Montag, 24. August 2015

Goten


Am 24. August des Jahres 410 begann die Plünderung Roms durch die Goten. Es werden dort noch viele Plünderungen folgen. Wie die der Vandalen, die 45 Jahre später kommen. Oder der Sacco di Roma 1527 durch deutsche Landsknechte. Über deutsche Landsknechte weiß ich einiges, aber was weiß ich über die Goten? Gothic Revival und die Gothic Novel sagen mir etwas, wie Sie dem Post ➱Gothick entnehmen können. Aber die Goten? Nichts. Dabei habe ich einmal im Studium Gotisch gelernt. Bei einer pädagogisch und didaktisch völlig unfähigen Flachpfeife, die jeden Sonnabendvormittag an der Uni Hamburg dreihundert Leute in Gotisch unterrichtete. Den Satz des Hasses habe ich schon im Post ➱Frauenlob gebracht, ich wiederhole ihn aber gerne.

Ich kann kein Gotisch mehr, und ich weiß nichts über die Goten. Aber andere wissen auch nichts über die Goten, weil man über Alarich und Konsorten so gut wie nix weiß. Und weil man auch nicht so genau weiß, ob sich der römische Kaiser Flavius Honorius (hier auf einem Gemälde von John William Waterhouse) wirklich nur mit der Vogelzucht beschäftigt hat, statt sich dem Kampf gegen die Goten widmen.

Ich weiß auch deshalb nichts über die Goten, weil ich mich im Gegensatz zu ➱Arno Schmidt nicht so richtig für Felix Dahns Ein Kampf um Rom begeistern konnte. Habe ich gelesen, da war ich sieben. Davon ist nichts hängengeblieben. Aber was ich nie vergesse, ist ein weiteres Auftreten der Goten in der deutschen Literatur. Und damit meine ich jetzt nicht den ➱Grafen von Platen mit seiner Ballade Das Grab im Busento (Nächtlich am Busento lispeln, bey Cosenza, dumpfe Lieder etc etc). So etwas stand früher mal in den Lesebüchern, da konnte man frühkindliche Schäden davontragen.

Nein, der denkwürdige Auftritt der Goten steht nicht bei Platen, der steht bei Arno Schmidt. In einem kleinen Roman, der Tina oder über die Unsterblichkeit heißt. Und in dieser wunderbaren Utopie begegnet Felix Dahn im Elysium seinen Romanfiguren, ich zitiere mal eben aus dem Roman: Beinahe umgerannt//: Trotz seines zweispitzigen Vollbartes flitzte der Kerl wie ein Wiesel; schlug Haken; durch Vorgärten; die Zehn mit Knütteln immer hinter ihm her! Preschte durch Häuserschatten, übersprang mit Hürdentechnik ein letztes gestelltes Bein, wetzte hinten um den Kiosk, und entschwand auf langen Frackschwingen in einen hübschen kleinen Park [...] »Die Könige der Goten« erläuterte [Fischer] mir auf Anfrage gleichmütig: »Sind wieder mal hinter Felix Dahn her – na, er ist ja behördlicherseits bei Bewilligung der Einreisegenehmigung ausreichend darauf hingewiesen worden. 

Ist das nicht eine schöne Idee? Die Romanfiguren rächen sich an den Autoren. Und so jagen in meiner Vorstellung in dem Elysium unter der Stadt, das man durch eine Litfaßsäule erreicht, die Goten heute immer noch den Felix Dahn.

Gebt Raum, ihr Völker, unsrem Schritt: wir sind die letzten Goten!
Wir tragen keine Schätze mit: – wir tragen einen Toten.
Mit Schild an Schild und Speer an Speer wir ziehn nach Nordlands Winden,
Bis wir im fernsten grauen Meer die Insel Thule finden.
Das soll der Treue Insel sein: dort gilt noch Eid und Ehre:
Dort senken wir den König ein im Sarg der Eichenspeere.
Wir kommen her – – gebt Raum dem Schritt! – aus Romas falschen Thoren:
Wir tragen nur den König mit: – die Krone ging verloren.

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