Ich hab', ich habe Herzen
So treue, wie gebührt,
Die Heuchelei und Schmerzen
Nie wissentlich berührt;
Ich bin auch ihnen wieder
Von Grund der Seelen hold,
Ich lieb' euch mehr, ihr Brüder,
Als aller Erden Gold.

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