Sonntag, 27. Dezember 2020

Jens Juel


Wenn man im 18. Jahrhundert in Dänemark so wohnt, dann ist man entweder der dänische König oder der Graf Schimmelmann. Das ist der Mann, der seine Millionen mit dem Sklavenhandel gemacht hat. Er war schon häufig in diesem Blog, zuletzt in dem Post Flensburg. Aber der Gutsbesitzer von Hagenskov ist ein Bürgerlicher, ein Kaufmann und Reeder. Er hat sich 1770 von Georg Erdmann Rosenberg (dem Sohn Johann Gottfried Rosenbergs, der das wunderbare Schloss Gravenstein gebaut hat) dieses Schloss auf Fünen bauen lassen.

Mit dem Sklavenhandel hat Niels Ryberg (hier von Jens Juel gemalt) auch ein wenig zu tun, er besitzt mit Ryberg & Thygesen das größte Handelshaus in Dänemark. Und er ist Direktor der Königlich dänischen Westindischen Handelsgesellschaft. Ab 1755 durften Reeder und Kaufleute, die ihren Sitz nicht in Kopenhagen hatten (das betrifft zum Beispiel die Reeder aus Eckernförde), nach Dänisch-Guinea und Dänisch-Westindien segeln. Rybergs Schiffe transportieren schon einmal Schwarze, aber er handelt nicht mit ihnen. Er ist in gewisser Weise das Gegenteil von Schimmelmann, er macht sein Gut zu einem Mustergut der Aufklärung und reformiert die Landwirtschaft. Wir sind in der Zeit, in der Struensee (den Jens Juel auch gemalt hat) den dänischen Staat umkrempelt. Ryberg ist der erste dänische Gutsbesitzer, der seinen Bauern die Freiheit schenkt, lange bevor die Residenzpflicht und die Leibeigenschaft aufgehoben werden. Auf seinem Gut gab es eine Praxis für Geburtshilfe und ein kleines Hospital. Er bezahlt das Gehalt des Lehrers, lässt die Kirche renovieren und stiftet eine neue Orgel, eine gute Orgel, wie es in den Akten heißt. Er lässt in der Kirche auch eine Grabkapelle für seine Familie bauen und baut den Kirchenturm zu einem Observatorium aus. Den kann man heute noch auf dem Turm der Dreslette Kirke sehen.

Die ungeheure Summe von 170.000 Reichstalern hat Ryberg für den Kauf den Gutes auf den Tisch gelegt. Der dänische Außenminister Graf Bernstorff gratuliert ihm: Zum Kauf des Anwesens gratuliere ich und wünsche sehr, dass Ihr Wohlbefinden immer damit zufrieden ist. Ich kenne das Anwesen nicht, aber es muss wunderbar sein, wenn es ohne Holz so viel wert ist. Aber von einem Mann wie Ihrem Wohlergehen kann ich nur wohlüberlegte Entscheidungen erwarten. Ohne Holz, es gibt keinen Wald, aber Ryberg lässt im Park alle möglichen Bäume anpflanzen. Hier sitzt er unter einer Eiche, die noch nicht so alt ist. Er ist elegant nach französischer Mode gekleidet, wir beachten einmal seine Seidenstrümpfe und die Schuhe mit den silbernen Spangen.

Sein Sohn Johan Christian (hier mit seiner Ehefrau Engelke) ist dagegen ganz im englischen Stil gekleidet: gelbe Hosen und die kurzen Hessian boots. Wir kennen diesen Stil von Beau Brummell, in Deutschland wird er als Werthertracht bekannt werden. Was mir nicht ganz klar ist, ist die Zeigegeste des dänischen Dandys. Auf was zeigt die Hand des jungen Mannes? Will er uns sagen: dies alles gehört uns? Niels Ryberg, der aus ganz kleinen Verhältnissen nach ganz oben gekommen war, sein Leben ist eine from rags to riches story, wollte auf jeden Fall, dass der Hofmaler Jens Juel (der am 27. Dezember 1802 starb) seinen Besitz darstellte. Und das ganz groß.

Es ist mit 3,36 x 2,53 Metern das größte Bild, das Jens Juel gemalt hat. Vielleicht hat er die Leinwand von Ryberg bekommen, denn der besaß die größte Leinenfabrik Dänemarks. Es gibt von dem Bild eine frühere, sehr viel kleinere Variante. Wahrscheinlich hat der Gutsbesitzer Ryberg dem Maler Juel gesagt, dass er das so nicht haben wolle, es sollte schon etwas Repräsentatives sein.

Die Engländer nennen diesen Bildtyp conversation piece (zu diesen Bildern finden Sie mehr in dem Post Vilhelm Marstrand), auch wenn die dargestellten Personen keine Konversation pflegen, sondern uns eher stumm anschauen. Wie Mr und Mrs Andrews auf dem berühmten Bild von Gainsborough (zu dem gibt es hier einen langen Post). Beide Bilder haben eins gemeinsam: sie zeigen gesellschaftlich hochstehende Personen in der Landschaft. In einer Landschaft, die ihnen gehört, ob das nun der Park von Niels Ryberg ist oder ob das die Ländereien von Robert Andrews sind. Beide Bilder haben, und das nur am Rande, noch eins gemeinsam: sie sind einer größeren Öffentlichkeit erst seit 1960 bekannt, weil sie vorher im Privatbesitz waren.

Die Nähe von Jens Juel zu Gainsborough wird auch in diesem Portrait des englischen Kapitäns Joseph Greenway deutlich, das man durchaus für einen Gainsborough halten könnte. Greenway hatte viel Geld damit verdient, dass er dänische Frachtschiffe kommandierte, wahrscheinlich auch auf der Route nach Dänisch Westindien. Jetzt hatte er sich zur Ruhe gesetzt, war dänischer Staatsbürger geworden und ließ sich von Juel malen, der inzwischen Direktor der Kopenhagener Akademie war. Das Bild hängt heute in der National Gallery in London. Gainsborough wäre lieber Landschaftsmaler als Portraitmaler gewesen: I'm sick of portraits, and wish very much to take my viol-da-gam and walk off to some sweet village, where I can paint landskips (sic) and enjoy the fag end of life in quietness and ease. Für Jens Juel ist die Landschaftsmalerei eher ein Hobby. Dem er aber gerne nachgeht. Seit er Rousseau gelesen und die Alpen gesehen hat, kommt dieses Revenons à la nature auf seine Bilder.

Auch wenn seine Landschaftsbilder nur einen kleinen Prozentsatz seiner tausend Bilder ausmachen, sie haben großen Einfluß auf Juels Schüler und Zeitgenossen. Wenn wir bei diesem Bild mit dem Mondlicht am Kleinen Belt bei Snoghøj an Caspar David Friedrich denken, dann liegen wir wahrscheinlich gar nicht so falsch, denn Friedrich war einer seiner Schüler an der Kopenhagener Akademie.

Ein Bauernhaus auf Seeland, ein Gewittersturm zieht auf, es sind auf den Wänden des Hauses und in den Blättern des Baumes noch Reste von dem Sonnenlicht zu sehen - das um 1793 entstandene Gemälde ist ein erstaunliches Bild. C.W. Eckersberg, der dieses Bild genau kannte, hat 1810 auf Moen eine ähnliche Stimmung einzufangen versucht; sein Bild hängt heute in der Kunsthalle Kiel, ist aber lange nicht so eindrucksvoll wie das Bild von Juel, das einen großen Einfluß auf die dänische romantische Malerei des 19. Jahrhunderts haben wird. Sie können in den Posts über den amerikanischen Luminismus und in dem Post Richard Oelze noch Beispiele für ein ähnliches Licht finden.

Jens Juel ist der bedeutendste dänische Maler des 18. Jahrhunderts gewesen, er war der Lehrer von Caspar David Friedrich und Philipp Otto Runge, berühmte Museen haben seine Bilder. Dieses bezaubernde Pastellportrait der Petronella Cornelia Rømeling besitzt das Met Museum. Juel hat die dänische Königsfamilie und Klopstock gemalt, aber irgendwie ist er ein unterschätzter Maler geblieben. Es gibt keine schönen coffee table books mit seinem Werk, keine Kataloge, keine großen Jens Juel Ausstellungen, eigentlich ist das erstaunlich.


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