Donnerstag, 5. Oktober 2017

Weltlandschaften


Da links ist die schöne Welt, da rechts, da möchten wir nicht wohnen. Zwischen den beiden Welten ist das Wasser des Grauens, der Totenfluß Styx. Der flämische Maler Joachim Patinir, der am 5. Oktober 1524 in Antwerpen starb, hat dieses Bild gemalt. Wir wissen nicht so viel über Patinir. Er hat ➱Dürer gekannt, und er war mit Quintin Massys befreundet.

Albrecht Dürer war sogar auf der Hochzeit von Patinir: Item am sondag vor der creutzwochen hat mich maister Joachim, der gut Landschafft mahler, auf sein Hochzeit geladen und mir alle ehr erbotten. Dürer hat ihn auch gezeichnet, er sieht ein wenig traurig aus. Patinir hat Landschaften gemalt, er ist einer der ersten in Europa, der die Landschaftsmalerei pflegt. ➱Kenneth Clarke hat in ➱Landscape into Art über ihn gesagt, er sei the first painter to make landscapes more important than his figures. Häufig sind diese Landschaften das, was man eine ➱Weltlandschaft nennt.

Und er malt bizarre Felsen und bizarre Wolken in seine polychromen Landschaften. Farben, die sich Walt Disney nicht schöner hätte ausdenken können, Menschen spielen in der Landschaft keine Hauptrolle. Sie sitzen klein unten in der Ecke, wie hier der Heilige Hieronymus (der bei Dürer natürlich ganz anders aussieht). Kunsthistoriker reden da auch nicht von Menschen, sondern von der Staffage. Und es ist auch nicht das pralle Menschenleben, das die Niederländer Jahrhunderte später auf die Leinwand bringen, es sind Szenen aus der Bibel oder ausgewählte Heilige.

Patinir findet wenig Beachtung in seiner Zeit, er hat auch nur wenige Bilder (29?) gemalt. Manche sind umstritten, wie dies hier. Keine Menschen zu sehen, nur ein grasender Esel. Es ist wahrscheinlich eine Darstellung der Ruhe auf der Flucht, Maria und Joseph sind verloren gegangen. Nur der grasende Esel ist noch da, es ist noch ein langer Weg nach Ägypten. Das Bild hat dem Dortmunder Bierbrauer Josef Cremer gehört und ist später in den Besitz von Daniël George van Beuningen gekommen. Der es dem Museum Boijmans Van Beuningen schenkte, da hängt es immer noch (im Augenblick ist es für eine Ausstellung ausgeliehen).

Auf diesem Bild von der Taufe Christi hat Patinir wieder die ganze Welt abgebildet. Und die bizzaren Felsen durften nicht fehlen (die Kreidefelsen von ➱Caspar David Friedrich sind auch ein wenig bizarr). Kenneth Clark vermutet bei diesen wirklichkeitsfremden Felsen: Perhaps another reason for the unreal mountains of Gothic landscape was that medieval man did not explore them: he was not interested. Noch sind Berge für den Menschen ➱Warzen auf der Erde, Petrarca ist noch nicht auf den ➱Mont Ventoux geklettert, die Ästhetisierung der ➱Bergwelt hat noch nicht begonnen. Dieses Bild beinhaltet übrigens eine kleine Sensation: die erste Darstellung des ➱Rheinfalls von Schaffhausen. Vielleicht sollte die ➱IWC mal ein Modell Joachim Patinir herausbringen, stilvoller als das Modell Boris Becker wäre das allemal.

Die Versuchung des Heiligen Antonius ist ein beliebtes Thema der Malerei, wahrscheinlich deshalb, weil man da nackte Frauen auf die Leinwand bringen kann. Ich glaube, ich habe das in dem Post ➱Aktmalerei schon gesagt. Die Frauen, die den tugendhaft asketischen Antonius hier in ➱Versuchung führen wollen, sind bekleidet, aber eigentlich interessieren sie uns nicht. Was uns interessiert, ist die Landschaft und der Himmel, der oben links bedrohlich die Versuchung orchestriert.

Dürer nannte seinen Kollegen einen Landschaftsmaler, aber die Gattung der Landschaftsmalerei wird noch lange brauchen, bis sie etabliert ist. So konstatierte der Engländer Edward Norgate in seinem Werk Miniatura; or, The art of limning im Jahre 1650: It is more than time to proceede to the second, which is Lanscape, or Landscape, (an Art soe new in England, and soe lately come a shore, as all the Language within our fower Seas cannot find it a Name, but a borrowed one, and that from a people that are noc great Lenders but upon good Securitie, the Duch). Perhaps they will name their owne Child.

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