Mittwoch, 16. Dezember 2015

Winterbilder


Irgendetwas ist in uns, das sich ein bisschen Winter herbeiwünscht. Der Erzähler von The Great Gatsby macht am Anfang des Romans das erstaunliche Geständnis, dass er mit dem amerikanischen Westen (aus dem er, wie alle Romanfiguren, kommt) Weihnachten, Kälte und Schnee verbindet. Wir lesen gerne schnell über diese Stelle hinweg, weil wir wissen wollen, was es mit dem geheimnisvollen Gatsby auf sich hat.

Aber der Winter, die Kälte und der Schnee, stehen im ➱Text. Ich finde das sehr beruhigend, weil ich mit Wilhelm Raabe sagen kann: von allen Naturerscheinungen bringt der Schneefall (vom warmen Zimmer aus gesehen) die behaglichsten Bilder und Traumminuten mit sich. Meine Kindheit und Jugend bestand aus sehr kalten Wintern. Solchen Wintern, in denen die Weser bei uns schon mal zufror oder der Strand voller riesiger Eisschollen war. Das waren die Winter nach dem Krieg, in denen das Weserstadion sehr, sehr kalt war. Doch es waren auch schöne Winter mit den Freuden des ➱Schlittschuhlaufens.

Wahrscheinlich ist es diese romantisch nostalgische Erinnerung an die schönen Winter der Jugend, die mich Winterszenen in der Literatur immer mit einem stillen Vergnügen lesen lässt. Wie zum Beispiel den Anfang von Great Gatsby. Oder den Anfang von Fontanes ➱Roman Vor dem Sturm mit viel Schnee und einer Schlittenfahrt. Oder den Anfang des autobiographischen ➱Romans The Pioneers von James Fenimore Cooper, auch viel Schnee und eine Schlittenfahrt. Ich habe darüber schon vor fünf Jahren einiges in dem Post ➱Weihnachtszeit geschrieben, das war damals mein erstes Weihnachtsfest als Blogger.

Ich habe in den fünf Jahren auch gerne Winterbilder in den Text gestellt, wahrscheinlich habe ich mit Brueghels Jägern im Schnee begonnen. Ich hatte das am Anfang meiner Tätigkeit als Blogger noch nicht so raus, wie man Bilder in dem Text plaziert. Inzwischen kann ich das, und viele Leser sind auch für die Bilder dankbar, die sie sonst vielleicht nie sehen würden.

Und ich bin natürlich dankbar, dass ich ➱Kunstgeschichte studiert habe und ein großes Bildergedächtnis besitze. In dem Post ➱Winterreise hatte ich damals die Bilder des Norwegers Ludvig Munthe eingefügt. Und die Winterbilder mit dem seltsamen Licht von Jacob van Uden habe ich schon in dem Post ➱Hintergrund vorgestellt. Ich habe heute einen Anlass, wieder einmal einige Winterbilder zu zeigen, und dieser Anlass heißt Anders Andersen-Lundby.

Über diesen dänischen Maler weiß der Brockhaus im Jahre 1911 zu sagen: Andersen-Lundby, Anders, dän. Landschaftsmaler, geb. 16. Dez. 1841 zu Lundby bei Aalborg, lebt in München; bes. Winterlandschaften aus dessen Umgebung. Mit zwanzig Jahren war Andersen-Lundby nach Kopenhagen gegangen, aber nicht, um an der Akademie zu studieren, er ist ein Maler, der sich die Malkunst selbst beigebracht hat.

Er soll in den ersten Jahren in Kopenhagen für einige Kunsthändler tätig gewesen sein, man weiß nicht viel darüber. Man weiß sowieso ziemlich wenig über sein Leben. 1864 zeigt er zum ersten Mal seine Bilder in einer dänischen Galerie. Im Jahr 1911 wird Andersen-Lundby seine Bilder im Glaspalast in München ausstellen. Und für den Official Catalogue der Exhibition of the German Empire in St. Louis im Jahre 1904 ist Andersen-Lundby schon gar kein Däne mehr. Da steht nur München hinter seinem Namen.

