Sonntag, 31. Oktober 2010

Heinrich Hannover


Heinrich Hannover wird heute 85, und dazu möchte ich ihm ganz herzlich gratulieren. Ich hoffe, dass es ihm in Worpswede, wo er mit seiner Lebensgefährtin Doris wohnt, gut geht. Er soll jetzt seine eigenen Kinderbücher (welcher deutsche Jurist außer ihm hat Kinderbücher geschrieben?) ins Plattdeutsche übersetzten. Hat mir meine Freundin Gu erzählt, die mit ihm befreundet ist. Seit er damals mit seinem Cello vor ihrer Tür stand und fragte, ob er als Untermieter in die riesige Altbauwohnung in schönster Bremer Wohngegend einziehen dürfte. Heinrich Hannover ist Anwalt gewesen, und er war einmal einer der berühmtesten Anwälte Deutschlands.

Kein Anwalt für die Schickeria, wie der Promi Anwalt Matthias Prinz, sondern ein Kämpfer für die gute Sache. Viele Prozesse, die er bestritten hat, haben Rechtsgeschichte geschrieben. Die Kanzlei, die seinen Namen trägt, gibt es immer noch in Bremen. Er hat natürlich einen Wikipedia Artikel, er hat auch eine eigene Internetseite, und er hat Ehrendoktortitel von der Berliner Humboldt Universität und der Universität Bremen. Seine Autobiographie Die Republik vor Gericht 1954 - 1974. Erinnerungen eines unbequemen Rechtsanwalts scheint schon wieder vergriffen zu sein, aber eine Vielzahl seiner Bücher - natürlich besonders die Kinderbücher - sind noch lieferbar. Das weiß er alles selbst, das brauchte ich nicht zu sagen. Aber ich möchte doch einmal darauf hinweisen, dass wir einmal bedeutende Juristen in unserem Land gehabt haben. Außer Paul Johann Anselm von Feuerbach. Und damit meine ich Menschen wie Heinrich Hannover, Rudolf Wassermann, Uwe Wesel und vielleicht den frühen Otto Schily. Und es wird noch den einen oder anderen geben. Selbst wenn sie irgendwie alle unter die Kategorie links fallen, sollte man doch sehen, dass unsere Republik ihnen viel verdankt. Mehr als den Juristen vom Typ Hans Globke oder Hans Filbinger, die lange das Schicksal der Republik bestimmt haben.

Ich habe für meine Leser heute etwas Besonderes: Sie dürfen ein Kapitel aus meiner Autobiographie lesen, die ein wenig unbeachtet im Computer gespeichert liegt, weil ich ja jetzt Blogger von Beruf bin. Es ist ein work in progress, es ist nicht fertig, nicht durchkorrigiert. Es wird Schreibfehler enthalten, aber die Tatsachen stimmen. Es ist mein Leben gewesen, andere haben ein anderes gehabt. Es ist eine Zeitreise zurück in das, was wir so global als 1968 bezeichnen. Vielleicht verklagen mich einige der im Text genannten Personen. Dann hoffe ich, dass Heinrich Hannover mir hilft. Er kommt nur einmal im Text vor, das ist eigentlich zu wenig. Denn ich hatte damals bei all dem, was damals in meiner Heimatstadt Bremen so ablief (und was ich zum Teil nur aus der Ferne beobachtete), das Gefühl - und das habe ich heute noch -  dass es nur zwei ehrliche Menschen in Bremen gab. Der eine war der Domprediger Günter Abramzik (Bild), der andere war Heinrich Hannover. 

Dieser Post ist das Kapitel 40 eines Manuskripts, das den Titel Bremensien trägt. Es ist auch irgendwo im Computer von Heinrich Hannover abgespeichert, und die Gudrun hat ihm im Sommer vor ihrem Abflug nach Mexiko noch einen Ausdruck auf den Schreibtisch in Worpswede gelegt. Es hat den Titel Revolution.

Der neue Inspekteur des Heeres, der Generalleutnant Ulrich de Maizière, macht meiner Division seinen Antrittsbesuch. Er hat drei goldene Sterne auf seiner Schulter, ich mal gerade einen silbernen. Ich habe für diesen Anlass meine gute Uniform aus dem hellgrauen Stoff angezogen, gerade noch einen Schatten dunkler als die meines Kommandeurs. Der mag das gar nicht, wenn seine Leutnants hellere Uniformjacken haben als er. Bei der Härte und Einförmigkeit des Dienstes achtet man schon auf kleinste Nuancen, mit denen man sich abheben kann. Der Seidenschal in der Panzerkombi, die hellere Uniformjacke, hellere grüne Kragenspiegel (es gibt in der Anfangsphase der Bundeswehr noch zwei unterschiedliche Grüntöne bei der Infanterie), elegantere Handschuhe. Junge Leutnants sind Dandies, da hat sich seit Jahrhunderten nichts geändert. Zu Friedrichs Zeiten gab es keine Rangabzeichen, Offizier war, wer den blauen Rock des Königs trug.

