Freitag, 17. April 2020

Hoppers Welt der Einsamkeit


Hier sitzen Leute in der Nacht und reden. Sagen Sachen wie: sie: vielleicht können wir woanders hingehen, er: und wohin? sie: ich weiß es nicht, sie: warum bleibt der barmann immer in unserer nähe? er: er macht seine arbeit, sie: wir sind niemals allein, er: kann ich etwas dafür? sie: wir schleichen uns nachts wie diebe umher. er: du kennst meine situation. sie: dabei ist das nur die liebe ... er: psst! sie: erträgst du dieses wort nicht? sie: du könntest einmal meinen arm berühren, wie zufällig. er: willst du noch einen kaffee? sie: nimm zumindest deinen hut ab! er: warum? sie: er vergrößert unsere einsamkeit.

Dieses Bild hier und ähnliche Bearbeitungen von Edward Hoppers berühmtem Bild Nighthawks kursieren zur Zeit im Internet. Das ist sozusagen die Corona Version des Bildes. Der Guardian titelte letztens 'We are all Edward Hopper paintings now': is he the artist of the coronavirus age?, und in der Süddeutschen konnte man Ähnliches lesen. Als ich 2010 in diesem Blog zum erstenmal über Edward Hopper schrieb, hatte der Post den Titel Einsamkeit.

Hoppers Bilder haben immer wieder Dichter inspiriert. Gail Levin, die 1995 nicht nur einen Hopper Katalog, sondern auch noch eine Hopper Biographie vorgelegt hat, hat im selben Jahr auch noch ein kleines achtzigseitiges Buch veröffentlicht, das den Titel The Poetry of Solitude: A Tribute to Edward Hopper trägt. Der Amerikaner Robert Moulthrop, aus dessen Hopper Gedichten ich heute das Gedicht Western Motel präsentiere, ist aber nicht in diesem Band:

In a moment I will rise from the red bed
Put on my blue jacket
Let fingers touch my golden hair.

You will pick up the two suitcases
And we will leave the light green room
And begin again, in the dark green car.

Even though it is early morning
The car will be hot.
We will roll down the windows, and sit.
Let the air cool the car
While inside the room
Empty air still holds
The red bed and the red chair
The bed where I sat and looked at
My blue jacket and thought
If I stay, I will be here
And you will be alone

In the green car.

We will never know which was better.

Ich habe heute noch ein zweites Gedicht zu einem Gemälde von Edward Hopper. Das ist von dem portugiesischen Dichter Joaquim Manuel Magalhães, und es heißt wie das Bild in diesem Absatz Cape Cod Evening. Hopper hat das Bild 1939 in Truro gemalt. Er hat dazu gesgt: It is no transcription of a place, but pieced together from sketches and mental impressions of things in the vicinity. The grove of locust trees was done from sketches of trees nearby. The doorway of the house comes from Orleans about twenty miles from here. The figures were done almost entirely without models, and the dry blowing grass can be seen from my studio window in the late summer or autumn. In the woman I attempted to get the broad, strong-jawed face and blond hair of a Finnish type of which there are many on the Cape. The man is a dark-haired Yankee. The dog is listening to something, probably a whippoorwill or some evening sound.

Das portugiesische Gedicht Cape cod evening hat außer dem Titel allerdings überhaupt nichts mit Cape Cod oder Hopper zu tun, aber ich finde es eigentlich sehr schön.

Cape cod evening

Subo no fim da tarde
com o fumo da erva seca
ao alto donde se vê o mar.
Recolho o cereal cortado.

A hera cresce pelo choupo.
O plátano raia com a luz

A rã saiu do lodo para a fonte,
Os bugalhos tombam
no barro do campo.
O melro canta no trigo colhido.

Voltei, vê tu, dizem as coisas.

A luz interior acende-se
no poço da voz, mortal
e pronta a não mais findar.


Cape Cod Abend

Ich gehe am späten Nachmittag hinauf
mitten im Dunst vom getrockneten Gras
nach oben, wo man das Meer sehen kann.
Ich sammle die Ähren auf.

Das Efeu wächst bei der Pappel.
Die Platanen leuchten im Licht

Der Frosch kommt aus dem Schlamm zur Quelle,
Die Eicheln fallen
in den Lehm des Feldes.
Die Amsel singt im abgeernteten Feld.

Ich bin wieder da, sieh nur, sagen die Dinge.

Das innere Licht leuchtet
im Brunnen der Stimme, sterblich
und bereit, nicht zu enden.

Das Gespräch zweier Liebender im Diner im ersten Absatz ist nicht aus meiner Feder, das steht in dem wunderbaren Buch Das Rot lächelt, das Blau schweigt: Geschichten über Bilder von Said. Die deutsche Übersetzung von Cape cod evening ist hingegen von mir. Die Übersetzungsprogramme im Internet sind offenbar nicht auf portugiesische Lyrik ausgelegt; von DeepL, Google Translate, Reverso und Pons bekam ich solch haarsträubenden Unsinn serviert, dass ich mir dachte, ich mache das mal lieber selbst.


Kaum ein anderer Maler ist in diesem Blog so häufig erwähnt worden wie Edward Hopper. Die wichtigsten Posts sind wohl: Jo Hopper (und Eddie)Edward Hopper, Einsamkeit und ythlaf.

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