Um 1870 hat er seine ersten Winterbilder gemalt, und da die beim Publikum gut ankamen, malte er immer wieder Winterbilder. Diese Münchener Vorstadtstraße hat er in seinem Todesjahr 1923 gemalt, da war er schon über fünfzig Jahre im Geschäft mit Winterbildern. Das ist eine erstaunliche Sache. 1876 war er mit seiner Familie von Kopenhagen nach München gezogen, hatte seine Heimat Dänemark nicht vergessen. Er machte immer wieder Studienreisen in die Heimat und stellte seine Bilder dort immer wieder aus.

In dem 1905 erschienen Buch des Josef Bielefeld Verlags München und die Münchener: Leute, Dinge, Sitten, Winke ist der Maler verzeichnet als: Anders Andersen-Lundby, Adalbertstraße 55/111, Professor. Landschafter, Künstlergenossenschaft. Landschaften aus dem bayerischen Gebirge und Dänemark. Da hat unser Münchener Däne inzwischen einen Professorentitel bekommen. Oder ist es dieser Titel, mit dem man in den Alpenländern gerne höflichkeitshalber angeredet wird?

Waren Winterbilder eine Marktlücke? Oder liebte er den Winter? Ich weiß es nicht. Zugegeben, er hat einige Landschaftsbilder gemalt, auf denen wir keine Schneeflocke entdecken können, doch die Masse seines Werkes machen die Münchener und oberbayrischen Winterlandlandschaften aus. Immer im Licht des späten Nachmittags und des frühen Abends gemalt. Das Bild mit dem nächtlich erleuchteten Gebäude im Park in nebligem Licht im ersten Absatz gefällt mir am besten. Es ist übrigens sehr klein, 25 x 32 cm. Viele ganz kleine Bilder haben eine große Wirkung. ➱Thomas Girtins White House at Chelsea ist sehr klein, ebenso die Bilder von ➱Wolfgang Heimbach. Vielleicht sollte ich mal einen Post schreiben, der kleine Bilder, große Wirkung heißt.

Montag, 14. Dezember 2015

Lady Chatterley's Lover


Diese ältere Dame hält ein Buch in einer Hand und ein Streichholz in der anderen. Das Buch ist ein Paperback des Penguin Verlags. Es heißt Lady Chatterley's Lover und war eigentlich schon viel früher als 1960 erschienen, nämlich am 14. Dezember 1928. Gedruckt in Italien, in England durfte so etwas nicht gedruckt oder verkauft werden. James Joyces Dubliners (lesen Sie dazu doch diesen schönen ➱Post), das keine Wildhüter oder liebeskranke Aristokratinnen enthielt, durfte in Irland nicht verkauft werden. Die ältere Dame wirkt auf den ersten Blick harmlos, und doch: dieses Streichholz. Wir haben in Deutschland unsere eigene Tradition mit dem Thema ➱Bücherverbrennung, und ich zitiere mal eben Heinrich Heines Satz Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.

Der Penguin Verlag wagt den Aufstand gegen den Obscene Publications Act von 1959 und druckt 1960 zum ersten Mal den unverstümmelten Text von Lady Chatterley's Lover. Und erstattet gleich Selbstanzeige. Der Chefankläger Mervyn Griffith-Jones macht sich zu Anfang des Prozesses zum Gespött der Presse (und der Jury), wenn er die Jury fragt: Is it a book that you would have lying around in your own house? Is it a book that you would even wish your wife or your servants to read? Nein, so etwas läßt man die Diener natürlich nicht lesen, die könnten ja auf den Gedanken kommen, es dem Wildhüter Oliver Mellors gleichzutun. Wie wir dem Cartoon von Giles (mit dem schönen Text All of a sudden we've become a literary-minded, puritanical, culture-seeking nation) entnehmen können, hat der Penguin Verlag den Prozess gewonnen.