Die Uniform des Generals ist unter sartorialen Gesichtspunkten nicht weiter bemerkenswert. Der große Saal unseres Kasinos (das, in den dreißiger Jahren gebaut, wie eine Mischung zwischen Neoklassizismus und Karinhall aussieht) ist voll mit allen frischbeförderten Leutnants der Division. Wir sind alle noch im Krieg geboren. Zu der Zeit ist der Berufsoffizier de Maizière Oberst im Generalstab, mein Vater als Leutnant der Reserve Frontschwein mit seinem Bremer Artillerieregiment irgendwo in Russland. Der General trägt eine Brille, er wirkt sehr wenig militärisch, eher wie ein Intellektueller in Uniform, linkisch. Hollywood würde ihn niemals für die Rolle eines Dreisternegenerals nehmen. Die würden unseren Divisionskommandeur Uechtritz nehmen, der genauso aussieht, wie sich die Amerikaner einen deutschen General vorstellen. Jeder hält ihn wegen seines Aussehens auch für einen von Uechtritz. Leider ist das martialische Aussehen auch das einzige, das Uechtritz für seine zwei goldenen Sterne qualifiziert.

Der neue Inspekteur des Heeres ist allein in unser Kasino gekommen. Er verzichtet auf die Anwesenheit seines militärischen Stabs, er möchte offensichtlich seinen neuen hohen Rang nicht betonen (in Frankreich, wo wie gerade drei Monate mit dem Bataillon waren, wäre das undenkbar). Er gilt als einer der vielen Väter des Konzepts der Inneren Führung. Er mag ein Konzept für die Innere Führung haben, hat aber keinerlei Konzept für diese Veranstaltung, er gibt den guten Pappi aus Bonn. Erzählt von ausländischen Gästen, die er getroffen hat, zuletzt den König Bhumibol und die Königin Sirikit. Das alles bewegt sich auf einer Ebene, für die wenig später Heinrich Lübke berühmt werden wird. Er erzählt dann noch, dass er aus einer gebildeten Familie stammt und nach dem Krieg Musikalienhändler gelernt hat und gerne Geige spielt. Si tacuisses. Er hat längst jede Autorität verloren. Hier ist der Kalte Krieg, wir waren vor zwei Stunden, bevor wir geduscht und uns umgezogen haben, noch draußen im Dreck des Truppenübungsplatzes. Vor den Toren unserer Kaserne kreisen auf Abschussrampen die scharfen Nike Hercules Raketen, einmal im Monat bewachen wir an einem geheimzuhaltenen Ort echte amerikanische Atombomben (die Sprengköpfe für die Honest John Raketen), Chruschtschow und Kuba waren erst gestern. Und der erzählt uns etwas von Sirikit und kann damit gar nicht aufhören, von ihrer reizvollen asiatischen Schönheit zu schwärmen. Und redet von seinem Geigenspiel.

Und nun geschieht etwas Unglaubliches, es wird laute Kommentare, ironische Bemerkungen und cat calls geben. Ein langes, schrilles Siiiiirikittt, aus der letzten Reihe, als die fremdartige Schönheit wieder einmal erwähnt wird. Dies ist der höchste Offizier des deutschen Heeres, und dann so was. Wenn das in der DDR passiert wäre, wären die Übeltäter eine Woche später in Bautzen. Hier geschieht nichts. Der Dreisternegeneral unterbindet die bösartige Unruhe auch nicht (wenn das bei dem Divisionskommandeur Uechtritz geschehen wäre, wäre spätestens sechzig Sekunden die Hölle los gewesen), er zieht den vorzeitigen Rückzug vor. Und er bekommt, kurz bevor er die Tür erreicht, den vernichtenden Satz nachgerufen. Und beim nächsten Mal bringen Sie doch Ihren Geigenkasten mit! Und da weiß ich (ich sah damals so aus), dass die bleiernen Jahre der Adenauerrepublik zu Ende sind. Dies ist ein neuer Geist, dies klingt nach 1848. Es ist der Vorläufer von dem, was wir 1968 nennen. 

Im Juni 1966 wohne ich in Kiel im vierten Stock eines Hauses am Park. Man hat hier einen schönen Blick, der Himmel ist nahe. Eigentlich sollte ich für Peter Nicolaisen meine Proseminararbeit über Joseph Conrad schreiben und nicht so viel in den Himmel schauen oder nicht so häufig den vom Grünspan überzogenen Turm der Lutherkirche zeichnen. Aber der Ausblick ist zu verführerisch, bei jedem Wetter. Eines Nachmittags sehe ich unten am Eingang des Parks einen großen schwarzen Hund. Ich weiß nicht, was das für eine Rasse ist. Er ist so groß wie ein Irish Wolfhound, aber er hat glattes schwarzes Fell. Er tut niemandem etwas, er steht nur da. Nach zwanzig Minuten kommt die Polizei und guckt den Hund an. Nach zehn Minuten Palaver mit seinem Kollegen holt ein Polizist seine Pistole aus der Pistolentasche und erschießt den Hund. Drei Schüsse. Einfach so, ohne Grund. Diese Szene, dieses sinnlose Töten, bekomme ich nie wieder aus dem Kopf. Der Kurzfilm läuft immer wieder ab, wenn ich daran denke. Ein Jahr später wird Benno Ohnesorg erschossen.

