Mittwoch, 27. Juli 2016

Joseph Anton Koch


Schreibe ich über Joseph Anton Koch oder lasse ich es? Die Frage stellte mir, als ich auf das Kalenderblatt vom 27. Juli bei Wikipedia schaute. Der Maler wurde am 27. Juli 1768 geboren, in seiner Jugend hatte er noch Ziegen gehütet. Durch die Empfehlungen eines Bischofs war er zur Karlsschule nach Stuttgart gekommen, einer Militärakademie, die einige Berühmtheit hatte, weil Friedrich Schiller da auch gewesen war. Der war noch mit fünfzehn Bettnässer, was die Biographen auf den harten militärischen Drill schieben. Joseph Anton Koch hat die Militärakademie nach sechs Jahren verlassen, der mit der französischen Revolution sympathisierende Eleve kam damit einem Rausschmiss zuvor. Malte aber mal eben diese schöne Karikatur auf die Kunstpraxis an der Hohen Karlsschule.

Und floh erst einmal in die Schweiz, danach ging er nach Italien, wo er bis zu seinem Tode blieb. Die Alpen vergaß er nie, er malte viele Bilder, die man als heroische Landschaft bezeichnet. So etwas ist in der Geschichte der Malerei nicht ganz neu, schon ➱Nicolas Poussin hatte solche Bilder gemalt. Aber die Romantik wird das Thema neu entdecken, sogar der Schriftsteller Gottfried Keller wird eine solche heroische Landschaft malen.

Auf diesem Bild von Blunck, das den Bildhauer Bertel Thorvaldsen (ganz rechts am Tisch) und seine Freunde in einer römischen Trattoria zeigt, ist Joseph Anton Koch leider nicht mit drauf. Hätte er aber sein können, denn er war mit ihm befreundet, und der Katalog Künstlerleben in Rom. Bertel Thorvaldsen (1770-1844): Der dänische Bildhauer und seine Freunde hat eine Vielzahl von Einträgen für seinen Namen. Die Ateliers von Thorvaldsen und Koch werden für Jahrzehnte die Anlaufstationen für alle durchreisenden Künstler sein (auch ➱Blechen wird bei Koch wohnen). Das Bild von Detlev Blunck war übrigens schon in dem Post ➱Bertel Thorvaldsen zu sehen.

Die Landschaft mit dem Regenbogen hat Koch 1805 gemalt, es ist das Jahr, in dem er mit dem ➱Schmadribachfall beginnt. Den lässt er aber erst einmal auf der Staffelei (oder in einer Ecke des Studios) stehen, erst 1811 wird er ihn vollenden. Das Bild ist heute in Leipzig, die Neue Pinakothek München hat eine spätere Fassung. Die früheste Fassung des Bildes ist dieses Aquarell von 1794, das das Kunstmuseum Basel besitzt. Es ist in seinem Detailreichtum und der Luftigkeit der Farben vielleicht schöner als die anderen Bilder.

Koch hat sein Bild in einem Brief an seinen Freund Robert von Langer selbst beschrieben als: Eine sozusagen prachtvolle Wildnis mit Gletscherkaskaden, Wolken, welche zum Teil die Gebirge umschleiern, machen den Hintergrund aus; In der Mitte befindet sich ein undurchdringlicher Wald von Tannen und anderem wilden Gewächs und Felstrümmern und stürzenden Wassern vermischt. Der Vordergrund ist die Tiefe des Tales, von frischem Grün erfreut, mit dem brausenden Strom der Steinberg Lütschüne, in welch sich oben gedachte Wasser stürzen. Der ich aus einem solchen Bergland geboren bin und mich selbst als Kind solcher majestätischer Natur schon immer freute und deren Erinnerung mir noch jetzt tief eingeprägt ist. Auch besitze ich sehr fleißige Zeichnungen nach der Natur hiervon.

Der Maler Joseph Anton Koch wäre mir eigentlich schnurzpiepeegal. Wenn da nicht diese Reproduktion des Schmadribachfalls wäre, die ich jahrelang an die Wände verschiedener Studentenbuden gepappt hätte. Ich weiß nicht weshalb. Aber ich kenne natürlich jeden Quadratzentimeter des Bildes. Die Reproduktion ist heute nicht mehr an der Wand, die ruht in einer großen Mappe im Keller. Wenn Sie mehr über Kochs Gemälde wissen wollen, dann kann ich Hilmar Franks kleines Buch in der hervorragenden Reihe Kunststück des Fischer Verlags empfehlen. Und diese ➱Seite auf der ein Kunstpädagoge didaktisch das Bild analysiert, besser kann man es nicht machen.