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte: die Bastion der viktorianischen Werte wird angegriffen. Und was folgt? Nutten und Kriminelle. Nicht nur der Name Lady Chatterley's Lover steht auf dem Rammbock, auch der Name Lolita. 1959 bei Weidenfeld & Nicolson veröffentlicht und sofort ein Skandal. Der Herausgeber des Sunday Express fand es the filthiest book I have ever read und sprach von sheer unrestrained pornography. Graham Greene dagegen setzte es auf die Liste der besten Bücher des Jahres 1955 (da war Lolita in einer fehlerhaften Ausgabe in Paris erschienen) in der Sunday Times.

In Lady Chatterley's Lover wird fuck gesagt. Und cunt. Das darf nicht sein. Das Englische hat ja eine Vielzahl von Möglichkeiten, böse, ungehörige Wörter zu umgehen. Nehmen wir einmal das Wort bloody, das der Durchschnittsengländer gerne als Verstärkung gebraucht - wie in not bloody likely. Das lässt Shaw in Pygmalion seine Eliza Doolittle sagen, die kommt aus der Unterschicht, die redet so. Die Schauspielerin Beatrice Stella Tanner riskierte ihre Karriere, als sie wirklich auf der Bühne am Ende des dritten Aktes Walk! Not bloody likely. I am going in a taxi sagte. Man ging damals ins Theater, um das verbotene Wort zu hören. Und die englische middle class prägte umgehend den wunderbaren Euphemismus Not Pygmalion likely!

Ich mag D.H. Lawrence nicht besonders. Ich finde, dass seine Essays Studies in Classic American Literature das Beste sind, das er geschrieben hat (Sie können die ➱hier im Volltext lesen). Ich habe mir damals die Pariser Ausgabe von 1955 gekauft, als die Penguin Ausgabe (an der Allen Lane Millionen verdient hat) noch nicht erschienen war. Ich war noch keine achtzehn, ich wollte sehen, was an diesem geheimnisvollen Buch dran war. Nix. Da ist mehr Sex im Hohelied Salomonis. Wenn Sie die atemberaubende Sexszene des Romans lesen wollen (übrigens ohne die Wörter cunt und fuck, die kommen da gar nicht vor), dann klicken Sie ➱hier.

Das hier kommt vielleicht wie eine kleine Überraschung. Ein Szenenphoto aus dem französischen ➱Film L'amant de lady Chatterley aus dem Jahre 1955! Die Regie hatte Marc Allégret, das Liebespaar spielten Danielle Darrieux und Erno Crisa. War das in Frankreich ein Skandal? Regte sich da im Jahre 1955 die ganze französische Nation auf? Not Pygmalion likely! Das sind Franzosen, die sagen bestenfalls c'est l'amour.

Ja, natürlich ist das Chief ➱Inspector Barnaby. Den möchte ich mal eben zitieren, weil es in der Folge Pikante Geheimnisse (Country Matters) ein Lady Chatterley Zitat gibt. In dem kleinen Dorf, in dem Barnaby ermittelt, gehen verschiedene Damen verschiedenen sexuellen Betätigungen nach. Eine arbeitet als Freizeitnutte und tarnt ihre Tätigkeit als Kochkurse. Die wird gespielt von Clare Holman, die eigentlich die Gerichtsmedizinerin in ➱Lewis ist (wir wollen mal hoffen, dass Robbie Lewis das nicht erfährt). Eine andere Dame versohlt masochistische ➱Gentlemen, und die dritte inszeniert sich als Lady Chatterley im Wald. Leider habe ich davon keine Bilder, deshalb nehme ich dieses aus einer anderen Barnaby Folge. Denn nacktes Fleisch erwartet man in einem Post der Lady Chatterley's Lover heißt.

Der Penguin Verlag druckte 1961 in die zweite Auflage von Lady Chatterley's Lover die Widmung: For having published this book, Penguin Books were prosecuted under the Obscene Publications Act, 1959 at the Old Bailey in London from 20 October to 2 November 1960. This edition is therefore dedicated to the twelve jurors, three women and nine men, who returned a verdict of 'not guilty' and thus made D. H. Lawrence's last novel available for the first time to the public in the United Kingdom. Die BBC verfilmte den spektakulären Prozess im Jahre 2006 als The Chatterley Affair (klicken Sie ➱hier). Und der Chefankläger Mervyn Griffith-Jones, der sich damals so blamiert hatte, verschwand nicht etwa in der Versenkung. Nein, der wurde der Chefankläger in der ➱Christine Keeler Affäre.