Auch Bremen hat sein 1968 (wenn man so will, beginnt 1968 hier), obgleich die Revolution hier etwas kleiner ausfällt als in den großen Universitätsstädten. Dafür kommen sich die Beteiligten in Bremen ungleich größer und wichtiger vor. Olaf Dinné, der sich in der Bremer linken Szene für den größten Denker hält, wird eines Tages sogar Mitherausgeber eines vierhundert Seiten starken Buches 68: Anno dunnemals in Bremen sein. Im Selbstvermarkten war der Besitzer des Jazz Clubs Lila Eule immer gut. Im Zentrum von vielen Aufregungen steht der Bremer Polizeipräsident Erich von Bock und Polach. Der ist jedes Jahr Gast in dem gleichen Saal, in dem General de Maizière seinen Auftritt hatte. Er redet dort nicht, er wird nur zum Bataillonsball eingeladen. Und das auch nur, weil er so hübsche Töchter hat. Das weiß er aber nicht. Er kommt im zweireihigen Smoking und trägt seine Weltkriegsorden in Miniaturausgabe an einem kleinen goldenen Kettchen neben dem Revers. Wenn jetzt der Verteidigungsfall eintreten würde, dann hätte ich als Polizeipräsident automatisch den Rang eines Generals, schwadroniert der ehemalige Wehrmachtoberst. Dass er auch bei der Waffen SS war, lässt er unerwähnt. Wir lassen ihn reden, wir nehmen ihn ja nur wegen der Töchter in Kauf. Beauties haben immer ein beast im Hintergrund.

Der Möchtegern-General sollte eigentlich im Gefängnis sitzen oder, zum einfachen Schutzmann degradiert, Parksünder aufschreiben. Seine Karriere besteht nur aus Skandalen. Wenn Hermann Rademann auf dem Domshof während der Straßenbahnunruhen lauthals (dank Megaphon) dem Senat Forderungen diktiert, dann ist die sofortige Absetzung des Polizeipräsidenten eine dieser Forderungen. Die sechziger Jahre beginnen in Bremen mit einem Skandal. Die Polizei schafft neue Streifenwagen an, es werden Produkte aus Stuttgart-Untertürkheim sein. Das wäre bei einer ordentlichen Ausschreibung nicht weiter erwähnenswert. Allerdings haben alle Kinder des Polizeipräsidenten plötzlich einen neuen Mercedes. Von Bock und Polach kann sich in dem folgenden Bestechungsprozess nicht erklären, wo die alle hergekommen sind. Freispruch mangels Beweisen. Der Disziplinargerichtshof wird zu einem anderen Ergebnis kommen, zeitweise Amtsenthebung und Kürzung des Gehaltes. Aber er hat ein SPD Parteibuch, er bleibt im Amt. Wenn man in Bremen ein SPD Parteibuch hat, besitzt man Immunität gegen alles, außer gegen grünes Kryptonit. Richard Boljahn und Hermann Wolters sind dafür lebende Beweise.

Als 1968 bei einer Party seiner Töchter jemand im Hause des Herrn von Bock und Polach zu Tode kommt, wird die Staatsanwaltschaft nicht ermitteln. Die Staatsanwaltschaft ermittelt dagegen gegen die Schüler, die in dem Faltblatt a unter dem Titel Zur Gewalt: oder das faschistische Gesellschaftsbild des Bremer Polizeipräsidenten diesen Umstand öffentlich bekannt gemacht haben. Die Pressefreiheit ist in Bremen plötzlich aufgehoben. Angeklagt wird nicht der Polizeipräsident, sondern die Schüler, die das Faltblatt herausgegeben haben. Dass der Polizeipräsident bei einer Demonstration seinen Polizisten zugebrüllt hat Draufhauen! Draufhauen! Nachsetzen! steht nicht zur Diskussion (die Untersuchungskommission des Senats wird das Verhalten des Polizeipräsidenten und seiner Polizei rügen).

Und auch die Orgie im Hause Bock und Polach wird in der Sprache der Juristen eine ganz andere Dimension bekommen. Wir erfahren, dass die im Hause des Polizeipräsidenten nach dem Genuss von Whisky zu Tode gekommene Person infolge eines plötzlichen Unwohlseins über das Geländer des Hauseingangs auf die Kellertreppe gefallen sei und sich dabei die tödlichen Verletzungen zugezogen habe. Ich kenne Leute, die auf dieser Party waren, und die haben mir etwas anderes erzählt, als was in den Gerichtsakten steht. Dass es keine Selbstanzeige, keine Untersuchung und eher eine Vertuschung gegeben hat, davon ist keine Rede mehr.