Die kleine Winzerstadt Olevano hatte Joseph Anton Koch um 1803 entdeckt. Er entdeckte da nicht nur die Schönheit dieser Landschaft, er entdeckte auch eine schöne Italienerin namens Cassandra Ranaldi, die er drei Jahre später heiratete. Besonders angetan hat es Koch ein Eichenwäldchen oberhalb von Olevano, das Serpentara (Schlangenwäldchen) heißt. Das wird dann für den Rest des Jahrhunderts für alle deutschen ➱Maler, die Rom besuchen (sogar für den Deutschamerikaner ➱Albert Bierstadt), die Vorlage für das Zeichnen von Eichen sein.

Als der Maler Edmund Kanoldt (diese Zeichnung des Serpentara Wäldchens ist von ihm) 1873 erfährt, dass man den Wald abholzen und zu Eisenbahnschwellen verarbeiten will, alarmiert er den deutschen Botschafter in Rom. Und dann gibt es eine beispiellose Aktion, Künstler sammeln und spenden (der Maler Carl Schuch übernimmt ein Viertel der Kosten), um das Wäldchen zu kaufen. Und da Deutsche immer übertreiben müssen, ist das Schlangenwäldchen inzwischen zu einem heiligen Eichenhain geworden.

Was wären wir Deutschen ohne Wald? Ohne das Lindenblatt, das auf Siegfried fällt, ohne Hermann den Cherusker, ohne ➱Wolfsschlucht, ohne Eichendorffs Wälder und die Märchen der Brüder Grimm? Könnte ich jetzt stundenlang drüber schreiben. Habe ich auch schon getan, ich liste unten einmal einige Posts zum Thema Wald auf. Und ich muss natürlich das Buch von Simon Schama Landscape and Memory (Der Traum von der Wildnis) erwähnen, das ein schönes Kapitel über den deutschen Wald hat.

Die Gegend von Olevano war nicht mehr unbedingt idyllisch, jetzt im Risorgimento häufen sich in der ruhigen Gegend die Überfälle durch banditti. Die kommen normalerweise auf den Bildern von ➱Salvator Rosa vor (dies ist eins seiner Bilder), aber es scheint sie auch in der Wirklichkeit zu geben. Die Malerin Louise Seidler (die Sie schon aus dem Post ➱Georg Friedrich Kersting kennen) hat in ihren Lebenserinnerungen davon berichtet, wie Briganten den Baron von Rumohr überfallen wollten und den Maler Friedrich Salathè entführten. Die Geschichte geht aber gut aus.

Wenn Deutsche sich etwas vornehmen, dann führen sie das auch zu Ende (vom Flughafen Berlin-Brandenburg einmal abgesehen), das Serpentara Wäldchen (hier ein Bild von August Lucas) wird nicht abgeholzt, es bleibt in deutscher Künstlerhand. Bis heute. Denn da gibt es die Villa Serpentara, die so etwas Ähnliches wie die Villa Massimo ist.

Obgleich ich die Alpen nicht unbedingt mag, schreibe ich doch häufig über sie. Wenn Sie den Post ➱Tanzseuche anklicken, finden Sie Links zu all den Alpen Posts. Ich war noch keinen Monat im Netz, da musste ich schon über die Alpen schreiben und in dem Post ➱Ästhetik diese kleine Geschichte erzählen: Aus der Zeit von Sir Arthur Conan Doyle (dem seine Schneider besonders dicke Tweedhosen gemacht hatten, damit er die verschneiten Hänge herunter rutschen konnte) datiert auch eine kleine Geschichte, die man sich in Bremen erzählt. Wo man sich ja englischer als die ➱Engländer gibt. Das tun die Hamburger ja auch, aber die sind für die Bremer ja nicht wirklich zurückhaltend englisch, eher schon neapolitanisch leichtlebig. Also, eine Bremer Senatorenfamilie fährt mit der Eisenbahn in die Alpen. Und angesichts des Panoramas der schneebedeckten Berge und des ewigen Eises springt der Sohn auf und ruft: Guck mal, Vadder. Was scheun. Die Alpens. Und der Vater sagt: Junge, exaltier Dir nicht so. Worauf die Mutter, das Verhalten des Juniors erklärend, einwirft: Das musst Du verstehen, er studiert ja nun schon ein Semester in Hamburg.

Es wird nicht verwundern, dass es in einem Blog namens SILVAE manchmal um Wälder geht. Lesen Sie auch: silvae: Wälder: Lesen, Eisenhammer, Deutsche Romantik, Wolfsschlucht, Lützow, Moritz von Schwind, Vollmond, Caspar David Friedrich, Adalbert Stifter, Zweite Heimat

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