Sonntag, 13. Dezember 2015

Grandma Moses


Heute vor 54 Jahren starb Anna Mary Robertson Moses kurz nach ihrem 101. Geburtstag. Wir kennen sie als Grandma Moses. Ihre malerische Karriere begann erst, als sie schon sehr alt war: I had always wanted to paint, I just didn’t have time until I was 78. Die Amerikaner haben ihre Bilder geliebt, weil es Bilder einer verschwundenen Welt waren. Und weil die Amerikaner die naive Kunst (die auch eine Kunst ist) lieben. Grandma Moses hat die naive amerikanische Malerei nicht erfunden, die hat in Amerika eine lange Tradition.

Es war ein deutscher Emigrant namens Alfred Neumeyer, der in seiner Geschichte der amerikanischen Malerei: Von der kolonialen Frühzeit bis zur naiven Malerei diese naive Malerei (und die Volkskunst) im gleichen Atemzug mit der sogenannten großen Kunst genannt hat. Denn irgendwo muss ein so liebenswerter Maler wie Thomas Hicks (der schon den Post ➱The Peacable Kingdom hat) ja einen Platz finden. Und die symbolistischen Bilder von ➱Albert Pinkham Ryder leben davon, dass sie noch viel von der naiven Malerei enthalten. Von der amerikanischen Pop Art ganz zu schweigen, was wären die ➱Flaggen von Jasper Johns ohne die amerikanische Volkskunst (zu amerikanischen Flaggen gibt es ➱hier schon einen Post)?

Vielleicht schreibe ich im neuen Jahr einmal über das high und low in der amerikanischen Kunst. Über John Archibald Woodsides Bild eines Viehmarktes in Pennsylvania (1824) und all die anderen schönen Dinge. Die ➱Liberty Girls, die sicherlich auch zu dem Thema gehören, haben schon einen Post. Die Coca Cola Dosen in der Kunst und Künstler wie Grandma Moses und ➱Thomas Chambers könnten noch mehr Aufmerksamkeit bekommen. Präsident Kennedy sagte nach dem Tod von Grandma Moses: The death of Grandma Moses removed a beloved figure from American life. The directness and vividness of her paintings restored a primitive freshness to our perception of the American scene. Both her work and her life helped our nation renew its pioneer heritage and recall its roots in the countryside and on the frontier. All Americans mourn her loss. Als sie starb, wurde Kennedy Präsident, als sie geboren wurde, war Abraham Lincoln noch nicht im Amt.

Ich weiß, dass es draußen regnet. Dem Wetter zum Trotz habe ich diese Winterbilder aus dem Werk von Grandma Moses ausgesucht. Damit wir heute am dritten Advent so ein klein bisschen von einem vorweihnachtlichen Gefühl bekommen (1946 wurden sechzehn Millionen Weihnachtskarten mit einem Bild von Grandma Moses verkauft). Ich wünsche all meinen Lesern einen schönen Adventssonntag. Und wir nehmen mal diesen Satz von Grandma Moses mit in den Tag: I look back on my life like a good day’s work, it was done and I feel satisfied with it. I was happy and contented, I knew nothing better and made the best out of what life offered. And life is what we make it, always has been, always will be.

Samstag, 12. Dezember 2015

Frankieboy


It's quarter to three,
There's no one in the place 'cept you and me
So set 'em' up Joe
I got a little story I think you oughta know


Blue skies, smilin' at me
Nothin' but blues skies do I see
Bluebirds singing a song
Nothin' but bluebirds all day long

In the shadows of the night we'll stand
I'll touch your heart and then
Softly as your lovely eyes entreat
Our lips will meet again.