Und dann gibt es in dem Prozess noch einen ganz, ganz schlimmen Anklagepunkt: die Verbreitung von Pornographie. Auf dem Flyer war eine Zeichnung von Aubrey Beardsley aus Lysistrata abgedruckt, auf der erigierte Penisse zu sehen sind. Der Kunsthallendirektor Günter Busch, als Zeuge geladen, gesteht Aubrey Beardsley vor Gericht duchaus den Kunstcharakter zu. Und er wird sich hochironisch gegenüber der Staatsanwaltschaft äußern, das hätte ich ihm eigentlich nicht zugetraut. Auf die Frage Verfolgt der Hersteller [i.e. Beardsley] mit dieser und der anderen Illustrationen der Lysistrata andere Zwecke? antwortet Dr Busch: Diese Frage kann ich nicht beantworten, da der Hersteller 1898 verstorben ist. Sonst könnten wir ihn selbst fragen. Der Prozess, bei dem es turbulent und skandalös zugeht, ist sogar Le Monde die Berichterstattung wert, am Ende werden die Schüler zu Geldstrafen verurteilt und fliegen von der Schule. Die Weisheit von Thomas Jefferson, dass eine kleine Revolution von Zeit zu Zeit niemandem schadet, ist nicht bis Bremen gekommen. Ich habe mich damals für meine Heimatstadt geschämt. Und wenn ich nachlese, was der Staranwalt der Linken, Heinrich Hannover, der die Schüler verteidigt, später über diesen Prozess geschrieben hat, schäme ich mich heute noch für Bremen.

Die Paranoia ist auf beiden Seiten. Keinerlei Vernunft, die über den Dingen steht, keinerlei largesse. Keine Verhältnismäßigkeit der Mittel. Das hätte der berühmte Bremer Richter Smidt, der seine Verhandlungen im 19. Jahrhundert mit Humor auf Platt führte, anders gemacht. Dies ist eine politische Justiz, die sich in den Tendenzen nicht von der Justiz des Dritten Reiches unterscheidet. Der Präsident des Hanseatischen Oberlandesgerichts ist übrigens 1933 in die SS eingetreten, es nützt nichts, dass der Amerikanische Jüdische Kongress im Juni 1965 seine Abberufung gefordert hat. Dr Karl Arndt bleibt bis zur Pensionierung 1969 im Amt. Die Bremer Revolution wird auch Untote wieder aus der Gruft holen, am 5. Mai 1969 spricht im Gewerkschaftshaus Senator a.D. Hermann Wolters über politischen Dilettantismus. Wenn irgend jemand etwas davon versteht, dann ist das Hermann Wolters, den man damals besoffen vor einem Bonner Bordell gefunden hat, als er Bremen im Bundesrat vertreten sollte.

Es gibt, das sei zur Ehrenrettung Bremens gesagt, Stimmen der Vernunft. Die lauteste wird (dank eines elektrischen Megaphons) die der stellvertretenden Bürgermeisterin Annemarie Mevissen am Freitag nach der Prügelorgie des Vortags sein. Sie empfängt eine Schülerdelegation zu einer mehrstündigen Diskussion im Rathaus. Das ist jetzt eine andere Haltung als das Draufhauen! Draufhauen! des Polizeidirektors. Bei der Demonstration am Nachmittag klettert die sozialdemokratische Jugendsenatorin mit dem Megaphon, das ihr der um Entkrampfung der Situation bemühte Hermann Rademann in die Hand gedrückt hat, auf eine Streusandkiste auf dem Marktplatz und hält eine unvorbereitete Rede.

Der frisch gewählte Bürgermeister Koschnik, der sie vorgeschickt hat, hat gekniffen. Obgleich er wusste, wohin die Demonstrationen im Vorjahr in Köln geführt haben. Er war, nachdem er vorher noch die Parole Keine Verhandlungen mit den Demonstranten! ausgegeben hatte, nach Düsseldorf zu einem politischen Treffen von geringer politischer Relevanz (es ging um die Sportförderung) gefahren. Seine Frau hatte ihm gesagt Bleib hier, es gibt Ärger. Senator Bortscheller, der die Preiserhöhung der Straßenbahn zu verantworten hatte, feiert als Alter Herr mit seiner studentischen Verbindung in Marburg. Die Presse wird Annemarie Mevissen als den einzigen Mann im Bremer Senat bezeichnen. Mevissen appelliert in ihrer Rede an die Vernunft und fordert das Gespräch, sie gesteht schwere Fehler der Politik und der Polizei ein. Sie weicht damit von der Parteilinie der Hardliner ab. Die Demonstration löst sich auf, zwei Stunden später fährt die Straßenbahn wieder am Bremer Rathaus vorbei.

Annemarie Mevissen hatte am Abend zuvor nach der Knüppelorgie des Donnerstags die schwere Aufgabe, die unversöhnlichen Positionen in Senat und Partei, irgendwie zu sortieren. Richard Boljahn, nach dem Bremen in diesen Jahren für viele Boljanograd heißt, ist der unverhältnismäßige Gewalteinsatz der Polizei noch viel zu lasch gewesen. Da hätte man reinhalten müssen. Er redet vom Schusswaffeneinsatz. Das sind so Männerphantasien, die ein gefundenes Fressen für Klaus Theweleit wären. So etwas hätte mein Opa sagen können, wenn er sich an die Straßenkämpfe zwischen rechts und links Ende der zwanziger Jahre erinnerte, als er als Frontoffizier des Weltkriegs mit seinen Stahlhelmkameraden durch Walle und Gröpelingen marschierte. Um zu zeigen, wem die Straße gehört. Das ist in der Phase, bevor der Stahlhelm jede Macht verliert. Und die SA Leute in den Bremer Kneipen singen Und kommt der Stahlhelm ins Lokal, tritt ihn ins Arschloch noch einmal.

