Samstag, 8. August 2020

Comoy's


Da alles, was ich über Tabakspfeifen schreibe, gerne gelesen wird (der Post 150 Jahre Tabac Trennt ist statistisch gesehen immer noch ein Renner), schreibe ich mal eben über meine letzte Neuerwerbung, eine englische Comoy's, die wahrscheinlich ein halbes Jahrhundert alt ist. Damals kostete die beste Pfeife dieser Firma halb so viel wie die preiswerteste Charatan oder Dunhill. Das mit den Preisen weiß ich, weil ich einen alten Katalog eines Bremer Handelshauses, das neben Tee und englischer Marmelade auch Pfeifen verkaufte, aufgehoben habe. Diese Comoy's Tradition kostete in England 1965 zwanzig Pfund, damals war das englische Pfund noch etwas wert. Die Tradition war 1925 zur Hunderjahrfeier der Firma auf den Markt gekommen, das Modell war bis in die 1970er Jahre noch lieferbar.

Die Pfeife, die ich bei ebay ersteigerte, war vom Händler mit einem fachmännisch klingenden Text versehen worden: Aus meiner umfangreichen Pfeifen-Sammlung, die ich jetzt auflöse, verkaufe ich ein ganz besonderes Stück: Gefertigt wurde sie in der Pfeifenmanufaktur CHACOM, der 1825 im französischen Jura gegründeten, ältesten bestehenden Pfeifen-Manufaktur der Welt. Dieses Modell Comoy's Golden Grain, 412, wurde in der Niederlassung in London, England gefertigt. Leider ist das alles ein klein wenig falsch, denn die Firma Chacom gibt es erst seit 1928 und nicht seit 1825.

Der Name Chacom ist ein Akronym, das aus zwei Familiennamen gebildet wurde: Comoy und Chapuis. Die beiden Familien waren miteinander verwandt. Die Familie Comoy war seit den 1820er Jahren in Avignon-lès-Saint-Claude (das benachbarte St Claude ist immer noch der Hauptsitz der französischen Pfeifenindustrie) im Pfeifengeschäft, damit sind sie sicherlich die älteste Pfeifenmanusfaktur der Welt. Die Firma Barling ist zwar etwas älter (1812), aber die waren damals Silberschmiede. Verzierten Meerschaumpfeifen mit silbernen Dekorationen, stellten aber noch keine Pfeifen her. Man kann überall im Internet lesen, dass François Comoy Napoleons Armeen mit Pfeifen ausrüstete, aber 1825 ist Napoleon schon vier Jahre tot, und seit Waterloo hat er auch keine Armeen mehr. Hervorheben muss man aber bei Comoy's Firmengeschichte, dass die Söhne des Gründers François Comoy in der Mitte des 19. Jahrhunderts die ersten auf der Welt waren, die Pfeifen aus Bruyereholz herstellten.

Und nun wird es ein ganz klein wenig kompliziert, was die Verschachtelung der Besitzverhältnisse betrifft (das Schaubild habe ich von dieser hervorragenden Seite). Henri Comoy ist zusammen mit einigen Fachleuten 1879 von St Claude nach London gegangen, um dort die englische Firma Comoy's zu gründen. Das Material für die englischen Pfeifen wurde weiterhin aus St Claude geliefert. Henri Comoy soll auch als erster den Schriftzug Made in London auf Pfeifen verwendet haben, das haben ihm als Qualitätsnachweis beinahe alle englische Firmen nachgemacht. Noch 1965 konnte die Firma in einem Katalog schreiben: And now, we the Comoys of the fourth generation, together with those of the fifth, Pierre Comoy and Louis Chapuis, continue to follow the course set by our forefathers, who would be gratified to see our latest ultra modern plant in Aldershot, Hampshire. 