Every cloud must have a silver lining
Just wait until the sun shines through
Smile, my honey dear, while I kiss away each tear
Or else I shall be melancholy too

That old black magic has me in it's spell,
That old black magic that you weave so well

Ever since that night we've been together.
Lovers at first sight, in love forever.
It turned out all right
For strangers in the night.

For once in my life
I have someone who needs me
someone I've needed so long
Someone to watch over me

I have got you under my skin
I've got you deep in the heart of me
So deep in my heart you're really a part of me
I've got you under my skin

And then I go and spoil it all
By saying something stupid
Like: "I love you"

There'll be no new romance for me, it's foolish to start
'cause that old feeling is still in my heart

Always get that mood indigo,
Since my baby said goodbye.
In the evenin' when lights are low,
I'm so lonesome I could cry.

When your lonely heart has learned its lesson
You'd be hers if only she would call
In the wee small hours of the morning
That's the time you miss her most of all

We're drinking my friend
To the end of a brief episode
So make it one for my baby
And one more for the road

Start spreadin' the news, i'm leavin' today
I've lived a life that's full.
I traveled each and every highway
And more, much more than this,
I did it my way.

Regrets, I've had a few
But then again, too few to mention.
I did what I had to do
And saw it through without exemption.

I planned each charted course
Each careful step along the byway,
And more, much more than this,
I did it my way.

Frank Sinatra wurde heute vor hundert Jahren geboren, ich habe über die Jahre viele Platten und CDs mit ihm gekauft, habe sogar die Aufnahme, wo er ➱Mandalay singt. Was ich nicht habe, sind seine Schubert Lieder, aber die hat er wohl nur zu Hause gesungen. Ich habe aber auch eine ganze Menge Tony Bennett, das will ich gerne gestehen. Ist auch ein guter ➱Sänger. Lady Gaga hat über ihn gesagt: He could sing the phone book and it would sound fantastic. Tony Bennett ist neunundachtzig, zur Erinnerung an seinen Freund Frank Sinatra hat er vor Jahren in Queens die Frank Sinatra School of the Arts gegründet. Mit der Kunst hat er es jetzt, wenn er nicht mehr singt, malt er.

Ich lege heute den ganzen Tag Frankieboy auf. Ich fange mal mit dem Konzeptalbum In The Wee Small Hours Of The Morning an, das viele Kritiker für sein bestes Album halten. Danach kommen die CDs von The Capitol Years. Es ist aber egal, was man auflegt. Der crooner hat eh immer nur ein Thema. Wie die ➱Troubadours des langue d'oc:

Yes, somebody said "Just forget about her"
So I gave that treatment a try
And strangely enough, I got along without her
Then one day she passed me right by
Oh well
I guess I'll hang my tears out to dry

Es ist nicht so, dass ol' blue eyes in diesem Blog noch nicht erwähnt worden wäre. Sie könnten auch in diese Posts schauen: Mandalay, Opernsänger, High Society, Weiße Socken, Jugendkultur, Rudolf Schock, Querbinder, Laurence Harvey, Jackson, Bobby Darin, Paul KuhnGroßer Zapfenstreich

Freitag, 11. Dezember 2015

nouveautés


Wochenlang hat die Suchfunktion mit dem kleinen Suchfeld hier rechts auf der Seite (unter dem Blog Archiv) nicht funktioniert. Jetzt geht sie wieder. Google hat daran gebastelt. Und gleich wieder etwas Neues präsentiert. Früher gab es als Suchergebnis nur die Titel des Posts, jetzt gibt es auch noch Bilder dazu. Allerdings sind die Ergebnisse etwas zweifelhaft: Otto Flake, Parallellinien und Niels Bohr haben mit dem Method Acting (das ich als Suchbegriff eingab) überhaupt nichts zu tun. Das neue System listet sie nur deshalb auf, weil es Posts aus dem November 2011 sind. Und da gab es nun mal einen Post namens Method Acting, der sich dann auf jeder neuen Seite im Blog Archiv findet. Waren da bei Google die Gremlins an der Arbeit? Aber, wenn Sie ein bisschen spielen wollen, dann können Sie das Suchfeld ja testen. Wenn Sie Pech haben, bekommen Sie die Mitteilung: Die benutzerdefinierte Suchmaschine wird geladen. Versuchen Sie es in einigen Sekunden noch einmal. Die Gremlins sind immer noch da.