Jüngere Gewerkschafter überlegen sich, ob dies nicht die richtige Stunde für den Königsmord an King Richard wäre. Manche fordern den sofortigen Rücktritt von Koschnik wegen Feigheit vor dem Feind. Können wir nicht machen, wir haben doch gerade erst Dehnkamp entmachtet, heißt es. Alle einigen sich, bei der ausgegeben Parteilinie zu bleiben. Keine Diskussionen. Annemarie Mevissen wird nicht mehr auf ihre männlichen Kollegen hören. Sie wird die halbe Nacht mit dem Bremer Domprediger Günter Abramzik diskutieren. Dessen Argumente geben den Ausschlag für ihre Haltung am Freitag.

Abramzik ist ein erstaunlicher Mann, er ist der einzige, den jeder in Bremen in dieser Situation für ehrlich hält. Er ist der Bremischen Chronik 1957-1970 nur einen einzigen Eintrag wert: 29. Juni 1958. Der neue Domprediger Günter Abramzik hält seine erste Predigt. Mehr hat diese Veröffentlichung des Bremer Staatsarchivs, die sonst die Eröffnung jeder Würstchenbude verzeichnet, nicht zu bieten. Beinahe jeder, der Günter Abramzik gekannt hat, erinnert sich heute noch mit Hochachtung an ihn. Tausende von Namen, die die offiziöse Bremische Chronik für erwähnenswert hält, sind glücklicherweise vergessen. Als Jugendlichen hat die Wehrmacht Abramzik im letzten Kriegsjahr noch geholt, er kommt an die Front, wird verwundet und ist kurze Zeit in Gefangenschaft. Zum Theologiestudium kommt er Umwegen. Von 1958 bis 1992 ist er Domprediger, daneben unterrichtet er Philosophie am Alten Gymnasium, gibt an verschiedenen Schulen Religionsunterricht. Also das, was die Bremer Verfassung zulässt. Unser Grundgesetz enthält nämlich in Artikel 7 die so genannte Bremer Klausel, wonach in Bremen nur ein bekenntnismäßig nicht gebundener Unterricht erteilt werden darf. Abramzik leitet auch beinahe unzählige Gesprächskreise, zu denen er auch prominente Intellektuelle einlädt. Natürlich ist er auch Gast bei Dr Otto Proksch, wo ich ihn kennenlerne. Er kann zuhören, er hat keine Patentrezepte, er hat auch mehr Fragen als Antworten. Manchen sind seine Predigten zu links, manche wollen ihn nach ganz links rücken, wohin er zweifellos nicht gehört. Für manche hat er den Spitznamen Abrazzo, was mich immer verwundert hat, er hat nichts von einem gewalttätigen Scheuermittel.

Abramzik macht auch jahrelang Literaturkurse an der Volkshochschule zusammen mit Heinz Ide vom Alten Gymnasium. Ide gibt die Fachzeitschrift Diskussion Deutsch heraus, die für viele jüngere Deutschlehrer eine Art Bibelersatz werden wird. Ich kann mit dieser neuen Germanistik, die jetzt statt literarischen Texten im Deutschunterricht Todesanzeigen analysiert, nicht viel anfangen. Ich werde mein Germanistikstudium sowieso eines Tages aufgeben, ich lerne da nix. Erst recht nicht, wenn der Klassenkampf in die Literatur eindringt. Als Conrady, der gerade Ordinarius in Kiel ist, seinen Rowohltband Einführung in die Neuere deutsche Literaturwissenschaft herausbringt, enthält dieser Band auch eine Leseliste. Ich mache mit dem Bleistift Häkchen hinter die Bücher, die ich schon gelesen habe. Das sind 80 Prozent der Liste, ich bin im zweiten Semester. Dank Dr 'Edu' Schäfer (der mir erlaubte, jederzeit Bücher aus der Lehrerbibliothek auszuleihen) habe ich mein Literatursoll längst erfüllt. Ich bin der Hennecke der Germanistikstudenten.

