Auf der Seite poets.org kann man über den diesjährugen amerikanischen National Poetry Month lesen: Now, as we face an unprecedented circumstance, National Poetry Month has taken on new meaning and importance. More and more people are turning to poetry at this moment, because poetry and inspiring language can help bring solace and needed strength. Das lateinische Wort corona ist im April in diesem Blog mehrfach erwähnt worden. Davor nur einmal Weihnachten 2011, weil es von John Donne eine Reihe von Gedichten gibt, denen man nach dem ersten Gedicht den Sammelnamen La Corona gegeben hat. Es ist ein weiter Weg von John Donnes La Corona, bis zum Corona Virus Disease 2019, abgekürzt Covid-19.
More and more people are turning to poetry at this moment, because poetry and inspiring language can help bring solace and needed strength. Man hätte ja auch zur Bibel greifen können, aber die Kirchen waren geschlossen. Da musste man sich schon spirituelle Hilfe in den Baumärkten suchen. Die waren offen. Es ist eine seltsame Zeit. Aber natürlich können uns Gedichte etwas geben. Michael Krüger, der langjährige Chef des Hanser Verlags hat einmal gesagt: Die Welt sähe ganz anders aus, wenn die Menschen, bevor sie ihren Tag beginnen, ein Gedicht läsen.
Ich begann den Monat mit Hölderlin, das war passend, weil wir ja ein Hölderlinjahr haben. Von da an war vieles dem Zufall überlassen. Sie wissen das schon: dies ist ein Blog, bei dem man nie weiß, was als nächstes kommt. Was nicht in den Text kam, war ein Song von der ✺Gruppe Von wegen Lisbeth, der so unsterbliche Zeilen enthält:
Doch der Fahrstuhl am Westkreuz
Riecht noch immer nach Pisse
Und du weißt nicht
Wie doll ich dich vermisse
Die Bäume sind gewachsen, die Bäume sind gewachsen.
Die Vögel sind geflogen, die Vögel sind geflogen.
Da wo ich wohne ist es immer kalt, kalt, kalt.
Hier kommt die Kälte.
Hier kommt die Kälte.
Hier kommt die Kälte.
Aber die Heiterkeit sollte man beobachten, die Gruppe hat Potential. Doch reden wir von dem, was hier stand, nicht von dem, was hier nicht stand. Die große Überraschung für mich war, dass der Post über Rolf Dieter Brinkmann in der Leserstatistik der Sieger des letzten Monats war. Ich habe zwar beinahe alles von ihm, kaufte mir aber noch den Reclamband Künstliches Licht, den ich sehr empfehlen möchte, wenn Sie zu einem niedrigen Preis Brinkmanns Werk kennenlernen möchten. Die Herausgeberin hat hier auf 167 Seiten eine vorzügliche Auswahl präsentiert. Sie hat auch das lange Gedicht abgedruckt, das sich hier am 16. April fand. Kritiker haben bemängelt, dass in dem Buch der Text von Eiswasser an der Guadelupe Str. fehlt, aber das finde ich kleinlich. Das hätte den Rahmen des Buches gesprengt. Man sollte eher fordern, dass Rowohlt jenes Buch noch einmal in einer unlimitierter Ausgabe herausbringt. Da Sie wahrscheinlich nicht wie ich ein Exemplar des auf 1.500 Exemplare limitierten Buches besitzen, gibt es hier heute einmal den Anfang von Eiswasser an der Guadelupe Str:
warme Dunkelheit mit
Neonlichtern, Baumschatten
hinter den Häusern, ver
schiedene Stimmen, das
ist Frühling. Auf dem
gelben sandigen Weg morgens
die Spatzen, ein zerfallenes
Holzgitter, einige schwarze
Ölflecken auf dem Weg, die
Kulisse der Vorstadt, die kei
nen Unterschied macht zu der
Innenstadt: verschiedene Wege,
die nirgendwoher kommen,
direkt aus der Mitte. Ich
vermisse nur die Hühner,
sagte die Lady mit
den rotgeschminkten Lippen.
Ist das ein Anfang? In den
Büros bewegt sich der auto
matische Dollar, riesige
Summen über der Tasse
Kaffee, die ein Pappbecher
ist. Eine gelbe Abenddämmerung,
sie bleibt stehen, das Licht
neben dem Bücherturm, aus
dem dünnen Schiebefenster
gesehen. Der Tag endet in
den Baumgestrüppen, warm
und dunkel, jenseits der
zerfallenen Holzgitter und der
zerfallenen Häuser, langsam
und ohne Hast, mit Anmut.
Sie hat mir eine sehr nette Mail geschrieben. Und mir gesagt, dass ihr Ehemann, von dem es in dem Post auch ein Gedicht gab, nicht nur Gedichte schreibt. Der ist auch noch Producer und schreibt Drehbücher. Für Hawaii Five-O und andere Serien. Wir hatten schon Dichter, die Ghostwriter des amerikanischen Präsidenten waren. Viele Dichter waren Ärzte, Václav Havel war sogar Staatspräsident. Aber einen screenwriter und TV Producer hatte ich hier noch nie im Blog. Ich glaube, Rolf Dieter Brinkmann hätte das gut gefunden, dass Dichter auch andere Dinge können. Dann sind sie in der Welt nicht so verloren, wie Baudelaire den Dichter in seinem Gedicht über den Albatros sieht:
Le Poète est semblable au prince des nuées
Qui hante la tempête et se rit de l'archer ;
Exilé sur le sol au milieu des huées,
Ses ailes de géant l'empêchent de marcher.
Ich habe vor zehn Jahren damit begonnen, den Monat April Dichtern und Gedichten zu widmen, mittlerweile haben sich meine Leser daran gewöhnt. Sie bleiben nicht mehr weg, werden sogar, wie im letzten Monat, immer mehr. Das gefällt mir natürlich. Auch wenn der Poetry Month jetzt zuende ist, Gedichte gibt es in diesem Blog immer wieder. Denn der Satz von Michael Krüger Die Welt sähe ganz anders aus, wenn die Menschen, bevor sie ihren Tag beginnen, ein Gedicht läsen gilt bestimmt. Robert Frost hat das etwas anders gesagt, er definierte ein Gedicht als: It begins in delight and ends in wisdom. It begins in delight, it inclines to the impulse, it assumes direction with the first line laid down, it runs a course of lucky events, and ends in a clarification of life — not necessarily a great clarification such as sects and cults are founded on, but in a momentary stay against confusion.
Und da es mit dem Monatsende begonnen hat zu regnen, habe ich noch ein kleinen Zeizeiler:
Sweet April showers,
Do spring May flowers
Das ist von Thomas Tusser, einem Dichter, der heute vor 440 Jahren gestorben ist.
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