Ich stelle den Anfang meines Testergebnisses zum Thema Method Acting heute am 11.11. ein, denn im Jahre 2011 war der 11. November in Amerika der Corduroy Appreciation Day (weil die Zahl 111111 den Rippen des Cords ähnelt), wie man im Post Parallellinien lesen kann. Zeit also, Cordhosen anzuziehen und Norweger aus Budapest zu tragen.

17. Nov. 2011 ... Marilyn Monroe zum Beispiel. Lee Strasberg gehörte zu den Begründern des Group Theatre, und dann hat er das Method Acting erfunden.
loomings-jay.blogspot.com
10. Nov. 2011 ... ... Winterreise · Niels Bohr ·Method Acting · John Bright · Jean Gabin · Charles · Charles Frederick Worth · Rodin · Parallellinien · Otto Flake ...
loomings-jay.blogspot.com
11. Nov. 2011 ... ... Kleist · Tango · Winterreise · Niels Bohr · Method Acting · John Bright · Jean Gabin · Charles · Charles Frederick Worth · Rodin · Parallellinien ...
loomings-jay.blogspot.com
18. Nov. 2011 ... ... Kleist · Tango · Winterreise · Niels Bohr · Method Acting · John Bright · Jean Gabin · Charles · Charles Frederick Worth · Rodin · Parallellinien ...
loomings-jay.blogspot.com


Donnerstag, 10. Dezember 2015

Borges


Jorge Luis Borges konnte Altenglisch, eine Sprache, die in diesem Blog häufig erwähnt wird. Es gibt sogar einen Post, der einen altenglischen Namen hat, er heißt ➱ythlaf. Jorge Luis Borges konnte auch deutsche Texte lesen. In einem Interview mit The Paris Review hat er auf die Frage You have often spoken of the people who have influenced you, like De Quincey geantwortet: De Quincey greatly, yes, and Schopenhauer in German. Yes, in fact, during the First World War, I was led by Carlyle—Carlyle: I rather dislike him: I think he invented Nazism and so on, one of the fathers or forefathers of such things—well, I was led by Carlyle to a study of German, and I tried my hand at Kant's Critique of Pure Reason. Of course, I got bogged down as most people do—as most Germans do. Then I said, “Well, I'll try their poetry, because poetry has to be shorter because of the verse.” I got hold of a copy of Heine's 'Lyrisches Intermezzo' and an English-German dictionary, and at the end of two or three months I found I could get on fairly well without the aid of a dictionary.

Ich finde es sehr sympathisch, dass ein gebildeter Mann wie Borges Kant nicht lesen kann und lieber Schopenhauer liest. Geht mir auch so. Deutsch lernen mit Heinrich Heine (der ihm seine Nachtigallenpracht gab), warum nicht. Mehrfach haben Leser ihr Erstaunen geäußert, in diesem Blog nichts über Borges zu finden. Eine diese Äußerungen steht als Kommentar am Ende des Posts ➱Rottach-Egern (das ist neben ➱Der wissenschaftliche Witz auch der einzige Post, in dem Borges auftaucht). Viele Leser glauben, ich sei ein Seelenverwandter von Borges, viele meiner Freunde schenken mir immer wieder Bücher von Borges. Ich lese das alles, doch ich kann zu dem großen Borges wenig sagen. Seine Ausflüge in die Phantastik sind nichts für mich, ich habe schon in meinem Post ➱Fantasy meine Abneigung gegen dies Genre geäußert. Manche Autoren bleiben mir fremd. 

Aber damit mal ein klein wenig Borges in meinen Blog kommt, habe ich heute doch etwas, über das ich letztens beim Lesen gestolpert bin. Es ist ein Gedicht von Jorge Luis Borges, das Lob der deutschen Sprache heißt. Ich finde es sehr schön:

Die kastilische Sprache ward mir zum Schicksal,
Franzisco de Quevedos Bronze,
aber auf dem langen Weg durch die Nacht;
erheben sich andre, intimere Musiken.
Eine wurde mir aus dem Blute geschenkt -
o Stimme Shakespeares und der Schrift-
andere durch Zufall, der freigebig ist.
Dich aber, süße Sprache Deutschlands,
Dich habe ich erwählt und gesucht, ganz von mir aus.
In Nachtwachen und mit Grammatiken,
aus dem Dschungel der Deklinationen,
das Wörterbuch zur Hand, das nie den präzisen Beiklang trifft,
näherte ich mich Dir.
Meine Nächte sind mit Virgil angefüllt;
so sagte ich einmal;
ich könnte aber auch gesagt haben:
mit Hölderlin und Angelus Silesius.
Heine gab mir seine Nachtigallenpracht;
Goethe die Schickung einer späten Liebe,
gelassen sowohl wie bereichernd;
Keller die Rose, gelegt von der Hand
in die eines Toten, der die Blume liebte
und der nie wissen wird, ob sie weiß oder rot ist.
Du, Sprache Deutschlands, bist Dein Hauptwerk;
die verschränkte Liebe der Wortverbindungen,
die offenen Vokale, die Klänge,
angemessen dem griechischen Hexameter,
und Deine Wald- und Nachtgeräusche.
Dich besaß ich einmal. Heute, am Saum der müden Jahre;
gewahre ich Dich in der Ferne;
unscharf wie die Algebra und den Mond!

Das Gedicht findet sich in dem letzten Gedichtband des Autors El Oro de los Tigres (1972). Es wurde von Franz Nidermayer übersetzt. Das Original gibt es hier natürlich auch:

Mi destino es la lengua castellana,
El bronce de Francisco de Quevedo,
Pero en la lenta noche caminada,
Me exaltan otras músicas más íntimas.
Alguna me fue dada por la sangre-
Oh voz de Shakespeare y de la Escritura-,
Otras por el azar, que es dadivoso,
Pero a ti, dulce lengua de Alemania,
Te he elegido y buscado, solitario.
A través de vigilias y gramáticas,
De la jungla de las declinaciones,
Del diccionario, que no acierta nunca
Con el matiz preciso, fui acercándome.
Mis noches están llenas de Virgilio,
Dije una vez; también pude haber dicho
de Hölderlin y de Angelus Silesius.
Heine me dio sus altos ruiseñores;
Goethe, la suerte de un amor tardío,
A la vez indulgente y mercenario;
Keller, la rosa que una mano deja
En la mano de un muerto que la amaba
Y que nunca sabrá si es blanca o roja.
Tú, lengua de Alemania, eres tu obra
Capital: el amor entrelazado
de las voces compuestas, las vocales
Abiertas, los sonidos que permiten
El estudioso hexámetro del griego
Y tu rumor de selvas y de noches.
Te tuve alguna vez. Hoy, en la linde
De los años cansados, te diviso
Lejana como el álgebra y la luna.

Montag, 7. Dezember 2015

Eli Wallach


So kennt man ihn, mit Schlinge um den Hals oder ohne Schlinge. Mit Sombrero oder Stetson, er hat dieses Gesicht, mit dem er wunderbar jede Sorte von Bösewicht spielen kann.  Hier sehen wir ihn als mexikanischen Banditen in dem ➱Spaghetti Western Il buono, il brutto, il cattivo (Zwei glorreiche Halunken). Davor war er neben ➱Steve McQueen (und ➱Horst Buchholz) in The Magnificent Seven zu sehen, einem amerikanischen Re-Make von Akira Kurosawas Klassiker Seven Samurai. Eigentlich kam er von der Bühne, und eigentlich war er ein ganz anderer, sein schauspielerisches Talent brauchte man für diese Filme nicht unbedingt. Nur das Gesicht.