Aber so ganz sind sie im eigenen Haus nicht mehr die Herren, denn schon in der Weltwirtschaftskrise der 1920er Jahre hatte sich die Firma Cadogan Investments Ltd, eine Tochter der Oppenheimer Group, an dem Familienbetrieb beteiligt. Die Holding Oppenheimer Group hatte sich schon zu Ende des 19. Jahrhunderts die Firma Ganneval, Bondier & Donninger (GBD) einverleibt; in den 1920er Jahren kaufen sie auch noch die Firma BBB (die hier schon einen Post hat), und fressen sich dann durch die ganze englische und französische Pfeifenindustrie. Fabriken werden geschlossen und zusammengelegt, verlieren ihre Identität. Und ihre Qualität. Wenn auf den Pfeifen noch Made in London steht, so stimmt das schon lange nicht mehr, die Fabriken von Cadogan sind in Shoeburyness bei Southend-on-Sea. Bei ebay schreiben viele Händler bei ihren Angeboten pre-Cadogan dazu, um anzudeuten, dass hier die Qualtät noch stimmt. In einer Diskussionsgruppe im Internet schrieb einer der Beteiligten, dass in der Cadogan era GBD, Comoy, Orlik and Loewe all, in my opinion, went to hell on a sled.

Comoy's hat, wie viele andere englische Marken, auch Zweit- und Nebenlinien gehabt. Die preiswerteste Linie hieß Everyman, sie wurde beworben mit einem Satz wie: This wonderful moderate priced pipe is the largest selling English pipe in the world. Ich habe zwei Everyman Modelle, die mich bei ebay zusammen zwanzig Euro gekostet haben. Es sind hervorragende Pfeifen.

Man kann sie an den eingelegten kleinen Stahlstrichen auf dem Mundstück erkennen. Die Markierung hat auch die hochwertigere Linie The Guildhall (obgleich es die manchmal auch mit dem C von Comoys gibt). Meine Guildhall ist zusätzlich noch Comoy's signiert. Sie kam in einem Konvolut von zehn englischen Markenpfeifen, von denen acht neu waren. War das Beste, was der englische Markt mal zu bieten hatte: Orlik de Luxe, Barling, Parker, Masta, Sanieni. Und das Ganze zu einem Sofortkaufpreis von 49 Euro, der Händler wusste nicht, was er tat.

Alles, was wie meine Golden Grain ein eingelegtes weißes C im Mundstück hat, gehört zu den Luxusqualitäten von Comoy's. Dazu gehört auch die extrem seltene Blue Riband, die die Firma auf den Markt brachte, als die Queen Mary in vier Tagen, 12 Stunden und 24 Minuten den Atlantik überquerte. Da war der Schnelldampfer Bremen (der hier einen Post hat) mit vier Tagen, 17 Stunden und 42 Minuten etwas langsamer. Nicht so selten wie die Blue Riband ist das Modell Academy Award. Die wurde mal als Werbegeschenk für  eine Oscar Zeremonie eingeführt, hat auch einen kleinen Oscar in weiß auf dem Mundstück. Danach wollte sie jeder in den USA haben, das give away Modell ging in die Massenproduktion.

Franzosen und Engländer, eine Familiengeschichte, eine Firmengeschichte von 195 Jahren. Vom legendären Ruf der Comoy's Pfeifen ist nicht viel übriggeblieben, nur die Firma Chacom hat überlebt (ich habe hier eine interessante Firmengeschichte für Sie). 1970 hat Yves Grenard (Bild), der mit der Familie Comoy verwandt ist und zuvor Direktor von Comoy's in London war, den französischen Teil der Firma gekauft. Und die Marke Chacom zu einem global player gemacht. Grenard hat sich auch die Alleinverkaufsrechte für Frankreich von Comoy's London, der Dubliner Firma Peterson's und der schottischen Marke Rattrays gesichert. Irgendwie verstehen die Franzosen mehr von dem Geschäft als die Engländer.

Die Dunhill Gruppe mit Dunhill und Parker-Hardcastle stellt noch Pfeifen in England her, obgleich es immer wieder Gerüchte gibt, dass die Dunhill Pfeifen in Frankreich hergestellt werden. Die verbliebenen unabhängigen englischen Pfeifenfirmen finden sich wahrscheinlich alle auf diesem Plakat, die hier angekündigte UK Pipe Show wurde allerdings wegen Corona angesagt. Auf der Liste steht auch der Name Blakemars Briars. Niemals von großen Konzernen geschluckt. Seit 1890 im Familienbesitz und mit ihrer Spitzenqualität Litchbruyere für 90 Pfund durchaus eine Kaufempfehlung. Meine Comoy's bei ebay war viel, viel billiger.



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