Mittwoch, 1. April 2020

Poetry Month


In Amerika gibt es im April den Poetry Month, bei mir im Blog seit den Anfängen im Jahr 2010 auch. Manchmal sind Leser wegen der Gedichte weggeblieben, aber es gab auch Jahre, in dem der Monat April in der Statistik der Leser ganz weit vornelag. Ich fange den Poetry Month mal mit einem Gedicht von Friedrich Hölderlin an, das bietet sich an, weil wir ja ein Hölderlin Jahr haben:

Noch kehrt in mich der süße Frühling wieder,
Noch altert nicht mein kindischfröhlich Herz,
Noch rinnt vom Auge mir der Tau der Liebe nieder,
Noch lebt in mir der Hoffnung Lust und Schmerz.

Noch tröstet mich mit süßer Augenweide
Der blaue Himmel und die grüne Flur,
Mir reicht die Göttliche den Taumelkelch der Freude,
Die jugendliche freundliche Natur.

Getrost! es ist der Schmerzen wert, dies Leben,
So lang uns Armen Gottes Sonne scheint,
Und Bilder beßrer Zeit um unsre Seele schweben,
Und ach! mit uns ein freundlich Auge weint.

Das schrieb Hölderlin im März 1794 für seinen Freund Christian Ludwig Neuffer, der gerade dabei war, Vergils Aeneis im Versmaaß der Urschrift zu übersetzen. Ich habe das Gedicht schon vor Jahren in dem Post Vergil zitiert, weil es da wunderbar hineinpasste. Im Brief, der das Gedicht begleitete, schrieb Hölderlin an Neuffer: Hier inzwischen eine Kleinigkeit für Dich. Sie ist das Produkt einer fröhlichen Stunde, wo ich an Dich dachte. Du sollst einmal etwas Besseres haben. Du kannst so das kleine Ding ja mir halb zur Strafe, halb zum Lohn in die 'Einsiedlerin' transportiren, oder wohin Du willst. 

Die Einsiedlerin (mit dem vollen Titel Die Einsiedlerin aus den Alpen) ist eine Frauenzeitschrift, die von Marianne Ehrmann, die sich insbesonders für vermehrte Rechte der Frauen einsetzte, geleitet wurde. Ehrmann hatte in ihrer Zeitschrift schon Gedichte von Hölderlin, der damals noch nicht so bekannt war, abgedruckt. 1793 oder 1794, das weiß man nicht so genau, hatte sie an Neuffer geschrieben: Wirklich bin ich um kleine Beiträge in etwas verlegen, besonders poetische fehlen mir. Dürfte ich von Ihnen oder Ihrem Freund Hölderlin nicht so bald möglich etwas erwarten? Sie braucht nicht lange zu warten. Der gerade vierundzwanzig Jahre alt gewordene Dichter, der an seinem Briefroman Hyperion arbeitet, liefert pünktlich. Die verdienstvolle Marianne Ehrmann ist Rüdiger Safranski in seiner neuen Hölderlin Biographie keiner Erwähnung wert, das finde ich ziemlich schwach. Ich hätte die Biographie in dem Post Sonnenbräune zitieren können, aber ich habe es gelassen. Zu dem Gedicht Andenken weiß Safranski nichts, aber auch gar nichts zu sagen, das ist schade. Aber was soll ich mich beklagen, ich habe das Buch bei ebay für die Hälfte des normalen Preises gekauft.

Noch mehr Hölderlin in diesem Blog: Friedrich Hölderlin Sonnenbräune, Hölderlin, Holterling, Michael Hamburger, Dichterfreund, Isaac von Sinclair, Herbstgedicht, Der Sommer, Vergil

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