Dienstag, 24. Juni 2025

die Stimme im Hintergrund

Colin Dexter hatte Klassische Philologie in Cambridge studiert und war Lehrer geworden. Als er 1966 langsam taub wurde, nahm er einen Verwaltungsposten an der Universität Oxford an, den er bis zu seiner Pensionierung 1988 innehatte. 1972 begann er aus Langeweile im Urlaub einen Kriminalroman zu schreiben, der als Last Bus to Woodstock im nächsten Jahr erschien. In dem Roman begegnen wird dem Chief Inspector Endeavour Morse zum ersten Mal. Wie der Musik und Kreuzworträtsel liebende Inspektor Morse und sein Sergeant Lewis zu ihren Namen kamen, hat uns Dexter (hier auf dem Bild hat er gerade den Order of the British Empire bekommen) verraten. Er bewunderte den Bankier Sir Christopher Jeremy Morse, der wie Dexter und Inspektor Morse ein großer Liebhaber des Kreuzworträtsels war: Inspector Morse is named after Sir Jeremy Morse, who I got to know in the 1950s when he started doing the Ximenes crossword in The Observer. And Dorothy Taylor wrote the The Observer’s Everyman crossword for years under the name Mrs B Lewis. So that’s the origin of Morse’s bagman. 

Colin Dexters dreizehn Morse Romane waren die Basis für drei Fernsehserien, in denen Dexter häufig (wie Alfred Hitchcock) einen kleinen Cameo Auftritt hatte. Die Serien hießen Inspector Morse (33 Folgen), Lewis (auch 33 Folgen) und Endeavour (35 Folgen). Im Jahr 2000 plazierte das British Film Institute Morse auf Platz 42 der 100 Greatest British Television Programmes. 2018 benannten die Leser der Radio Times Morse als the greatest British crime drama of all time. In Deutschland ist Morse nie gelaufen, angeblich mal sieben Folgen in der DDR. Von Lewis konnte man alle Folgen im ZDF sehen. Endeavour war als Der junge Inspektor Morse bei ZDFneo, aber ich weiß nicht, ob dort alle Folgen gesendet wurden.

Der Chief Inspector Morse hat in Oxford Klassische Philologie studiert, fährt einen roten Jaguar und liebt die Musik. Er singt im Chor und kann Klavierspielen, manchmal fährt er nach Bayreuth, weil er ein Wagner Fan ist. Und so ist diese Serie voller Musik. Die Filmmusik mit der Titelmelodie ist von dem Australier Barrington Somers Pheloung, der auch die Musik für Lewis geschrieben hat. Aber es ist auch viel Klassik in den Folgen, viele Opernarien. Vor Jahren versuchte ich herauszufinden, wer das Signora, Ascolta aus Turandot in der Folge The Death of the Self sang. Inzwischen weiß ich das, ich habe es sogar auf CD der Essential Inspector Morse Collection. Es ist die Stimme der schottischen Sängerin Janis Kelly, die dreißig Jahre an der English National Opera sang und jetzt Professorin am Royal College of Music in London ist. 

Hier sehen wir Morse neben der Opernsängerin Nicole Burgess, gespielt von Frances Barber. Wie sind in Italien, und obgleich hunderte von Stellen im Internet behaupten, dass dies die Villa Rotonda ist, ist sie es nicht. Wenn Sie den langen Post Palladio gelesen haben, dann wissen Sie natürlich, dass es die Rocca Pisana von Vincenzo Scamozzi ist. Frances Barber sieht richtig überzeugend aus, wenn sie das Signora, Ascolta singt (Sie können das hier ab der 43. Minute sehen), aber die Schauspielerin hat den Part nicht wirklich gesungen. Es war wieder einmal die Stimme von Janis Kelly. Das hatte ich vor zehn Jahren herausgefunden, als ich den Post Endeavour schrieb.

Inzwischen weiß ich mehr, viel mehr. inzwischen weiß ich, dass Janis Kellys Stimme in ganz vielen Folgen der Morse Saga zu hören ist. Auch hier in der ersten Folge von Endeavour. Da hat sich der junge Detective Constable Morse in die Opernsängerin Rosalind Stromming verliebt, die sich allerdings am Ende als die Mörderin entpuppt. Rosalind Stromming wird von Flora Montgomery gespielt, aber beide singen nicht. Das ist wieder Janis Kelly. Sie singt in dem Film auch Mozarts Soave Sia Il Vento, aber Miah Persson gefällt mir in der Glyndebourne Inszenierung besser. Die habe ich ganz oben bei meinen Lesezeichen. Neben den Goldberg Variationen von Tatiana Nikolayeva, der Schönen Müllerin und Mozarts Contessa Perdono. Und der digital bearbeiteten Version von Jennifer WarnesLights of Lousianne. Die lief früher bei dem teuersten HiFi Händler hier im Ort immer als Test CD für die exklusivsten Burmester Komponenten. 

Dass ich inzwischen weiß, in welchen Folgen von Morse Janis Kelly singt, verdanke ich einem Mann namens Chris Sullivan. Der hat im Internet eine  Seite, auf der alles, aber wirklich alles, steht, was man zu Morse, Lewis & Co wissen kann. Die Namen der Schauspieler, alle literarischen Anspielungen in der Folge, alle Musiktitel, Photos von allen Drehorten. Das ist wirklich unglaublich. Und es gibt das Ganze auch in Buchform. Auf dieser Seite finden Sie alle ihre Arien, die Janis Kelly in den Morse Folgen gesungen hat. Auch Promised Land, die Folge, die in Australien spielt, ist dabei. Janis Kelly singt da Hab’mir’s Gelobt aus dem Rosenkavalier, die Qualität der CD ist aber nicht gut.

Was natürlich nicht auf dieser Seite steht, sind all die Rollen für die Sopranstimme, die sie in den letzten Jahrzehnten auf der Opernbühne gesungen hat. Sie war die Despina in einem originellen Opernfilm von Cosi Fan Tutte, der hauptsächlich am Strand spielt. Sie hat 2011 in New York die Pat Nixon (das müssen Sie anklicken) in der Oper Nixon in China von John Adams gesungen. Die The New York Times hatte das Wort wonderful für sie. Zwei Jahre zuvor war sie als Régine Saint Laurent in der experimentellen Oper Prima Donna von Rufus Wainwright zu sehen. Diese Oper fällt ein wenig aus dem Repertoire einer Sängerin heraus, ich habe hier einen Dokumentarfilm zu der Oper. Die Arbeit mit Wainwright hat ihr offenbar gefallen, denn sie ist mit ihm zusammen noch mehrfach aufgetreten: bei der ✺Weihnachtsfeier 2009 in der Royal Albert Hall, in ✺L´amico Fritz und mit ✺Last Rose of Summer. Kritiker haben Janis Kelly als ein Chamäleon beschrieben, und das ist sie wohl auch. 

Wenn ich schon wieder einmal über den Chief Inspektor Morse schreibe, dann liegt das daran, dass ich mich gerade durch 99 Stunden Morse durcharbeite. Ich habe immer noch kein Fernsehen. Soll aber kommen.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen