Samstag, 29. Juni 2024

Saint George Tucker


Saint George Tucker (er heißt wirklich so, dieses Saint George war der Vorname seines Urgroßvaters) wurde am 29. Juni des Jahres 1752 auf Bermuda geboren. Das sagt Wikipedia, die Encyclopedia of Virginia sagt dagegen, dass er am 10. Juli 1752 geboren wurde. Auf die Wikipedia ist kein Verlass. Tucker kam aus einer einflussreichen englischen Familie, die schon seit über hundert Jahren auf der Insel war. Daniel Tucker, einer seiner Vorfahren, war hier schon Gouverneur; sein Vater Henry Tucker ist Colonel der Miliz auf der Insel. Der ist Kaufmann und manchmal auch Schmuggler. Und er macht mit Benjamin Franklin in Philadelphia einen Deal, den der Continental Congress absegnet: die amerikanischen Revolutionäre liefern dringend benötigte Lebensmittel nach Bermuda und der Colonel lässt sie im Gegenzug einige hundert Fässer Schießpulver aus dem Magazin der Engländer in St George's mitnehmen. Er wird dafür nicht belangt werden, die Tuckers sind zu weit oben in der Gesellschaft. Mich wundert immer, dass diese abenteuerliche Geschichte des Bermuda Gunpowder Plot noch nicht in einen Film gewandert ist. Das Haus der Tuckers ist heute ein Museum.

Der junge St George Tucker verlässt 1771 die Insel, er geht nach Virginia, um am College of William & Mary Jura zu studieren. Sein Bruder Thomas Tudor Tucker verlässt die Insel auch, studiert Medizin in Edinburgh und wird später Schatzmeister der USA. St George Tucker ist in Williamsburg Schüler von George Wythe, einem der Unterzeichner der Declaration of Indepence. An dem berühmten College wird Tucker später Professor werden. Aber erst einmal kommt der Unabhängigkeitskrieg. Der junge Engländer aus Bermuda fühlt sich schon in Virginia zu Hause und tritt als Major in die Miliz ein. Er kämpft unter General Nathanael Greene in der Schlacht von Guildford Court House, bei der von den Amerikanern gehasste Banastre Tarleton zwei Finger verliert. Dort wird er durch einen Bajonettstich verwundet, aber am Ende des Krieges ist der Oberstleutnant Tucker bei Yorktown wieder dabei. Da ist er für den Gouverneur Thomas Nelson der Verbindungsoffizier zu den französischen Truppen, da er fließend Französisch spricht. Das kann George Washington nun gar nicht, aber der kommt irgendwie mit dem Comte de Rochambeau zurecht.

Tucker wird nach dem Krieg Richter in Virginia, dann Professor. Er wird neben George Wythe (bei dem auch Thomas Jefferson studierte) der bedeutendste Jurist des jungen Amerikas werden. Er kämpft dafür, dass die Richter unabhängig von der Politik sind. Daran sollte der amerikanische Supreme Court heute einmal denken. Er bearbeitet Sir William Blackstones fünfbändiges Werk der Commentaries on the Laws of England und veröffentlicht das Werk, das eine große Bedeutung im amerikanischen Rechtssystem haben wird, im Jahre 1803. Der amerikanische Supreme Court wird in seinen Entscheidungen Tucker vierzigmal erwähnen. 

Tucker tritt für die Sklavenbefreiung ein und veröffentlicht 1796 die Dissertation on Slavery: with a Proposal for its Gradual Abolition in Virginia (1796). Wir finden darin Sätze, die zu dieser Zeit kaum jemand sagt: Whilst America hath been the land of promise to Europeans, and their descendants, it hath been the vale of death to millions of the wretched sons of Africa. . .Whilst we were offering up vows at the shrine of Liberty. . .whilst we swore irreconcilable hostility to her enemies. . .whilst we adjured the God of Hosts to witness our resolution to live free or die. . .we were imposing on our fellow men, who differ in complexion from us, a slavery, ten thousand times more cruel than the utmost extremity of those grievances and oppressions, of which we complained. Im Gegensatz zu seinem Lehrer George Wythe, dessen Nachfolger er am College of William & Mary wurde, lässt er allerdings seine Sklaven nicht frei. Sein Stiefsohn Richard Randolph jedoch, der im selben Jahr stirbt, in dem Tuckers Buch erscheint, hatte in seinem Testament festgelegt, dass alle seine Sklaven frei sein sollen. Seine Witwe wird ihnen Grundbesitz zur Verfügung stellen, das stand schon in Randolphs Testament. Die Siedlung wird den Namen Israel Hill bekommen.

Tucker ist nicht nur Jurist, er ist auch noch Dichter und schreibt an die zweihundert Gedichte. Sie können sie hier bei der University of Virginia lesen. Sein hundertseitiges satirisches Werk The Probationary Odes of Jonathan Pindar, Esq (hier im Volltext) erregte großes Aufsehen. Man hielt es für ein Werk von Philip Freneau, weil man sich nicht vorstellen konnte, dass der Jurist Tucker Gedichte schrieb. Ich stelle hier heute einmal seine Ode to Peace ein, die er vier Jahre nach dem Ende des Unabhängigkeitskrieges geschrieben hat:   
 
Come, sweet Peace, and with thee bring
All the odors of the spring;
Summer's golden harvests, too,
Autumn's fruits of various hue,
Winter's health, and cheerful fires,
Joys, which competence inspires.

Leave to war the vernal blights,
Scorching summer's sultry nights,
Autumn's fogs, and sickly dew,
Rugged winter's blustering crew,
Slavery, famine, and despair,
Leave behind to cruel war.

All the good that freedom brings,
Mirth from innocence that springs,
Temperance, the foe to strife,
Friendship, sweetest balm of life,
Love, that rivals bliss divine,
Gentle Peace; be ever thine.

Tucker hat den Krieg erlebt, er weiß worüber er schreibt. Tucker wird den nächsten Krieg gegen die Engländer noch erleben, da schreibt er 1812 wieder ein patriotisches Gedicht. Ich weiß nicht, was Gedichte über den Frieden bewirken, aber es wäre schön, wenn es Frieden geben würde.Vor vierzig Jahren konnten wir lächeln, als Nicole Ein Bisschen Frieden sang, heute wären wir für ein bisschen Frieden dankbar.

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