Sonntag, 4. Februar 2018

Rheinnixen


Das Bild Siegfried and the Rhine Maidens von Albert Pinkham Ryder habe ich schon einmal in dem Post ➱Bayreuth abgebildet. Es passt natürlich für einen Post mit dem Titel Rheinnixen recht gut, auch wenn Wellgunde, Woglinde und Floßhilde hier heute nicht vorkommen. Und diese drei ➱Damen auch nicht. Die Oper, um die es heute geht, hat im Deutschen den Titel Die Rhein-Nixen Große romantische Oper in vier Akten, im französischen Original heißt die Oper Les Fées du Rhin. Feen und Nixen sind, wenn ich mich an die Märchenwelt erinnere, etwas verschiedenes. Andererseits reitet die Loreley in Eichendorffs Waldgespräch nachts durch den Wald und kämmt sich nicht die blonden Haare am Rhein:

So reich geschmückt ist Roß und Weib,
So wunderschön der junge Leib,
Jetzt kenn’ ich dich – Gott steh’ mir bei!
Du bist die Hexe Lorelei.


Feen und Nixen sind bei mir gut aufgehoben. Ich war 2010 gerade mal zwei Tage Blogger, da tauchten in dem Post ➱I skovens dybe stille ro schon Meerjungfrauen auf. Und der Post ➱Meerjungfrauen + Waldnixen ist sogar ein kleiner Bestseller, ➱Lurley und ➱Loreley gab es natürlich auch schon. Da passen mir die Rheinnixen gut, zumal das eine Oper von Jacques Offenbach ist. Am 4. Februar 1864 in Paris zur Uraufführung gebracht, 1865 in Köln in deutscher Fassung (bearbeitet von Alfred von Wolzogen) aufgeführt, und dann für mehr als ein Jahrhundert vergessen [die Partitur finden Sie ➱hier]. Offenbach hat einiges aus der Oper gerettet und anderweitig gebraucht, wenn Sie mal eben in die ➱Ouvertüre hineinhören, dann wissen Sie dass Sie das schon aus Hoffmanns Erzählungen als Barcarolle kennen. Was erstaunlich ist, ist dass der Komponist die zwei Arien der Armgard nicht wieder recycelt hat.

Die erste ist sicherlich ein Ohrwurm:

Dort, wo hundertjährige Eichen,
Dunkele Tannen stehen,
Singende Schatten sich zeigen,
Wundersam anzusehen,
Das sind jene jungen Schönen,
Die gesungen allzuviel,
Krank von sehnsüchtigen Tönen,
Früh erreichten des Lebens Ziel.
Jetzt ziehen sie vorbei
Mit ihrer süßen Melodei.


Ich habe das natürlich auch mit Musik und bewegten ➱Bildern. Die Sache mit den jungen Schönen und ihrer süßen Melodei hat einen kleinen Haken. Das ist so ähnlich wie in Eichendorffs Waldgespräch, wenn die Hexe Lorelei zu dem Ritter sagt: Es ist schon spät, es wird schon kalt, Kommst nimmermehr aus diesem Wald! Und so heißt es hier in der zweiten Strophe:

Alle, die vorüberziehen,
Lockt ihr seltsames Lied,
Besser doch ist's, sie zu fliehen;
Todt ist, wer sie sieht.
Wenn sie auf den Wogen gleiten,
Nicht gekräuselt wird das Naß;
Kommen sie über die Heiden,
Keiner sieht ihre Spur im Gras.
Jetzt ziehen sie vorbei
Mit ihrer süßen Melodei.


Eigentlich ist die Romantik ja schon zu Ende, aber Offenbach nennt sein Werk Große romantische Oper, da muss dann schon viel Märchenhaftes und Übernatürliches mit hinein. Das sind die Reste der Zauberoper, die schon E.T.A. Hoffmann in Undine oder Carl Maria von Weber in seinem ➱Freischütz verwendeten. Und wir als Nichtromantiker sind gewarnt, wenn junge Schöne mit süßer Melodei vorüberziehen, ist es besser sie zu fliehen. Die Armgard (wie sind in der Oper im Jahre 1522, da hat man solche Namen) hat noch eine schöne Arie, das ➱Vaterlandslied:

O könnt' ich's Allen sagen,
Wie meine Pulse schlagen 
Für Dich, mein Vaterland! 
Ich habe Dir mein Leben, 
Mein Alles hingegeben, 
Ich nehm das Glas zur Hand 
Und trink es Dir und ruf es laut: 
Du, Vaterland, bist meine Braut! 
Du liebes Land, Du schönes Land 
Du schönes, großes deutsches Vaterland 
Du liebes Land, Du schönes Land! 
Du schönes, großes deutsches Vaterland!

Schöne Gefühle. Wir sind in den deutschen Ritterkriegen, Franz von Sickingen gegen Richard von Greiffenklau, Mord und Totschlag. Und gegen die Brutalität der ganzen Soldateska singt Armgard das Vaterlandslied. In der Wirklichkeit geht der Krieg immer weiter. Zwei Monate nach der Premiere von Les Fées du Rhin erobern die Deutschen die Düppeler Schanzen, sechs Jahre später steht Moltke vor Paris.

Bei der Aufführung der Oper in Trier im Jahre 2005 hat man vielleicht ein wenig zu viel des Guten an Krieg und Gewalt auf die Bühne gebracht: Ist die musikalische Interpretation mit Einschränkungen akzeptabel, so ist die szenische Realisation schlichtweg misslungen. Das betrifft jenseits jeglicher Interpretation zunächst die unsägliche Ausstattung von Karin Fritz, die den Etat der Maskenbildnerei auf Jahre hin verbraucht haben dürfte und mit einer ans Absurde grenzenden Lust am Theaterblut manchen so sicher nicht gewollten Lacher provoziert. 

Und so schön der Gedanke auch ist, einen Riss, der durch Welt, Vaterland oder auch nur durch die Seele geht, bildlich auf der Bühne zu zeigen – wenn man dann keinen Platz mehr für Solisten, Chor und Statisten hat und diese mühsam hin und her schieben muss, dann ist diese Idee nicht praktikabel. An solchen handwerklichen Schwächen krankt die Aufführung an allen Ecken und Enden. Eine Vergewaltigung auf offener Bühne in voller Grausamkeit zu zeigen ist eine Sache, über die man unter Umständen diskutieren kann; dieses aber im Rhythmus der Koloraturen, die die Sängerin dabei zu singen hat, ablaufen zu lassen ist ebenso peinlich wie albern und konterkariert jeglichen Interpretationsansatz.

Wenn Sie den Rest dieser wunderbaren Rezension lesen wollen, dann klicken Sie ➱hier (für Pressezitate für die Rezeption der Oper klicken Sie bitte ➱hier). Der Rezensent der Trierer Aufführung schloss seine Betrachtung mit den Sätzen: Keine Rehabilitation für die Rheinnixen - dazu ist die Inszenierung zu weit vom Werk entfernt. Immerhin lässt sich musikalisch erahnen, welches Potential in dieser Oper steckt, die aber weiterhin auf eine (deutsche Erst-) Aufführung, die dem Stück wirklich gerecht wird und an der man Stärken und Schwächen abwägen könnte, wartet. Wir warten. Vielleicht bekommt man das in Paris ja einmal hin, die ganze Oper aufzuführen.

Lesen Sie auch: Jacques Offenbach, La Périchole, ArkadienChe farò senza Euridice

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