Er war im Actors Studio gewesen und schwor auf die Methode von Lee Strasberg (der ➱hier einen Post hat), er war sogar Gründungsmitglied des Schauspielstudios. Hier hält er Marilyn Monroe im Arm, ein Opfer der zweifelhaften Lehren von Strasberg. Ich halte das Method Acting und das ganze Gewese, das um diese Methode gemacht wurde, für Humbug und Scharlatanerie. Die amerikanische Begeisterung für das Method Acting geht auf die Schriften des Russen Konstantin Stanislawski zurück. Ich frage mich manchmal, ob die Amerikaner da nicht etwas falsch verstanden haben.

Nehmen wir doch einmal A Streetcar Named Desire (das Stück hat ➱hier einen Post). Bei der Uraufführung waren nur Method Actors auf der Bühne. Bis auf die Engländerin Jessica Tandy (die im Alter mit Driving Miss Daisy und Fried Green Tomatoes große Erfolge feierte) als Blanche Dubois. Und in der Verfilmung gab es eine ähnliche Konstellation: wieder kam die Blanche Dubois aus England. Es war ➱Vivien Leigh, die brauchte Lee Strasberg nicht. Der genügte der Alkohol. Die Blonde da hinten auf diesem Photo, die glaubte an Strasberg, es hat zu ihrem Ruin beigetragen.

Das amerikanische Theater nach 1945 wird von Tennessee Williams und Arthur Miller geprägt, die die publikumswirksamsten Stücke schreiben. Dass viele Schauspieler in dieser Zeit in Lee Strasbergs Actors Studio rennen, ist eine zweitrangige Sache. Wir sehen hier Eli Wallach in Tennessee Williams' The Rose Tattoo. Filme interessierten ihn damals wenig: What do I need a movie for? The stage is on a higher level in every way, and a more satisfying medium. Movies, by comparison, are like calendar art next to great paintings. You can't really do very much in movies or in television, but the stage is such an anarchistic medium.

Aber bevor das Theater kam und bevor der Film kam, bevor er Carroll Baker (in Baby Doll) oder Marilyn Monroe (in The Misfits) im Arm halten konnte, da gab es einen ganz anderen Eli Wallach. Der studiert hat. Zuerst an der University of Texas (wo er auch Reiten lernte, das war für die Western Filme sicherlich nützlich) und dann am City College of New York, wo er einen M.A. bekam. Vielleicht wäre aus ihm ein Hochschullehrer geworden.

Aber dann kam der Krieg, und der Mann, der zuvor an der Neighborhood Playhouse School of the Theatre in die Welt des Schauspiels schnupperte, war bei der Armee. Zuerst als Staff Sergeant in einem Militärkrankenhaus in Hawaii (das kleine Photo oben links), danach als Leutnant in der Krankenhausverwaltung. Und da wird er zum ersten Mal auf der Bühne eine Rolle spielen. In einem selbstgeschriebenen Stück, dass die Truppenbetreuung in Casablanca aufführt. Er spielt (kleines Photo links unten) zur Belustigung der Patienten Adolf Hitler.

Eli Wallach wurde heute vor hundert Jahren geboren. Als er vor zwei Jahren starb, rühmten ihn die Nachrufe als das Gesicht, das den Italo Western geprägt hatte. Ein wenig mehr war er schon. Als er 2010 einen Ehrenoscar bekam, schrieb die Motion Picture Academy auf ihrer WebsiteFor a lifetime’s worth of indelible screen characters. As the volcanic, voluble outlaw Tuco in Sergio Leone’s classic Western 'The Good, the Bad and the Ugly' (1966), Eli Wallach was the perfect foil for Clint Eastwood’s laconic Blondie. He may have played the 'Ugly' of the title, but he made it look good. That magnificently multidimensional performance typifies the work Wallach was renowned for since the 1940s and continued to do well into his nineties with appearances in 'The Ghost Writer' and 'Wall Street: Money Never Sleeps', both released in 2010. As an actor, Wallach is the quintessential chameleon, effortlessly inhabiting a wide range of characters, while putting his inimitable stamp on every role.