Es gibt durchaus Lehrveranstaltungen, die in meinem Studium erwähnenswert waren. Diederichsens Barockseminar (der Sohn, der auch Diederich Diederichsen heißt, wird berühmter als sein Vater werden), Walter H. Sokel über Kafka, Musil und Broch (dreitausend Leute im Hamburger Audimax) und die Vorlesungen von Erich Trunz. Und natürlich die Baronin Gisela von Stoltzenberg. Der Rest ist for the birds. Wahrscheinlich sitzen die guten Germanisten woanders. Man hört schlimme Dinge von Benno von Wiese (nachdem ich seine Autobiographie gelesen habe, ist mir alles klar, was mir Leute erzählt haben, die bei ihm studierten). Man hört gute Dinge über Friedrich Beissner, aber ewig Hölderlin, das könnte ich auch nicht. In Dublin ist Eda Sagarra, die mir eines Tages ihr vorzügliches Buch über die deutsche Literatur des 19. Jahrhunderts schenkt. Hatte ich zwar schon, aber jetzt habe ich eins mit Widmung. Berlin wäre eine Alternative. Aber ich bin von Hamburg nach Kiel gewechselt, weil mir jemand im Audimax während der Psychologievorlesung von Curt Bondy (und die war wirklich hervorragend!) erzählt hat, dass es in Kiel ganz kleine Seminare gäbe. Was auch stimmte. Ich bin auch nach Kiel gewechselt, weil ich hier in Hamburg alle Frauen aus meiner Vergangenheit, wie Renate und Traute wiedertreffe und die lebende Versuchung Heidi hier rumläuft. Nein, ich gebe die Germanistik auf (obgleich ich beinahe alle Pflichtscheine habe). Die deutsche Literatur ist von nun an meine Privatsache. Da redet mir kein Conrady oder Ide mehr rein. Und die ganzen Kapeiken von Pseudorevolutionären, die neuerdings Germanistik studieren und lauthals die Einbeziehung der marxistischen Literaturkritik fordern (insbesondere die Schriften des Genossen Stalin zur Linguistik), machen mir den Abschied von diesem Fach leicht.

Angeblich fängt die amerikanische Revolution mit der Boston Tea Party an, aber wir alle wissen, dass ganz andere Dinge dahin geführt haben, als ein paar verkleidete Indianer und einige Kisten Tee. Die Bremer Revolution fängt mit der Fahrpreiserhöhung der Verkehrsbetriebe an. Die heißen BSAG (Bremer Straßenbahn Aktiengesellschaft), Vegesacker kennen sie nur als BVG (Bremer Vorortbahnengesellschaft). Von uns kommt man nur mit der BVG nach Bremen, erst der Bus bis Burg, dann der Trolleybus bis Gröpelingen und dann die Straßenbahn. Die zwanzig Pfennig Erhöhung lassen Demonstranten dichten: Siebzig Pfennich – lieber rennich! Und führen zu dem, was man heute die Bremer Straßenbahnunruhen oder auch den Großen Schüleraufstand nennen wird.

Bremens Äquivalent für Paris 1968. Die ersten Anführer eines Unabhängigen Schülerbundes (USB) heißen Hermann Rademann, Jörg Streese und Christoph Köhler, sie sind alle viel jünger als ich. Hermann Rademann ist tot, Streese wird Pädagoge und Filmemacher, Köhler Soziologieprofessor. Drei Anführer, ein Dutzend Sympathisanten, aber plötzlich haben sie zwanzig-, dreißigtausend hinter sich. Die aus Frankfurt angereisten Berufrevolutionäre, die im Bremer Rathaus die Räterepublik ausrufen wollen, schickt Hermann Rademann wieder nach Hause. Hätte man zuerst geredet, statt den Kettenhund von Bock und Polach loszulassen, wäre vielleicht nix passiert. Koschnik sieht plötzlich, dass die Gewerkschaften und die Arbeiterschaft der Werften und von Klöckner sich mit den Schülern solidarisieren. Er gibt klein bei. Rühmlich kann man seine Rolle nicht nennen. Auch nicht die vom politischen Zündler Olaf Dinné. Der hatte, als er von den Plänen der Straßenbahnblockierungen hörte, gesagt: Ihr spinnt! und war sicherheitshalber in die Schweiz gereist.

Hermann Rademann ist eine tragische Figur. Er ist auf meiner Schule gewesen, ich bin mit ihm auf zahlreichen Freizeiten der Evangelischen Jugend gewesen. Er ist jünger als wir. Ist ein kleiner Spinner, aber nett und voller Enthusiasmus. Er hat gerade das Abitur in der Tasche und studiert in Tübingen Soziologie. Da ist er aber selten, weil er ja in Bremen die Revolution machen muss. Er hat plötzlich erkannt, dass die Macht auf der Straße liegt. Dass alle linken Bestrebungen auf einen Führer warten. Und das ist nun er, der Sohn aus gutbürgerlichen Hause. Auf den Photos aus dieser Zeit sieht man einen gutaussehenden jungen Mann, noch ein bisschen unerwachsen, mit kurzem Haarschnitt. Mit Schlips und Kragen und Burberry Regenmantel. Und Megaphon. Er hat das sichere Auftreten drauf, dafür bewundern sie ihn. Er hat kein Programm, er ist auch um Ausgleich bemüht. Der Ruhm steigt ihm auch ein wenig zu Kopf, er darf in Peter Zadeks Ich bin ein Elefant, Madame sich selbst spielen. Er wird auch in den Salon von Otto Proksch eingeladen, ist völlig überrascht, mich dort zu treffen. Die Linke wird sich eines Tages radikalisieren, da ist für den kompromissbereiten Bürgersohn kein Platz mehr. Die Revolution frisst ihre Kinder. Alkohol, Drogen, wilde revolutionäre Pläne, absurde Politaktionen, Psychiatrie, Medikamente oder wieder Drogen, das spielt jetzt keine Rolle mehr. Am Ende der Selbstmord, zwanzig Jahre nach seinem kometenhaften Auftritt vor dem Bremer Rathaus, als er Koschnik und die ganze Staatsmacht in die Knie gezwungen hat.

