Donnerstag, 12. Januar 2017

Preußenprinzen


Es war einmal ein ehrsamer Schneidergeselle, namens Labakan, der bei einem geschickten Meister in Alessandria sein Handwerk lernte. Man konnte nicht sagen, daß Labakan ungeschickt mit der Nadel war, im Gegenteil, er konnte recht feine Arbeit machen. Auch tat man ihm unrecht, wenn man ihn geradezu faul schalt; aber ganz richtig war es doch nicht mit dem Gesellen, denn er konnte oft stundenweis in einem fort nähen, daß ihm die Nadel in der Hand glühend ward und der Faden rauchte, da gab es ihm dann ein Stück wie keinem anderen; ein andermal aber, und dies geschah leider öfters, saß er in tiefen Gedanken, sah mit starren Augen vor sich hin und hatte dabei in Gesicht und Wesen etwas so Eigenes, daß sein Meister und die übrigen Gesellen von diesem Zustand nie anders sprachen als: »Labakan hat wieder sein vornehmes Gesicht.« So fängt das  Märchen vom falschen Prinzen an, das sich in Wilhelm Hauffs ➱Märchen-Almanach auf das Jahr 1826 findet. Und von Prinzen, falschen oder echten, müssen wir mal eben reden.

Als Blogger kann man nicht immer schreiben, man muss zwischendurch auch mal zur Entspannung surfen. Mache ich bei ➱ebay, da findet man immer wieder Kuriositäten. Letztens war da eine vegane Lederjacke im Angebot, vegane ➱Lederjacken kannte ich bisher nicht. Des Rätsels Lösung war, dass die Jacke aus Kunstleder war. Was mir an dem Tag auch noch auffiel, war ein Jackett, das als P. von Preußen Dormeuil Amadeus 365 Sakko Jacket angepriesen wurde. Den Stoff Dormeuil Amadeus 365 gibt es, aber wer steckt hinter dem Firmennamen? Schön sieht das Ganze ja nicht aus. Bei ➱Kiton, ➱Brioni oder ➱Caruso würde sich der Stoff in der Brustpartie nicht so spannen.

Auf dem Etikett im Futter kann man lesen Exclusively Tailored by P. von Preußen. Nähen die Preußenprinzen jetzt Sakkos? Die Preußens machen ja alles Mögliche. Eine Prinzessin, die ich kannte, landete bei der Bremer Lokalredaktion der Bild Zeitung, ein beruflicher Höhepunkt. Den Prinzen mit der ➱Juraklausur in Berlin möchte ich lieber nicht erwähnen. Doch was die Prinzen auch anstellen, eine ordentliche Schneiderlehre hat keiner von ihnen gemacht. Zwar sind Schneider geadelt worden wie ➱Hardy Amies, und es gibt Schneider mit (falschen) Adelsnamen wie ➱Georges de Paris, aber königliche Schneider gibt es nicht.

Doch die Schneider waren bei Königen und Prinzen immer angesehen, was wäre die Savile Row ohne den ➱Duke of Windsor gewesen? Der jetzige Prince of Wales hat, wie wir hier sehen, einmal seine Schneider besucht. Und mit ihm kommen wir auch dem Hersteller des P. von Preußen Jacketts auf die Spur. Denn da können wir im Spiegel im Jahre 2005 lesen: Die einzige Konstante scheint K's Adelsmasche zu sein. Schon bei der "Lord's of Sweden Maßbekleidung Vertriebs GmbH", die er bis 1998 führte, sorgte der feudale Titel für Umsatz. Nach ein paar Jahren reichte er die Firma an seinen Onkel in Zürich weiter. In die Frankfurter Filiale des "Lord's of Sweden" zog dann "Prince of Wales" ein. Und vielleicht eröffnet er ja nach seiner U-Haft eine neue Firma: K. ließ sich beim Deutschen Patent- und Markenamt bereits den nächsten klangvollen Namen schützen: "Prinz von Preußen". 

Der hier erwähnte Herr K. heißt Ricky Kripalini. Er ist ein Krimineller, wie die Schneider, die dem Kaiser die neuen ➱Kleider schneidern. Er ist in diesem Blog schon in den Posts ➱Maßkonfektion und ➱preloved aufgetaucht. Dieser Ricky Kripalini hat offensichtlich das wahrgemacht, was der Spiegel damals vermutete: vielleicht eröffnet er ja nach seiner U-Haft eine neue Firma. Am Ende von Wilhelm Hauffs Märchen sagt sich der Schneider Labakan: Es ist doch besser, daß ich ein Schneider geblieben bin; denn um die Ehre und den Ruhm ist es eine gar gefährliche Sache. Diese Einsicht hat Ricky Kripalini nie gehabt. Ich weiß nicht, ob er noch - oder schon wieder - einsitzt. Aber die Firma Prinz von Preußen hat es offensichtlich einmal gegeben. Näht da die Nadel ... emsig fort, ohne von jemand geführt zu werden ... macht feine, zierliche Stiche, wie sie selbst Labakan in seinen kunstreichsten Augenblicken nicht gemacht hatte? Geht da das Stückchen Zwirn ... nie aus, die Nadel mochte so fleißig sein, als sie wollte? Nein, dieses hochadelige Jackett wurde von der deutschen Firma Eduard Dressler hergestellt, wie man dem Etikett unschwer entnehmen kann.

Von Ricky Kripalini, der sich für seine Marke Prinz von Preußen ein hübsches Wappen entworfen hat, hat man seit Jahren nichts mehr gehört. Die neueste Marke, die Preußen in ihrem Namen führt, heißt Fritzi aus Preußen. Die stellen Handtaschen für Damen her: Designs im Vintage-Look, lässige Lederoptik und trendige Farben machen die Handtaschen von Fritzi, die den urbanen Lifestyle selbstbewusster und moderner Frauen transportieren, zu etwas ganz Besonderem. Und das Schönste ist: alles vegan. Sprich Kunstleder. Was die Marken Prinz von Preußen und Fritzi aus Preußen betrifft, können wir sagen, dass sie nicht the real thing sind. Die einzige Firma, die wirklich einen preußischen Prinzen beschäftigt, heißt Prinz von Preußen Grundbesitz AG. Die machen solche Geschäfte, wie sie Donald Trump gemacht hat, aber ist so etwas viel seriöser als Ricky Kripalini und seine Firma Prinz von Preußen?

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