Nun, Bourrienne, auch Sie werden unsterblich sein. - Und weshalb, General? - Sind Sie nicht mein Secretair? Nennen Sie mir den von Alexander. Wo er Recht hat, da hat er Recht, der General. Und wenn wir den Privatsekretär Napoleons Louis-Antoine Fauvelet de Bourrienne heute noch in der Erinnerung haben, dann wegen der zehn Bände seiner Memoiren (wenn Sie sie lesen wollen, klicken Sie ➱hier). Abenteuerlich zu lesen, nicht unbedingt zuverlässig. Viele Historiker nehmen allerdings den Teil über Napoleons ➱Ägyptenexpedition durchaus ernst.
Eine Kurzfassung des Lebens von Bourrienne liefert uns zwei Jahrzehnte nach seinem Tod ein Deutscher, der nicht unbedingt als Historiker hervorgetreten ist: Bourrienne, Louis-Antoine Fauvelet de, Privatsekretär Napoleons, geboren am 9. Juli 1769 in Sens, gestorben in der Nähe von Caen am 7. Februar 1834. Er trat 1778 in die Militärschule von Brienne ein und war dort etwa 6 Jahre Mitschüler Napoleons. Von 1789 bis 1792 verbrachte er seine Zeit als Attaché an der französischen Botschaft in Wien, als Student des internationalen Rechts und der nordischen Sprachen in Leipzig und am Hofe von Poniatowski in Warschau. Nach seiner Rückkehr nach Paris erneuerte er seine vertrauten Beziehungen zu Napoleon, der damals ein armer Offizier ohne Freunde war; aber die entscheidende Wendung, die die revolutionären Ereignisse nach dem 20. Juni 1792 nahmen, veranlaßten ihn, wieder nach Deutschland zu gehen. 1795 fuhr er jedoch nach Paris zurück und begegnete dort erneut Napoleon, der ihn jedoch kühl behandelte; aber als er sich gegen Ende 1796 wieder an ihn gewandt hatte, wurde er ins Hauptquartier gerufen und sofort zum Privatsekretär Napoleons ernannt. Nach dem zweiten italienischen Feldzug erhielt Bourrienne den Titel eines Staatsrats, wurde in den Tuilerien untergebracht und zum Familienkreise des Ersten Konsuls zugelassen. 1802 machte das Bankhaus Coulon, Armeelieferant, dessen Teilhaber Bourrienne insgeheim geworden war und dem er das lukrative Geschäft der Lieferung der ganzen Kavallerieausrüstung verschafft hatte, mit einem Defizit von 3 Millionen Bankrott; der Chef des Hauses verschwand, und Bourrienne wurde nach Hamburg versetzt. 1806 wurde er beauftragt, die strikte Durchführung von Napoleons Kontinentalsystem in Hamburg zu beaufsichtigen. Da der Hamburger Senat, von dem er 2.000.000 Francs erhalten hatte, und Zar Alexander, dessen Verwandten, den Herzog von Mecklenburg, er ebenfalls mit Geldstrafe belegt hatte, ihn der Veruntreuung beschuldigten, sandte Napoleon eine Kommission zur Untersuchung seines Verhaltens und befahl ihm, 1.000.000 Francs an die kaiserliche Schatzkammer zurückzuzahlen.
So lebte er, ein in Ungnade gefallener und ruinierter Mann, in Paris bis zu Napoleons Untergang im Jahre 1814; dann erschien er wieder auf der Bildfläche, erhielt seine Million von der französischen provisorischen Regierung zurückgezahlt, wurde von ihr zum Generaldirektor der Post ernannt, dann von diesem Posten durch Ludwig XVIII. abgesetzt, jedoch von demselben Fürsten bei den ersten Gerüchten von Napoleons Rückkehr von Elba zum Präfekten der Pariser Polizei ernannt, einem Posten, den er acht Tage innehatte. Da Napoleon ihn in seinem Dekret vom 13. März aus Lyon von der allgemeinen Amnestie ausgeschlossen hatte, folgte er Ludwig XVIII. nach Belgien, wurde von dort nach Hamburg geschickt und nach seiner Rückkehr nach Paris zum Staatsrat, später zum Staatsminister gemacht. Seine Geldverlegenheiten zwangen ihn, 1828 in Belgien auf einem Landsitz der Herzogin von Brancas in Fontaine l'Evêque, unweit von Charleroy, Zuflucht zu suchen. Hier schrieb er, unterstützt von Herrn de Villemarest und anderen, seine "Memoiren" (10 Bände, Oktav), die 1829 in Paris erschienen und große Aufregung hervorriefen. Er starb im Irrenhaus.
Das schreibt zwei Jahrzehnte nach Bourriennes Tod niemand anderer als ➱Karl Marx. Irgendwie muss man ihn ja bewundern, diesen Monsieur de Bourrienne, er versteht es, immer auf der richtigen Seite zu sein. Wenn man ihn als einen Wirtschaftskriminellen bezeichnen will, dann ist er das im großen Stil. Da können die Herren von der Deutschen Bank noch etwas lernen. In Hamburg erinnert man sich allerdings an Bourrienne viel lieber als an den Marschall Davoût. Denn der französische Sondergesandte de Bourrienne, der gekommen war, um die Kontinentalsperre gnadenlos durchzusetzen und den Handel mit England zu unterbinden, ließ mit sich handeln. Offensichtlich war die gute alte lateinische Weisheit manus manam lavat seine Devise, und gegen kleine und größeres douceurs war Monsieur de Bourrienne ein Freund des freien Welthandels. Auf diesem Bild werden gerade englische Waren auf dem Grasbrook verbrannt, aber das ist wohl nur just for show. Der größte Teil der englischen Waren findet seine Abnehmer.