Wasserwerfer und Knüppel sind für Bremen neu, in den Universitätsstädten kennt man das ansatzweise schon. In Kiel sieht die Polizei noch besonders abschreckend aus. Während die Bremer und Hamburger Polizei ein dunkles Blau tragen, trägt die schleswig-holsteinische Polizei eine grünliche Uniform, die mit Knobelbechern und Koppel der Naziuniform doch sehr ähnlich sieht. Auf meiner ersten Demonstration gegen die NPD muss ich fassungslos mitansehen, dass die Staatsmacht mit aller Gewalt die Neonazis schützt und uns harmlose und idealistische Demonstranten niederknüppelt. Das geschieht jetzt überall in Deutschland, mehr fällt dem Staat nicht ein. El sueño de la razón produce monstruos. Es ist sicherlich auch eine Strukturkrise der Polizei, die in ihrer Führungsspitze noch viele Offiziere hat, die ihre Stelle einem Parteibuch der Nationalsozialisten verdanken und seitdem nichts in Bezug auf Menschenführung gelernt haben. Dass der Tod von Benno Ohnesorg ein Einzelfall bleibt, ist eigentlich ein Wunder. Wir haben glücklicherweise kein Kent State Massaker. Auf meinem Schreibtisch liegt ein großer gelber Kugelschreiber, Kent State steht mit schwarzen Lettern darauf. Professor Sandy Marovitz hat ihn mir geschenkt. Er erinnert mich immer an diesen wunderbaren Melville-Spezialisten, aber er weckt auch andere Erinnerungen. Es geht weltweit jetzt nicht anders zu als bei uns. Vielleicht sind Kurras, von Bock und Polach und Nguyên Ngoo Loan eine Person.

Die Polizei hat in dieser Zeit das Problem, dass ihre Führungsetage zu alt ist. Viele sehen sich Weimar zurück (das sie gar nicht mitgemacht haben), als die Polizei in Strassenkämpfen ständig von Schusswaffen Gebrauch machte. Das ist nicht nur die Meinung von Richard Boljahn (der am Ende des Monats nacheinander alle Ämter verlieren wird: Ortsverein, Landesverband, Fraktionsvorsitz in der Bürgerschaft, damit geht eine schlimme Ära zuende), ähnliche Äußerungen hört man überall. Die Polizei hat auch ein Strukturproblem, zu viele Häuptlinge und zu wenig Indianer. So werden manche Beamte zu Revierleitern, die bisher nur jahrelang im Polizeipräsidium gepennt haben. Und die mit dieser Position hoffnungslos überfordert sind. Ein jüngerer Bremer Polizeioffizier schreibt über einen solchen Kollegen, der, vom Präsidium über mögliche Baader-Meinhof Mitglieder informiert wird, die die Autobahnabfahrt Bremen-Mahndorf benutzen könnten, folgendes ausführt:

„Meine Herren,“ hiernach das unvermeidlich im Offizierston geschnarrte „Äh,“ „Das I. Polizeirevier errichtet in Höhe des Mahndorfer Bahnhofs eine Kontrollstelle, die Baader-Meinhoff Bande kommt in Bremen zu Besuch. Die Bahnhof-Meiner-Bande soll nach Erkenntnissen des BKA am Dienstag kommen. Ich bitte um strengste Eigensicherung, äh, da die Baader-Mahndorf-Bande, äh, ich meine natürlich die Bahnhof-Mahndorf-Bande vermutlich schwer bewaffnet ist!“

Das hätte Dieter Hildebrandt nicht besser hinkriegen können. In unserem kleinen Vegesack ist die Welt in Ordnung; es gibt mal eine Entlassung eines Revierleiters, aber der hatte im Vollrausch jemanden totgefahren. Dann schützt einen auch das SPD Parteibuch nicht mehr. Oder er hätte soweit oben sein müssen, wie Herr von Bock und Polach. Dass jenem ein faschistisches Gesellschaftbild von einer Schülerzeitung vorgeworfen wird, ist ja objektiv wahr, auch wenn ein Bremer Gericht, dies als den Tatbestand der Beleidigung wertet. Viele Polizeipräsidenten haben damals (und das noch weit in die siebziger Jahre) ein solches Gesellschaftsbild. Nicht nur die Polizeipräsidenten, auch ein großer Teil der Bevölkerung würde das so sehen. Dass es ein Recht auf Demonstrationsfreiheit gibt, glaubt damals nur etwas mehr als die Hälfte der Bürger der Bundesrepublik. In diesen Jahren schreibt ein hoher Polizeioffizier aus Bonn namens Tonis Hunold:

Wenn durch Besonnenheit, Gelassenheit und Duldsamkeit sich etwas mehr menschliches Denken in den polizeilichen Vorstellungen durchsetzt und hierdurch Provokationen und somit Eskalationen verhindert werden, entspricht ein solcher bewusster Verzicht auf Reaktion eher der freiheitlichen, demokratischen Ordnung, als wenn durch überkommenes Prestigedenken die Voraussetzungen zum harten polizeilichen Einsatz geschaffen werden.

