Freitag, 29. Juli 2016

Parteitag


Es muss noch Satiriker und Zyniker bei arte geben. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass der Sender auf dem Höhepunkt des Parteitages der Republikaner den Film The Manchurian Candidate (Botschafter der Angst) sendete (zum ersten Mal ungekürzt). Leslie Halliwell gibt dem Film vier Sterne (und das will viel heißen), die englische Filmkritikerin Penelope Houston urteilte: the unAmerican fim of the year. Und Pauline Kael schrieb in 5001 Nights at the Movies: The picture plays some wonderful, crazy games about the Right and the Left; although it’s a thriller, it may be the most sophisticated political satire ever made in Hollywood. Es ist ein Schwarzweißfilm, in dem noch ein wenig vom Film Noir steckt. Der Film sagt auch viel über die schlimmste Phase der Paranoia, die Amerika noch nicht ganz hinter sich hat: die McCarthy Jahre.

Dies ist der perfekte Film für die Liebhaber von Verschwörungstherorien. Die Britin Angela Lansbury spielt hier nicht die Miss Marple des amerikanischen Fernsehens, sie spielt die Gattin eines immens doofen Politikers namens Iselin, der ins Weiße Haus möchte. Das ist nicht so weit von der Wirklichkeit entfernt, wenn jemand immens doof ist und ins Weiße Haus möchte. Was John Yerkes Iselin, der als Kommunistenjäger auftritt, nicht weiß, ist die Tatsache, dass seine Frau Eleanor eine Kommunistin ist.

Die mit Moskau und Peking einen Teufelspakt gemacht hat. Weil sie ein manipulierbares Killerwerkzeug braucht, nur mit Mord kommt man an die Macht. Das weiß diese Nachfahrin von Lady Macbeth nur zu gut. Die Kommunisten schicken ihr ihren eigenen Sohn aus erster Ehe, den sie im Koreakrieg einer Gehirnwäsche unterzogen haben. Wenn er eine Karodame sieht, wird er töten, dafür hat ein Spezialist des Moskauer Pavlov Instituts (der wie Dr Fu Manchu aussieht). An dieser Stelle müssen wir einmal Coleridges schönes Wort der willing suspension of disbelief zitieren, denn das ist ein wenig zu viel des Guten, insanely plotted, heißt es bei Leslie Halliwell.

Der Sergeant Raymond Shaw (gespielt von Laurence Harvey), Träger der Tapferkeitsmedaille, weiß nichts davon, dass er ein Auftragsmörder ist. Doch sein Major, gespielt von Frank Sinatra, ahnt die Wahrheit über das, was damals in Korea passierte. Alpträume quälen ihn. Er hat seinen Sergeant nie gemocht. Sinatra hat auch Laurence Harvey nie gemocht. Er hat behauptet, dass Harvey schwul sei und ihn unsittlich berührt habe: He has the handicaps of being a homo, a Jew, and a Polock, so people should go easy on him. 

Da wir gerade beim Thema Sex sind, habe ich hier noch etwas Unappetitliches. Bevor Mrs Eleanor Iselin ihrem Sohn den Mordauftrag gibt, damit er auf dem Parteitag den Präsidentschaftskandidaten erschießt, hat sie Sex mit ihm. Auf jeden Fall in Richard Condons Roman. In einem Hollywoodfilm geht das nun ganz und gar nicht, da wird nur geküsst. Und außerdem kann Angela Lansbury gar nicht die Mutter von Laurence Harvey sein: sie ist nur drei Jahre älter als er.

Aber zurück zum Film, den ich 1963 zum ersten Mal sah. Es war das Jahr, in dem John F. Kennedy erschossen wurde, da verschwand der Film aus dem Programm der Kinos. Aber die Cineasten haben den Film nie vergessen (dass Jonathan Demme ein Re-Make von dem Film gedreht hat, das vergessen wir mal schnell), er ist zu einem Kultfilm geworden.

Ich habe hier zu Schluss die Rede, die Angela Lansbury hält, wenn sie ihm den Mordbefehl gibt: You are to shoot the presidential nominee through the head. And Johnny will rise gallantly to his feet and lift Ben Arthur's body in his arms, stand in front of the microphones and begin to speak. The speech is short. But it's the most rousing speech I've ever read. It's been worked on, here and in Russia, on and off, for over eight years. I shall force someone to take the body away from him and Johnny will really hit those microphones and those cameras with blood all over him, fighting off anyone who tries to help him, defending America even if it means his own death, rallying a nation of television viewers to hysteria, to sweep us up into the White House with powers that will make martial law seem like anarchy. Now, this is very important. I want the nominee to be dead two minutes after he begins his acceptance speech -- depending on his reading time under pressure. You are to hit him right at the point that he finishes the phrase, "Nor would I ask of any fellow American in defense of his freedom that which I would not gladly give myself -- my life before my liberty." Is that absolutely clear?

Ich fand den Satz rallying a nation of television viewers to hysteria, to sweep us up into the White House einfach wunderbar. Um nichts anderes geht es in Amerika.

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