Als Napoleon, mit dem zusammen Bourrienne auf der Kadettenschule gewesen war, im Frühjahr 1807 in Ostpreußen ist - die Schlacht von Preußisch-Eylau war gerade geschlagen - eine große Menge von Militärmänteln bei Bourrienne ordert, was tut der geschäftstüchtige Mann da? Sie ahnen es, er bestellt sie in England: I have already mentioned that I received an order from the Emperor to supply 50,000 cloaks for the army. With this order, which was not the only one I received of the same kind, some circumstances were connected which I may take the present opportunity of explaining. The Emperor gave me so many orders for army clothing that all that could be supplied by the cities of Hamburg, Bremen, and Lübeck would have been insufficient for executing the commissions. I entered into a treaty with a house in Hamburg, which I authorised, in spite of the Berlin decree, to bring cloth and leather from England. Thus I procured these articles in a sure and cheap way. Our troops might have perished of cold had the Continental system and the absurd mass of inexecutable decrees relative to English merchandise been observed. Dieser Mantel gehörte nicht zu dem Lieferkontigent, das ist der Mantel Napoleons.
Doch der Marschall ➱Davoût, der Bourrienne nicht ausstehen kann, schickt einen Beschwerdebrief nach dem anderen an Napoleon. Die der zuerst nicht beachtet, bis er dann 1810 an Davoût schreibt: Mon cousin, Je vous prie de prendre des informations sûres pour m'éclairer sur ce qui se passe à Hambourg, entre autres choses sur ce que fait le sieur Bourrienne qu'on soupçonne de faire une immense fortune en contrevenant à mes ordres. Wenn Davoût Bourrienne wegen persönlicher Bereicherung verfolgt (er vermutet, dass Bourrienne das Geld in Grundbesitz in Holstein und Mecklenburg angelegt hat), dann ist das natürlich ein klein wenig komisch. Die Engländer haben dafür das schöne Idiom The pot calling the kettle black. Denn wenn es jemanden gibt, der Hamburg systematisch ausplündert, dann ist es Davoût, den man auch den Robespierre von Hamburg nennt. Kunst klaut er zwar nicht, wie sein Kollege Soult das macht (lesen Sie doch dazu den Post ➱Kunstraub), davon gibt es in der Stadt der Pfeffersäcke zu wenig.
Als Blücher 1814 Paris einnimmt, besucht er auch Bourrienne (der gerade Generaldirektor der Post geworden ist), dessen Gefangener er zehn Jahre zuvor in Hamburg war. Die Herren sind nur nett zueinander. Auf jeden Fall in der Version von Bourrienne: "Sir," said he, "I consider it one of my first duties on entering Paris to thank you for the attention I received from you in Hamburg. I am sorry that I was not sooner aware of your being in Paris. I assure you that had I been sooner informed of this circumstance the capitulation should have been made without a blow being struck. How much blood might then have been spared!"—"General," said I, "on what do you ground this assurance?"—"If I had known that you were in Paris I would have given you a letter to the King of Prussia. That monarch, who knows the resources and intentions of the Allies, would, I am sure, have authorised you to decide a suspension of arms before the neighbourhood of Paris became the theatre of the war."—"But," resumed I, "in spite of the good intentions of the Allies, it would have been very difficult to prevent resistance. French pride, irritated as it was by reverses, would have opposed insurmountable obstacles to such a measure."—"But, good heavens! you would have seen that resistance could be of no avail against such immense masses."—"You are right, General; but French honour would have been defended to the last."—"I am fully aware of that; but surely you have earned glory enough!"—"Yet our French susceptibility would have made us look upon that glory as tarnished if Paris had been occupied without defence ... But under present circumstances I am well pleased that you were satisfied with my conduct in Hamburg, for it induces me to hope that you will observe the same moderation in Paris that I exercised there. The days are past when it could be said, Woe to the conquered."—"You are right; yet," added he, smiling, "you know we are called the northern barbarians."—"Then, General," returned I, "you have a fair opportunity of showing that that designation is a libel."
Als Napoleon fiel, war Bourrienne sofort auf der Seite der Bourbonen, unter denen er weiter aufsteigt. Bis zum Staatsminister. Die Julirevolution von 1830 (und der damit einhergehende Verlust seines Vermögens) verwirren den Verstand des Louis-Antoine Fauvelet de Bourrienne, er wird ein wenig wunderlich. Heute vor 180 Jahren starb er in Caen. Louis-Antoine Fauvelet de Bourrienne est décédé le 7 février 1834 près de Caen dans une maison d'aliénés où sa famille l'avait relégué vermeldete der Intermédiaire des chercheurs & curieux. Das klingt doch gefälliger als der Satz: Er starb im Irrenhaus bei Karl Marx.
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