Das ist ein langer Satz, er hätte auch von Heinrich Hannover (Bild) oder Günter Abramzik stammen können. Ich bin sicher, der Herr von Bock und Polach (den ich einmal durch die Nacht nach Hause fahren und mir sein ganzes Geschwätz anhören musste, was tut man nicht alles wegen der schönen Töchter?) hätte ihn nicht verstanden. Es ist kein Satz eines Theoretikers. Hunold ist der Einsatzleiter beim Sternmarsch auf Bonn im Mai 1968, der größten Demonstration in Deutschland. Und es passiert nichts. Keine Gummiknüppel. Stattdessen De-Eskalation, Flugblätter werden von Polizisten an die Bevölkerung verteilt, auf denen steht, dass Demonstrationen ein Grundrecht der Demokratie sind.

Die Paranoia geht weiter. 1977 diskutiert der Bremer Senat über eine Lehrerin, die im Unterricht das Gedicht Die Anfrage von Erich Fried aus der Gedichtsammlung So kam ich unter die Deutschen behandelt hat. Es ist mir immer noch nicht klar, was Literaturbehandlung im Unterricht den Bremer Senat angeht, aber so sind die Zeiten. Der Abgeordnete Bernd Neumann, Vorsitzender der Bremer CDU, wird sich in seinem Hass auf den jüdischen Exilanten in London zu der Forderung nach einer neuen Bücherverbrennung hinreißen lassen: Ja, so etwas würde ich lieber verbrannt sehen, das will ich Ihnen ganz eindeutig sagen! Er nimmt diese Bemerkung auch nicht zurück.

Er versucht sogar noch zu erreichen, dass die Lehrerin disziplinar gemaßregelt wird. Als er im Jahre 2005 Staatsminister für Kultur wird und ihn Journalisten mit dieser Geschichte konfrontieren, ist die Bemerkung von damals für ihn aus dem Zusammenhang gerissen. Er überlebt eine ganze Legislaturperiode auf diesem Posten, obgleich sich die Journalisten der gebildeten Gazetten über ihn totlachen, weil er keinen Namen in einer Fremdsprache richtig aussprechen kann. Ein würdiger Erbe Heinrich Lübkes. Ja, wo soll es denn herkommen? Wir haben uns an unserer Schule schon vor fünfzig Jahren seinetwegen geschämt. Unser Parzival mit dem Holzschwert auf der Bühne des Gerhard Rohlfs Gymnasiums! Kaum hat er Abitur, ist er schon in der CDU. Und dann hat es mal gerade für die PH Bremen gereicht. Die hatte damals nun wirklich keinen guten Ruf (ich nehme mal ein paar gute Leute aus). Aus diesem Grunde macht man auch (mangels Masse) neben den ganzen Linken, die man für die rote Kaderschmiede einstellt, jeden PH Dozenten zum Universitätsprofessor. Und nun das. Bücherverbrennung. Ich habe die ganze Diskussion von damals, Zeitungsausschnitte, Flugblätter und offene Briefe, gesammelt und aufbewahrt, weil mir das so ungeheuerlich erschien. Ich glaube, ich werfe das mal jetzt weg. Oder vielleicht doch nicht, ich habe manchmal das Gefühl, es kommt alles wieder.



Postscriptum 2022: Ich kenne Abramzik nur aus der 68er Zeit von einigen Diskussionen. Ich war sehr überrascht, dass mir ein Bekannter vor Jahren erzählte, dass Abramzik stockschwul gewesen sei und mal über ihn hergefallen sei. Ich habe das damals nicht so wirklich geglaubt, aber jetzt geht die Geschichte gerade durch die Presse. Sic transit gloria mundi.

5 Kommentare:

  1. Lieber Jay,

    nicht erst seit diesem Auszug warte ich voller Neugier auf Ihre Autobiographie.

    Den Domprediger Günter Abramzik habe ich übrigens wenige Jahre vor seinem viel zu frühen Tod noch kennengelernt: ein bemerkenswerter Mann und ein freier Geist.

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  2. Und ich schäme mich, dass ich's immer noch nicht gelesen habe...

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  3. Interessant, wie versprochen, und so überraschend "ausgeglichen", gut, da war jetzt ein ganz klein wenig Ironie dabei, aber freundliche. Und es ist für jemanden wie mich, dem das alles sehr fremd ist, gut nachvollziehbar.

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  4. Nach Lektüre kann ich auch nur eins: auf unbedingte Veröffentlichung der Autobiographie drängen.

    Das geht heute übrigens unabhängig von einem Verlag, wenn man's bei Amazon als "book on demand" herstellen läßt. Dazu brauchen die nur eine PDF-Fassung, dann kann jeder, der möchte, das Buch bestellen.

    Viel Freude am Bloggen weiterhin.

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  5. Achtung! Muss mich anschließen! Äh! Unbedingt Veröffentlichung sicherstellen! Gute Sache, DAS!
    Abtreten! sofort Verlag anrufen!

    Nein wirklich, hier könnte ich mich stundenlang aufhalten, Jay.

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