Sonntag, 23. Mai 2021

Pfingsten


Im Jahre 1906 schrieb Erich Mühsam über die Dichterin Paula Dehmel: Paula Dehmel, geb. 1868 in Berlin, lebt ebenda. Eine ausgezeichnete Kinderdichterin. Richard Dehmel gab in Gemeinschaft mit ihr das oben erwähnte Buch 'Fitzebutze' heraus; doch muß, weil nicht allgemein bekannt, hervorgehoben werden, daß in dieser Sammlung die Mehrzahl der Beiträge und zudem die besten und wirksamsten der Gedichtchen von Paula Dehmel herrühren. Sie weiß Töne anzuschlagen, die in der Seele der kleinen Kinder wiederklingen, indem sie mit dem Kinde in dessen eigener, unbeholfener Sprache lallt und die Sprache ins Kindlich-Lispelnde übersetzt. Wieviel mehr sie in dieser durchaus nicht zu unterschätzender Kinderkunst als Pädagoge und als Spielkamerad der Kleinen leistet als Richard Dehmel, wird ersichtlich, wenn man den neuerdings von ihr allein verfaßten 'Rumpumpel' betrachtet, oder im 'Buntscheck', in dem sie ihre Beiträge namentlich unterzeichnet, diese mit denen des 'Zwei Menschen'-Dichters vergleicht. Wenn Mühsam Paula Dehmels ehemaligen Ehemann einen Zwei Menschen-Dichter nennt, dann hat das natürlich etwas mit dem Versepos Zwei Menschen: Ein Roman in Romanzen zu tun, mit dem Richard Dehmel 1903 sich und seine neue Frau Ida in Szene setzte. Ein Werk, wie diese zwei Menschen über Trieb und Begierde, über alles Irdische hinweg zum Ewigkeitsgefühl emporwachsen und -reifen. Hat Theodor Storms Freund Alfred Biese geschrieben. Sie können das Werk hier im Volltext lesen. Und sie können hier auch noch Schönbergs Vertonung des Gedichts Verklärte Nacht hören.

Als sich Dehmel im Jahre 1900 von seiner Frau Paula scheiden ließ, galt er als Deutschlands berühmtester Dichter. Von dem Ruhm ist wenig geblieben. Aber die Kindergedichte von Paula Dehmel, die kann man heute immer noch kaufen. Aus dem Band Das liebe Nest (hier im Volltext) nehme ich mir mal das heutige Pfingstgedicht:

Wenn`s Pfingsten regnet
Oben aus dem Fahnenhaus
Guckt das schwarze Wettermännchen raus,
Spreizt die Beine und grinst uns an;
Schäme dich, alter Wettermann!
Am Ostersonntag, vor sieben Wochen,
Hast du dem Fritze fest versprochen,
Daß zu Pfingsten, im Monat Mai,
Das allerschönste Wetter sei.
Und nun regnets, liebe Not,
Alle hellen Blüten tot,
Sie liegen da wie nasser Schnee,
Auf den Wegen steht See an See;
Ja, wenn wir schon drinnen baden könnten,
Wie die Spatzen oder die Enten!
Wir dürfen aber garnicht raus,
Sehn so mucksch wie Maulwürfe aus;
Röch nicht der Kuchen so lecker her,
Wüßt man gar nicht, daß Feiertag wär.
Nicht mal die Pfingstkleider kriegt man an;
Schäme dich, schwarzer Wettermann!


Ich wünsche all meinen Lesern ein frohes Pfingstfest.

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