Donnerstag, 16. November 2017

Räuber


Am 16. November 1802 hat Friedrich Schiller sein Adelsdiplom erhalten und war fortan Friedrich von Schiller. Als ich jung war, hatte ich mit Schiller nichts im Sinn. Gar nichts. Ich besaß zwar die vierbändige Ausgabe, die Enzensberger herausgegeben hatte - die damals ein Skandal war, weil er die Glocke weggelassen hatte. Aber mit dem Schiller im Regal hörte es bei mir auch auf. Das einzige, das ich bis zum Abitur von Schiller wirklich gelesen hatte, war sein Buch über den Grafen Egmont und den Abfall der Niederlande.

Eine Werkausgabe ohne die Glocke? Ja, und warum nicht? Karoline Schlegel notierte damals in ihrem Tagebuch: Über ein Gedicht von Schiller "Das Lied von der Glocke" sind wir gestern mittag fast von den Stühlen gefallen vor Lachen. Bei der Glocke habe ich nur eine simple Assoziation: es war ein Fehler, bei dem Auftritt des sächsischen Staatsschauspielers Horst Bogislaw von Smelding in der ersten Reihe in der Aula des Gymnasiums zu sitzen. Er spuckte. Besonders bei der Glocke.

Aber das hier, das war einfach geil. Nicht weil Zadek damals ➱Die Räuber inszeniert hatte, sondern weil Wilfried Minks das Bühnenbild gemacht hatte. Zadek wäre nichts ohne Minks gewesen, aber er hat ihn in seiner Autobiographie heruntergemacht. Er hat auch Judy Winters, mit der er zusammenlebte, als sie noch keine 18 war, heruntergemacht. Zadek war ein wenig wie Trump, für ihn gab es nur sich selbst.

Seine Räuber haben nicht nur das Bremer Publikum verstört und aus dem Theater vertrieben, sie haben Theatergeschichte gemacht: Das Theater glich einem Irrenhause, rollende Augen, geballte Fäuste, stampfende Füße, heisere Aufschreie im Zuschauerraum! Fremde Menschen fielen einander schluchzend in die Arme, Frauen wankten, einer Ohnmacht nahe, zur Thüre. Es war eine allgemeine Auflösung wie im Chaos, aus dessen Nebeln eine neue Schöpfung hervorbricht! Das hätte eine Rezension zu Zadeks Räubern sein können, ist es aber nicht. Das schrieb ein Zeitgenosse über die Premiere im Mannheimer Nationaltheater am 13. Januar 1782. Da brauchte man keinen Zadek und keinen Minks, Schillers Stück besaß genügend revolutionäres Potential.

Meine Eltern, die ein Theaterabo hatten, mochten das, was Kurt Hübner seine jungen wilden Regisseure inszenieren ließ, nicht so sehr. Und so saß ich häufig in der ersten Reihe des Bremer Theaters. Was im Falle von Hamlet geradezu lebensgefährlich war (lesen Sie mehr in Richard Lester). Die revolutionäre Zeit des Bremer Theaters, die Bremer Stillosigkeit (Hübner) war nach zehn Jahren zuende. Da bekam Hübner seinen Vertrag nicht mehr verlängert und ➱Peter Stein, dessen ➱Torquato Tasso Furore gemacht hatte, nahm die halbe Truppe nach Berlin mit.

Noch mehr Zadek und Bremer Theater in den Posts Richard Lester, Rickie Lee Jones, Nicolas Freeling, Gisela von Stoltzenberg, Wolle, Flimm ist schlimm, Nico.

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